Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

Bild:
<< vorherige Seite

mehr mit dem Laßdünckel sich behieng, und weisen wolte, wie er auch Schrifft-
Sprüche wüste, aber dieselbe verdrehen und auf seinen fleischlichen Sinn,
ohne dadurch bekehret zu werden, appliciren konnte.

§. 82.

Des Morgens am 1. Febr. traff sichs, daß ich, mit seinem
von ihme erwehlten Beicht-Vater, dem jüngsten Herrn Schmid, und Herrn
Astmann, ihn zugleich besuchten, fragten ihn, wie ihm diese Herberge ge-
fiele, bekamen zur Antwort: Warhafftig besser als droben, denn er würde
so offt nicht turbiret vom Besuche der Leute. So nahm ich ihn in Beyseyn
meiner beyden Herrn Collgen vor auf Catechetische Weise, litte weiter
nichts von feinem schwätzigen Maule zu hören, als Antwort über meine Fra-
gen, die ich von der Busse vortrug; nur Mühe hatte ich, daß ich ihn stille
und catachetisch zu seyn machete, indem er immer aus Stoltz mehr wissen
und antworten wolte, weder er gefraget wurde, zuwider seiner vormahls
angenommenen Weise, da er sich boßhafftig stellete, als wüste er nichts von
GOttes heiligen Worte, als hätte er keinen heilsamen Spruch sein Tage
gelernet, ja so gar, daß er weder ein Wort lesen oder schreiben konnte, da
er doch solches alles wuste, und nachgehends, als er verrathen war, lauter
Wind damit machen wolte, der solches offt besser als die Prediger wüste.

§. 83.

Jch will doch, weil die Herren Prediger es höreten, meine
Buß-Schule nach gefallenen Fragen ordentlich herbey fügen, obs etwa bey
diesen Fällen für zulänglich erkennet und so heilsamlich möchte appliciret
werden. Uns zum wenigsten hat es gäntzlich damit nicht übel einschlagen
wollen, indem wir keine bessere Methode zu ersinnen wusten, nur daß wirs
öffters wiederholen, und damit unausgesetzt continuiren musten.

§. 84.

Jch fragte praeliminariter, ob er stille seyn, gute Acht auf
Fragen geben, hierauf kurtz mit Ja oder Nein antworten, Frage und Ant-
wort behalten, und wenn wir wieder von ihm gegangen wären, alles rumi-
nir
en und bey sich selbst überlegen wolte, obs die Warheit und der richtige
Weg zur Seeligkeit wäre? oder so er einen Scrupel worüber hätte, wenn
wir wieder kämen, solchen entdeckete und weiteren Unterricht erwartete?
Da ichs Ja weg hatte, hub ich getrost an, wiewol seine alte Heuchel-
Oratorie manchmal über diese gemessene Schnur hauen und in Wäscherey
wolte, die ich so dann unterbrechen und ihn Scholar zu seyn erinnern muste.

§. 85.

Jch dächte, wir hättens an unserm Theile zur Gnüge er-
fahren, wie schwer ein alter Mensch zu bändigen, und von seiner bösen einge-
wurtzelten Gewohnheit herab zu bringen wäre. Wenn der gerechte weise

GOtt

mehr mit dem Laßduͤnckel ſich behieng, und weiſen wolte, wie er auch Schrifft-
Spruͤche wuͤſte, aber dieſelbe verdrehen und auf ſeinen fleiſchlichen Sinn,
ohne dadurch bekehret zu werden, appliciren konnte.

§. 82.

