Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

Bild:
<< vorherige Seite

lin schon witterten, und zur Nachts-Zeit mit Binden der Leute auf dem
so genandten Jüden-Hoffe einen Versuch gethan hatten.

§. 50.

Ein kleiner Bube, so aus dem Waisen-Hause allhie heim-
lich entwischet war, sich aber nicht zu der Gesellschafft dieser 6. gehalten, sondern
zu einem andern Land-Bettler bey Quielitz herum geschlagen, und sich für ei-
nen Sohn desselben ausgegeben hatte, war mit aufgegriffen und ins Hoff-
Gerichte gelieffert worden, desgleichen ein Mägdchen von seinen Jahren, diese
wolten viele verdächtige Personen angeben, so von Spitzbübereyen, vermuth-
lich auch von dem Unglück in der Damm-Mühlen wissen müsten, sonderlich
in gewissen von dem Knaben benandten Schencken; nachdem er aber der
Oerter hin mitgenommen wird, und sothane Personen und andere ausge-
sagte Umstände anweisen soll, variiret er, und konnte seine Dinge nicht ve-
rificir
en, dafür er nicht allein gebührend gezüchtiget, sondern auch auf 10.
Jahre nach Spandow ins Spinn-Hauß gethan wurde, was besseres zu ler-
nen und sich seiner Hände Ardeit sodann ehrlicher zu nähren. Und gewiß
der arme Knabe hätte hohe Zeit, sein flüchtiges Gemüth abzulegen, herge-
gen aber andere Gedancken zu fassen, sofern er nicht noch unglücklicher in der
Welt werden wolte.

§. 51.

Hie ward das löbliche Hoff-Gerichte wiederum im blossen
gelassen, muste es weiter mit GOtt alleine wagen, und fernern Versuch thun,
ob sie es von deren sechsen einem allhie abfragen möchten, hatten aber unge-
meine Mühe, ehe sie ihnen näher treten konnten; Denn wenn sie a part ver-
nommen, oder auch wol alle 6. gegen einander gestellet wurden, wolte keiner
den andern, der Mann so wenig sein Weib, als das Weib ihren Mann,
kein Schwager den andern, noch ein Kind die Eltern, und wiederum die
Eltern ihre erwachsene Kinder kennen. Die Schieffer-Deckerin machte
nicht minder daselbst eine Figur, als wäre sie die Frau Rectorin, mochte sich
auch wol also in ihrem gehabten Brand-Buche haben characterisiren lassen.
Der Rothwelschen Sprache waren sie alle, Alte und Junge kundig, konnten
auch ihre Mentis sensa mit andern äusserlichen Zeichen einander eröffnen, so
gar daß sie auch wol sich Freyheit nehmen wolten in Verhör Rothwelsch zu
schwatzen, wenn die Herren Judices nicht zugefahren, und solche Sprache
verworren hätten, mit dem, daß es der Ausrichtigste unter ihnen, der Fixel,
ihnen von Stunde an in ihrer aller Gegenwart, bevorab da ers Factum ge-
standen hatte, verteutschen muste.

§. 52.

lin ſchon witterten, und zur Nachts-Zeit mit Binden der Leute auf dem
ſo genandten Juͤden-Hoffe einen Verſuch gethan hatten.

§. 50.

Ein kleiner Bube, ſo aus dem Waiſen-Hauſe allhie heim-
lich entwiſchet war, ſich aber nicht zu der Geſellſchafft dieſer 6. gehalten, ſondern
zu einem andern Land-Bettler bey Quielitz herum geſchlagen, und ſich fuͤr ei-
nen Sohn deſſelben ausgegeben hatte, war mit aufgegriffen und ins Hoff-
Gerichte gelieffert worden, desgleichen ein Maͤgdchen von ſeinen Jahren, dieſe
wolten viele verdaͤchtige Perſonen angeben, ſo von Spitzbuͤbereyen, vermuth-
lich auch von dem Ungluͤck in der Damm-Muͤhlen wiſſen muͤſten, ſonderlich
in gewiſſen von dem Knaben benandten Schencken; nachdem er aber der
Oerter hin mitgenommen wird, und ſothane Perſonen und andere ausge-
ſagte Umſtaͤnde anweiſen ſoll, variiret er, und konnte ſeine Dinge nicht ve-
rificir
en, dafuͤr er nicht allein gebuͤhrend gezuͤchtiget, ſondern auch auf 10.
Jahre nach Spandow ins Spinn-Hauß gethan wurde, was beſſeres zu ler-
nen und ſich ſeiner Haͤnde Ardeit ſodann ehrlicher zu naͤhren. Und gewiß
der arme Knabe haͤtte hohe Zeit, ſein fluͤchtiges Gemuͤth abzulegen, herge-
gen aber andere Gedancken zu faſſen, ſofern er nicht noch ungluͤcklicher in der
Welt werden wolte.

§. 51.

