Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 48.

Nachdem sie nun eine Wittwe hieß, aber vom einsamen We-
sen nichts hielt, sondern des Landstreichens gewohnt war, bleibet sie in sol-
cher Freundschafft, mit der sies so lange her versuchet hatte, und nimmt ih-
res Mannes jüngsten Bruder Christoph zum Manne, seinem Vorgeben nach,
wolte ers aus Commiseration gethan haben, und ordentlich mit ihr copuli-
ret heissen, rühmte sich auch eines Trau-Zettels aus Goßlar; allein sie so
wenig, als er, konnte selbigen produciren, dahero man glaubet, daß keiner
von allen ein ehelich vertrautes Weib gehabt, wo sie nicht gar in commu-
nione uxorum,
wie zu Sodom mögen gelebet haben. Denn Leichtsinnig-
keit war bey allen gnugsam: Und wer GOtt also, wie sie zusammen thaten,
aus den Augen setzet, deme ist dieser und ein anderer Greuel was weniges,
wie wirs denn auch nicht versichern können, daß weder der Mann noch das
Weib über die Blut-Schande eine besondere Schaam solten bezeuget haben,
es wäre denn auf des Mannes Seiten geschehen, da ihme der liebe GOtt
zuletzt das Hertz rührete, und man auch diese Sünden zu rügen möglichste
Schärffe aus GOttes Wort gebrauchte. Gelegenheit ward beyden Per-
sonen vielfältig gegeben, solche That für schändlich zu halten, daß deswegen
der Zorn GOttes auf sie ruhete; aber man sahe nicht, daß sie es zu Her-
tzen fassen und darnach fragen wolten.

§. 49.

Nun müssen wir auf angestellte Inquisition gehen, da wir
den Numerum dieser Inquisiten beysammen haben. Sie kamen am 14ten
Novembr. des verstrichenen Jahres zu Berlin an, hattens sich nicht träumen
lässen, allhie eine hohe Schule in dem Hoff-Gerichte anzutreffen, und der-
gleichen Examen rigorosum in demselben auszustehen, sonst hätten sies lie-
ber würden im Gerichte zu Quielitz ausgesaget, und als falsche Brand-Bett-
ler den Staupen-Schlag übernommen haben: Hie aber kam der bißher
verhelte Betrug mit falschen Brand-Brieffen bald an den Tag, und wenn
ihnen die Problemata von dem Mühlen-Raube vorgeleget wurden, stelleten
sie sich, als wärens ihnen Böhmische Dörffer, spielten auch künstliche Tours,
daß sie sich alles Verdachtes darauf bey denen Herren Richtern entschütten
wolten. Jhro Majestät waren mit gerechten Eiffer von GOtt ange-
zogen, daß man mit der Inquisition wider diese 6. inhafftirte fleißig und Ge-
wissenhafft continuiren und genau zufehen folte, ob unter ihnen nicht ein
mehrers sonderlich die Damm-Mühlen-Spoliirung verborgen läge? Damit
solchergestalt ein Ernst erhellete wider solcherley Buben, die sich wol in Ber-

lin
E 3
§. 48.

Nachdem ſie nun eine Wittwe hieß, aber vom einſamen We-
ſen nichts hielt, ſondern des Landſtreichens gewohnt war, bleibet ſie in ſol-
cher Freundſchafft, mit der ſies ſo lange her verſuchet hatte, und nimmt ih-
res Mannes juͤngſten Bruder Chriſtoph zum Manne, ſeinem Vorgeben nach,
wolte ers aus Commiſeration gethan haben, und ordentlich mit ihr copuli-
ret heiſſen, ruͤhmte ſich auch eines Trau-Zettels aus Goßlar; allein ſie ſo
wenig, als er, konnte ſelbigen produciren, dahero man glaubet, daß keiner
von allen ein ehelich vertrautes Weib gehabt, wo ſie nicht gar in commu-
nione uxorum,
wie zu Sodom moͤgen gelebet haben. Denn Leichtſinnig-
keit war bey allen gnugſam: Und wer GOtt alſo, wie ſie zuſammen thaten,
aus den Augen ſetzet, deme iſt dieſer und ein anderer Greuel was weniges,
wie wirs denn auch nicht verſichern koͤnnen, daß weder der Mann noch das
Weib uͤber die Blut-Schande eine beſondere Schaam ſolten bezeuget haben,
es waͤre denn auf des Mannes Seiten geſchehen, da ihme der liebe GOtt
zuletzt das Hertz ruͤhrete, und man auch dieſe Suͤnden zu ruͤgen moͤglichſte
Schaͤrffe aus GOttes Wort gebrauchte. Gelegenheit ward beyden Per-
ſonen vielfaͤltig gegeben, ſolche That fuͤr ſchaͤndlich zu halten, daß deswegen
der Zorn GOttes auf ſie ruhete; aber man ſahe nicht, daß ſie es zu Her-
tzen faſſen und darnach fragen wolten.