Des Morgens am 1. Febr. traff ſichs, daß ich, mit ſeinem
von ihme erwehlten Beicht-Vater, dem juͤngſten Herrn Schmid, und Herrn
Aſtmann, ihn zugleich beſuchten, fragten ihn, wie ihm dieſe Herberge ge-
fiele, bekamen zur Antwort: Warhafftig beſſer als droben, denn er wuͤrde
ſo offt nicht turbiret vom Beſuche der Leute. So nahm ich ihn in Beyſeyn
meiner beyden Herrn Collgen vor auf Catechetiſche Weiſe, litte weiter
nichts von feinem ſchwaͤtzigen Maule zu hoͤren, als Antwort uͤber meine Fra-
gen, die ich von der Buſſe vortrug; nur Muͤhe hatte ich, daß ich ihn ſtille
und catachetiſch zu ſeyn machete, indem er immer aus Stoltz mehr wiſſen
und antworten wolte, weder er gefraget wurde, zuwider ſeiner vormahls
angenommenen Weiſe, da er ſich boßhafftig ſtellete, als wuͤſte er nichts von
GOttes heiligen Worte, als haͤtte er keinen heilſamen Spruch ſein Tage
gelernet, ja ſo gar, daß er weder ein Wort leſen oder ſchreiben konnte, da
er doch ſolches alles wuſte, und nachgehends, als er verrathen war, lauter
Wind damit machen wolte, der ſolches offt beſſer als die Prediger wuͤſte.

§. 83.

Jch will doch, weil die Herren Prediger es hoͤreten, meine
Buß-Schule nach gefallenen Fragen ordentlich herbey fuͤgen, obs etwa bey
dieſen Faͤllen fuͤr zulaͤnglich erkennet und ſo heilſamlich moͤchte appliciret
werden. Uns zum wenigſten hat es gaͤntzlich damit nicht uͤbel einſchlagen
wollen, indem wir keine beſſere Methode zu erſinnen wuſten, nur daß wirs
oͤffters wiederholen, und damit unausgeſetzt continuiren muſten.

§. 84.

Jch fragte præliminariter, ob er ſtille ſeyn, gute Acht auf
Fragen geben, hierauf kurtz mit Ja oder Nein antworten, Frage und Ant-
wort behalten, und wenn wir wieder von ihm gegangen waͤren, alles rumi-
nir
en und bey ſich ſelbſt uͤberlegen wolte, obs die Warheit und der richtige
Weg zur Seeligkeit waͤre? oder ſo er einen Scrupel woruͤber haͤtte, wenn
wir wieder kaͤmen, ſolchen entdeckete und weiteren Unterricht erwartete?
Da ichs Ja weg hatte, hub ich getroſt an, wiewol ſeine alte Heuchel-
Oratorie manchmal uͤber dieſe gemeſſene Schnur hauen und in Waͤſcherey
wolte, die ich ſo dann unterbrechen und ihn Scholar zu ſeyn erinnern muſte.

§. 85.

Jch daͤchte, wir haͤttens an unſerm Theile zur Gnuͤge er-
fahren, wie ſchwer ein alter Menſch zu baͤndigen, und von ſeiner boͤſen einge-
wurtzelten Gewohnheit herab zu bringen waͤre. Wenn der gerechte weiſe