Hie ward das loͤbliche Hoff-Gerichte wiederum im bloſſen
gelaſſen, muſte es weiter mit GOtt alleine wagen, und fernern Verſuch thun,
ob ſie es von deren ſechſen einem allhie abfragen moͤchten, hatten aber unge-
meine Muͤhe, ehe ſie ihnen naͤher treten konnten; Denn wenn ſie a part ver-
nommen, oder auch wol alle 6. gegen einander geſtellet wurden, wolte keiner
den andern, der Mann ſo wenig ſein Weib, als das Weib ihren Mann,
kein Schwager den andern, noch ein Kind die Eltern, und wiederum die
Eltern ihre erwachſene Kinder kennen. Die Schieffer-Deckerin machte
nicht minder daſelbſt eine Figur, als waͤre ſie die Frau Rectorin, mochte ſich
auch wol alſo in ihrem gehabten Brand-Buche haben characteriſiren laſſen.
Der Rothwelſchen Sprache waren ſie alle, Alte und Junge kundig, konnten
auch ihre Mentis ſenſa mit andern aͤuſſerlichen Zeichen einander eroͤffnen, ſo
gar daß ſie auch wol ſich Freyheit nehmen wolten in Verhoͤr Rothwelſch zu
ſchwatzen, wenn die Herren Judices nicht zugefahren, und ſolche Sprache
verworren haͤtten, mit dem, daß es der Auſrichtigſte unter ihnen, der Fixel,
ihnen von Stunde an in ihrer aller Gegenwart, bevorab da ers Factum ge-
ſtanden hatte, verteutſchen muſte.