§. 49.

Nun muͤſſen wir auf angeſtellte Inquiſition gehen, da wir
den Numerum dieſer Inquiſiten beyſammen haben. Sie kamen am 14ten
Novembr. des verſtrichenen Jahres zu Berlin an, hattens ſich nicht traͤumen
laͤſſen, allhie eine hohe Schule in dem Hoff-Gerichte anzutreffen, und der-
gleichen Examen rigoroſum in demſelben auszuſtehen, ſonſt haͤtten ſies lie-
ber wuͤrden im Gerichte zu Quielitz ausgeſaget, und als falſche Brand-Bett-
ler den Staupen-Schlag uͤbernommen haben: Hie aber kam der bißher
verhelte Betrug mit falſchen Brand-Brieffen bald an den Tag, und wenn
ihnen die Problemata von dem Muͤhlen-Raube vorgeleget wurden, ſtelleten
ſie ſich, als waͤrens ihnen Boͤhmiſche Doͤrffer, ſpielten auch kuͤnſtliche Tours,
daß ſie ſich alles Verdachtes darauf bey denen Herren Richtern entſchuͤtten
wolten. Jhro Majeſtaͤt waren mit gerechten Eiffer von GOtt ange-
zogen, daß man mit der Inquiſition wider dieſe 6. inhafftirte fleißig und Ge-
wiſſenhafft continuiren und genau zufehen folte, ob unter ihnen nicht ein
mehrers ſonderlich die Damm-Muͤhlen-Spoliirung verborgen laͤge? Damit
ſolchergeſtalt ein Ernſt erhellete wider ſolcherley Buben, die ſich wol in Ber-