GOtt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0069" n="63[61]"/>
mehr mit dem Laßdu&#x0364;nckel &#x017F;ich behieng, und wei&#x017F;en wolte, wie er auch Schrifft-<lb/>
Spru&#x0364;che wu&#x0364;&#x017F;te, aber die&#x017F;elbe verdrehen und auf &#x017F;einen flei&#x017F;chlichen Sinn,<lb/>
ohne dadurch bekehret zu werden, <hi rendition="#aq">applicir</hi>en konnte.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 82.</head>
        <p>Des Morgens am 1. Febr. traff &#x017F;ichs, daß ich, mit &#x017F;einem<lb/>
von ihme erwehlten Beicht-Vater, dem ju&#x0364;ng&#x017F;ten Herrn Schmid, und Herrn<lb/>
A&#x017F;tmann, ihn zugleich be&#x017F;uchten, fragten ihn, wie ihm die&#x017F;e Herberge ge-<lb/>
fiele, bekamen zur Antwort: Warhafftig be&#x017F;&#x017F;er als droben, denn er wu&#x0364;rde<lb/>
&#x017F;o offt nicht <hi rendition="#aq">turbir</hi>et vom Be&#x017F;uche der Leute. So nahm ich ihn in Bey&#x017F;eyn<lb/>
meiner beyden Herrn <hi rendition="#aq">Collg</hi>en vor auf <hi rendition="#aq">Catecheti</hi>&#x017F;che Wei&#x017F;e, litte weiter<lb/>
nichts von feinem &#x017F;chwa&#x0364;tzigen Maule zu ho&#x0364;ren, als Antwort u&#x0364;ber meine Fra-<lb/>
gen, die ich von der Bu&#x017F;&#x017F;e vortrug; nur Mu&#x0364;he hatte ich, daß ich ihn &#x017F;tille<lb/>
und <hi rendition="#aq">catacheti</hi>&#x017F;ch zu &#x017F;eyn machete, indem er immer aus Stoltz mehr wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und antworten wolte, weder er gefraget wurde, zuwider &#x017F;einer vormahls<lb/>
angenommenen Wei&#x017F;e, da er &#x017F;ich boßhafftig &#x017F;tellete, als wu&#x0364;&#x017F;te er nichts von<lb/>
GOttes heiligen Worte, als ha&#x0364;tte er keinen heil&#x017F;amen Spruch &#x017F;ein Tage<lb/>
gelernet, ja &#x017F;o gar, daß er weder ein Wort le&#x017F;en oder &#x017F;chreiben konnte, da<lb/>
er doch &#x017F;olches alles wu&#x017F;te, und nachgehends, als er verrathen war, lauter<lb/>
Wind damit machen wolte, der &#x017F;olches offt be&#x017F;&#x017F;er als die Prediger wu&#x0364;&#x017F;te.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 83.</head>
        <p>Jch will doch, weil die Herren Prediger es ho&#x0364;reten, meine<lb/>
Buß-Schule nach gefallenen Fragen ordentlich herbey fu&#x0364;gen, obs etwa bey<lb/>
die&#x017F;en Fa&#x0364;llen fu&#x0364;r zula&#x0364;nglich erkennet und &#x017F;o heil&#x017F;amlich mo&#x0364;chte <hi rendition="#aq">applicir</hi>et<lb/>
werden. Uns zum wenig&#x017F;ten hat es ga&#x0364;ntzlich damit nicht u&#x0364;bel ein&#x017F;chlagen<lb/>
wollen, indem wir keine be&#x017F;&#x017F;ere <hi rendition="#aq">Methode</hi> zu er&#x017F;innen wu&#x017F;ten, nur daß wirs<lb/>
o&#x0364;ffters wiederholen, und damit unausge&#x017F;etzt <hi rendition="#aq">continuir</hi>en mu&#x017F;ten.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 84.</head>
        <p>Jch fragte <hi rendition="#aq">præliminarit</hi>er, ob er &#x017F;tille &#x017F;eyn, gute Acht auf<lb/>
Fragen geben, hierauf kurtz mit Ja oder Nein antworten, Frage und Ant-<lb/>
wort behalten, und wenn wir wieder von ihm gegangen wa&#x0364;ren, alles <hi rendition="#aq">rumi-<lb/>
nir</hi>en und bey &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t u&#x0364;berlegen wolte, obs die Warheit und der richtige<lb/>
Weg zur Seeligkeit wa&#x0364;re? oder &#x017F;o er einen <hi rendition="#aq">Scrupel</hi> woru&#x0364;ber ha&#x0364;tte, wenn<lb/>
wir wieder ka&#x0364;men, &#x017F;olchen entdeckete und weiteren Unterricht erwartete?<lb/>