§. 52.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0036" n="38[36]"/>
lin &#x017F;chon witterten, und zur Nachts-Zeit mit Binden der Leute auf dem<lb/>
&#x017F;o genandten Ju&#x0364;den-Hoffe einen Ver&#x017F;uch gethan hatten.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 50.</head>
        <p>Ein kleiner Bube, &#x017F;o aus dem Wai&#x017F;en-Hau&#x017F;e allhie heim-<lb/>
lich entwi&#x017F;chet war, &#x017F;ich aber nicht zu der Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft die&#x017F;er 6. gehalten, &#x017F;ondern<lb/>
zu einem andern Land-Bettler bey Quielitz herum ge&#x017F;chlagen, und &#x017F;ich fu&#x0364;r ei-<lb/>
nen Sohn de&#x017F;&#x017F;elben ausgegeben hatte, war mit aufgegriffen und ins Hoff-<lb/>
Gerichte gelieffert worden, desgleichen ein Ma&#x0364;gdchen von &#x017F;einen Jahren, die&#x017F;e<lb/>
wolten viele verda&#x0364;chtige Per&#x017F;onen angeben, &#x017F;o von Spitzbu&#x0364;bereyen, vermuth-<lb/>
lich auch von dem Unglu&#x0364;ck in der Damm-Mu&#x0364;hlen wi&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;ten, &#x017F;onderlich<lb/>
in gewi&#x017F;&#x017F;en von dem Knaben benandten Schencken; nachdem er aber der<lb/>
Oerter hin mitgenommen wird, und &#x017F;othane Per&#x017F;onen und andere ausge-<lb/>
&#x017F;agte Um&#x017F;ta&#x0364;nde anwei&#x017F;en &#x017F;oll, <hi rendition="#aq">variir</hi>et er, und konnte &#x017F;eine Dinge nicht <hi rendition="#aq">ve-<lb/>
rificir</hi>en, dafu&#x0364;r er nicht allein gebu&#x0364;hrend gezu&#x0364;chtiget, &#x017F;ondern auch auf 10.<lb/>
Jahre nach Spandow ins Spinn-Hauß gethan wurde, was be&#x017F;&#x017F;eres zu ler-<lb/>
nen und &#x017F;ich &#x017F;einer Ha&#x0364;nde Ardeit &#x017F;odann ehrlicher zu na&#x0364;hren. Und gewiß<lb/>
der arme Knabe ha&#x0364;tte hohe Zeit, &#x017F;ein flu&#x0364;chtiges Gemu&#x0364;th abzulegen, herge-<lb/>
gen aber andere Gedancken zu fa&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ofern er nicht noch unglu&#x0364;cklicher in der<lb/>
Welt werden wolte.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 51.</head>
        <p>Hie ward das lo&#x0364;bliche Hoff-Gerichte wiederum im blo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en, mu&#x017F;te es weiter mit GOtt alleine wagen, und fernern Ver&#x017F;uch thun,<lb/>
ob &#x017F;ie es von deren &#x017F;ech&#x017F;en einem allhie abfragen mo&#x0364;chten, hatten aber unge-<lb/>
meine Mu&#x0364;he, ehe &#x017F;ie ihnen na&#x0364;her treten konnten; Denn wenn &#x017F;ie <hi rendition="#aq">a part</hi> ver-<lb/>
nommen, oder auch wol alle 6. gegen einander ge&#x017F;tellet wurden, wolte keiner<lb/>
den andern, der Mann &#x017F;o wenig &#x017F;ein Weib, als das Weib ihren Mann,<lb/>
kein Schwager den andern, noch ein Kind die Eltern, und wiederum die<lb/>
Eltern ihre erwach&#x017F;ene Kinder kennen. Die Schieffer-Deckerin machte<lb/>
nicht minder da&#x017F;elb&#x017F;t eine <hi rendition="#aq">Figur,</hi> als wa&#x0364;re &#x017F;ie die Frau <hi rendition="#aq">Rectorin,</hi> mochte &#x017F;ich<lb/>
auch wol al&#x017F;o in ihrem gehabten Brand-Buche haben <hi rendition="#aq">characteri&#x017F;ir</hi>en la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Der Rothwel&#x017F;chen Sprache waren &#x017F;ie alle, Alte und Junge kundig, konnten<lb/>
auch ihre <hi rendition="#aq">Mentis &#x017F;en&#x017F;a</hi> mit andern a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen Zeichen einander ero&#x0364;ffnen, &#x017F;o<lb/>
gar daß &#x017F;ie auch wol &#x017F;ich Freyheit nehmen wolten in Verho&#x0364;r Rothwel&#x017F;ch zu<lb/>
&#x017F;chwatzen, wenn die Herren <hi rendition="#aq">Judices</hi> nicht zugefahren, und &#x017F;olche Sprache<lb/>
verworren ha&#x0364;tten, mit dem, daß es der Au&#x017F;richtig&#x017F;te unter ihnen, der Fixel,<lb/>
ihnen von Stunde an in ihrer aller Gegenwart, bevorab da ers <hi rendition="#aq">Factum</hi> ge-<lb/>
&#x017F;tanden hatte, verteut&#x017F;chen mu&#x017F;te.</p>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="catch">§. 52.</fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38[36]/0036] lin ſchon witterten, und zur Nachts-Zeit mit Binden der Leute auf dem ſo genandten Juͤden-Hoffe einen Verſuch gethan hatten. §. 50.Ein kleiner Bube, ſo aus dem Waiſen-Hauſe allhie heim- lich entwiſchet war, ſich aber nicht zu der Geſellſchafft dieſer 6. gehalten, ſondern zu einem andern Land-Bettler bey Quielitz herum geſchlagen, und ſich fuͤr ei- nen Sohn deſſelben ausgegeben hatte, war mit aufgegriffen und ins Hoff- Gerichte gelieffert worden, desgleichen ein Maͤgdchen von ſeinen Jahren, dieſe wolten viele verdaͤchtige Perſonen angeben, ſo von Spitzbuͤbereyen, vermuth- lich auch von dem Ungluͤck in der Damm-Muͤhlen wiſſen muͤſten, ſonderlich in gewiſſen von dem Knaben benandten Schencken; nachdem er aber der Oerter hin mitgenommen wird, und ſothane Perſonen und andere ausge- ſagte Umſtaͤnde anweiſen ſoll, variiret er, und konnte ſeine Dinge nicht ve- rificiren, dafuͤr er nicht allein gebuͤhrend gezuͤchtiget, ſondern auch auf 10. Jahre nach Spandow ins Spinn-Hauß gethan wurde, was beſſeres zu ler- nen und ſich ſeiner Haͤnde Ardeit ſodann ehrlicher zu naͤhren. Und gewiß der arme Knabe haͤtte hohe Zeit, ſein fluͤchtiges Gemuͤth abzulegen, herge- gen aber andere Gedancken zu faſſen, ſofern er nicht noch ungluͤcklicher in der Welt werden wolte. §. 51.Hie ward das loͤbliche Hoff-Gerichte wiederum im bloſſen gelaſſen, muſte es weiter mit GOtt alleine wagen, und fernern Verſuch thun, ob ſie es von deren ſechſen einem allhie abfragen moͤchten, hatten aber unge- meine Muͤhe, ehe ſie ihnen naͤher treten konnten; Denn wenn ſie a part ver- nommen, oder auch wol alle 6. gegen einander geſtellet wurden, wolte keiner den andern, der Mann ſo wenig ſein Weib, als das Weib ihren Mann, kein Schwager den andern, noch ein Kind die Eltern, und wiederum die Eltern ihre erwachſene Kinder kennen. Die Schieffer-Deckerin machte nicht minder daſelbſt eine Figur, als waͤre ſie die Frau Rectorin, mochte ſich auch wol alſo in ihrem gehabten Brand-Buche haben characteriſiren laſſen. Der Rothwelſchen Sprache waren ſie alle, Alte und Junge kundig, konnten auch ihre Mentis ſenſa mit andern aͤuſſerlichen Zeichen einander eroͤffnen, ſo gar daß ſie auch wol ſich Freyheit nehmen wolten in Verhoͤr Rothwelſch zu ſchwatzen, wenn die Herren Judices nicht zugefahren, und ſolche Sprache verworren haͤtten, mit dem, daß es der Auſrichtigſte unter ihnen, der Fixel, ihnen von Stunde an in ihrer aller Gegenwart, bevorab da ers Factum ge- ſtanden hatte, verteutſchen muſte. §. 52.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/36
Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 38[36]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/36>, abgerufen am 21.11.2024.