Da ichs Ja weg hatte, hub ich getro&#x017F;t an, wiewol &#x017F;eine alte Heuchel-<lb/><hi rendition="#aq">Oratorie</hi> manchmal u&#x0364;ber die&#x017F;e geme&#x017F;&#x017F;ene Schnur hauen und in Wa&#x0364;&#x017F;cherey<lb/>
wolte, die ich &#x017F;o dann unterbrechen und ihn <hi rendition="#aq">Scholar</hi> zu &#x017F;eyn erinnern mu&#x017F;te.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 85.</head>
        <p>Jch da&#x0364;chte, wir ha&#x0364;ttens an un&#x017F;erm Theile zur Gnu&#x0364;ge er-<lb/>
fahren, wie &#x017F;chwer ein alter Men&#x017F;ch zu ba&#x0364;ndigen, und von &#x017F;einer bo&#x0364;&#x017F;en einge-<lb/>
wurtzelten Gewohnheit herab zu bringen wa&#x0364;re. Wenn der gerechte wei&#x017F;e<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">GOtt</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63[61]/0069] mehr mit dem Laßduͤnckel ſich behieng, und weiſen wolte, wie er auch Schrifft- Spruͤche wuͤſte, aber dieſelbe verdrehen und auf ſeinen fleiſchlichen Sinn, ohne dadurch bekehret zu werden, appliciren konnte. §. 82. Des Morgens am 1. Febr. traff ſichs, daß ich, mit ſeinem von ihme erwehlten Beicht-Vater, dem juͤngſten Herrn Schmid, und Herrn Aſtmann, ihn zugleich beſuchten, fragten ihn, wie ihm dieſe Herberge ge- fiele, bekamen zur Antwort: Warhafftig beſſer als droben, denn er wuͤrde ſo offt nicht turbiret vom Beſuche der Leute. So nahm ich ihn in Beyſeyn meiner beyden Herrn Collgen vor auf Catechetiſche Weiſe, litte weiter nichts von feinem ſchwaͤtzigen Maule zu hoͤren, als Antwort uͤber meine Fra- gen, die ich von der Buſſe vortrug; nur Muͤhe hatte ich, daß ich ihn ſtille und catachetiſch zu ſeyn machete, indem er immer aus Stoltz mehr wiſſen und antworten wolte, weder er gefraget wurde, zuwider ſeiner vormahls angenommenen Weiſe, da er ſich boßhafftig ſtellete, als wuͤſte er nichts von GOttes heiligen Worte, als haͤtte er keinen heilſamen Spruch ſein Tage gelernet, ja ſo gar, daß er weder ein Wort leſen oder ſchreiben konnte, da er doch ſolches alles wuſte, und nachgehends, als er verrathen war, lauter Wind damit machen wolte, der ſolches offt beſſer als die Prediger wuͤſte. §. 83. Jch will doch, weil die Herren Prediger es hoͤreten, meine Buß-Schule nach gefallenen Fragen ordentlich herbey fuͤgen, obs etwa bey dieſen Faͤllen fuͤr zulaͤnglich erkennet und ſo heilſamlich moͤchte appliciret werden. Uns zum wenigſten hat es gaͤntzlich damit nicht uͤbel einſchlagen wollen, indem wir keine beſſere Methode zu erſinnen wuſten, nur daß wirs oͤffters wiederholen, und damit unausgeſetzt continuiren muſten. §. 84. Jch fragte præliminariter, ob er ſtille ſeyn, gute Acht auf Fragen geben, hierauf kurtz mit Ja oder Nein antworten, Frage und Ant- wort behalten, und wenn wir wieder von ihm gegangen waͤren, alles rumi- niren und bey ſich ſelbſt uͤberlegen wolte, obs die Warheit und der richtige Weg zur Seeligkeit waͤre? oder ſo er einen Scrupel woruͤber haͤtte, wenn wir wieder kaͤmen, ſolchen entdeckete und weiteren Unterricht erwartete? Da ichs Ja weg hatte, hub ich getroſt an, wiewol ſeine alte Heuchel- Oratorie manchmal uͤber dieſe gemeſſene Schnur hauen und in Waͤſcherey wolte, die ich ſo dann unterbrechen und ihn Scholar zu ſeyn erinnern muſte. §. 85. Jch daͤchte, wir haͤttens an unſerm Theile zur Gnuͤge er- fahren, wie ſchwer ein alter Menſch zu baͤndigen, und von ſeiner boͤſen einge- wurtzelten Gewohnheit herab zu bringen waͤre. Wenn der gerechte weiſe GOtt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/69
Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 63[61]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/69>, abgerufen am 30.12.2024.