lin
E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0035" n="37[35]"/>
      <div n="1">
        <head>§. 48.</head>
        <p>Nachdem &#x017F;ie nun eine Wittwe hieß, aber vom ein&#x017F;amen We-<lb/>
&#x017F;en nichts hielt, &#x017F;ondern des Land&#x017F;treichens gewohnt war, bleibet &#x017F;ie in &#x017F;ol-<lb/>
cher Freund&#x017F;chafft, mit der &#x017F;ies &#x017F;o lange her ver&#x017F;uchet hatte, und nimmt ih-<lb/>
res Mannes ju&#x0364;ng&#x017F;ten Bruder Chri&#x017F;toph zum Manne, &#x017F;einem Vorgeben nach,<lb/>
wolte ers aus <hi rendition="#aq">Commi&#x017F;eration</hi> gethan haben, und ordentlich mit ihr <hi rendition="#aq">copuli-</hi><lb/>
ret hei&#x017F;&#x017F;en, ru&#x0364;hmte &#x017F;ich auch eines Trau-Zettels aus Goßlar; allein &#x017F;ie &#x017F;o<lb/>
wenig, als er, konnte &#x017F;elbigen <hi rendition="#aq">producir</hi>en, dahero man glaubet, daß keiner<lb/>
von allen ein ehelich vertrautes Weib gehabt, wo &#x017F;ie nicht gar in <hi rendition="#aq">commu-<lb/>
nione uxorum,</hi> wie zu Sodom mo&#x0364;gen gelebet haben. Denn Leicht&#x017F;innig-<lb/>
keit war bey allen gnug&#x017F;am: Und wer GOtt al&#x017F;o, wie &#x017F;ie zu&#x017F;ammen thaten,<lb/>
aus den Augen &#x017F;etzet, deme i&#x017F;t die&#x017F;er und ein anderer Greuel was weniges,<lb/>
wie wirs denn auch nicht ver&#x017F;ichern ko&#x0364;nnen, daß weder der Mann noch das<lb/>
Weib u&#x0364;ber die Blut-Schande eine be&#x017F;ondere Schaam &#x017F;olten bezeuget haben,<lb/>
es wa&#x0364;re denn auf des Mannes Seiten ge&#x017F;chehen, da ihme der liebe GOtt<lb/>
zuletzt das Hertz ru&#x0364;hrete, und man auch die&#x017F;e Su&#x0364;nden zu ru&#x0364;gen mo&#x0364;glich&#x017F;te<lb/>
Scha&#x0364;rffe aus GOttes Wort gebrauchte. Gelegenheit ward beyden Per-<lb/>
&#x017F;onen vielfa&#x0364;ltig gegeben, &#x017F;olche That fu&#x0364;r &#x017F;cha&#x0364;ndlich zu halten, daß deswegen<lb/>
der Zorn GOttes auf &#x017F;ie ruhete; aber man &#x017F;ahe nicht, daß &#x017F;ie es zu Her-<lb/>
tzen fa&#x017F;&#x017F;en und darnach fragen wolten.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 49.</head>
        <p>Nun mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir auf ange&#x017F;tellte <hi rendition="#aq">Inqui&#x017F;ition</hi> gehen, da wir<lb/>
den <hi rendition="#aq">Numerum</hi> die&#x017F;er <hi rendition="#aq">Inqui&#x017F;it</hi>en bey&#x017F;ammen haben. Sie kamen am 14ten<lb/><hi rendition="#aq">Novembr.</hi> des ver&#x017F;trichenen Jahres zu Berlin an, hattens &#x017F;ich nicht tra&#x0364;umen<lb/>
la&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, allhie eine hohe Schule in dem Hoff-Gerichte anzutreffen, und der-<lb/>
gleichen <hi rendition="#aq">Examen rigoro&#x017F;um</hi> in dem&#x017F;elben auszu&#x017F;tehen, &#x017F;on&#x017F;t ha&#x0364;tten &#x017F;ies lie-<lb/>
ber wu&#x0364;rden im Gerichte zu Quielitz ausge&#x017F;aget, und als fal&#x017F;che Brand-Bett-<lb/>
ler den Staupen-Schlag u&#x0364;bernommen haben: Hie aber kam der bißher<lb/>
verhelte Betrug mit fal&#x017F;chen Brand-Brieffen bald an den Tag, und wenn<lb/>
ihnen die <hi rendition="#aq">Problemata</hi> von dem Mu&#x0364;hlen-Raube vorgeleget wurden, &#x017F;telleten<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich, als wa&#x0364;rens ihnen Bo&#x0364;hmi&#x017F;che Do&#x0364;rffer, &#x017F;pielten auch ku&#x0364;n&#x017F;tliche <hi rendition="#aq">Tours,</hi><lb/>
daß &#x017F;ie &#x017F;ich alles Verdachtes darauf bey denen Herren Richtern ent&#x017F;chu&#x0364;tten<lb/>
wolten. <hi rendition="#fr">Jhro Maje&#x017F;ta&#x0364;t</hi> waren mit gerechten Eiffer von GOtt ange-<lb/>
zogen, daß man mit der <hi rendition="#aq">Inqui&#x017F;ition</hi> wider die&#x017F;e 6. <hi rendition="#aq">inhafftir</hi>te fleißig und Ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;enhafft <hi rendition="#aq">continuir</hi>en und genau zufehen folte, ob unter ihnen nicht ein<lb/>
mehrers &#x017F;onderlich die Damm-Mu&#x0364;hlen-<hi rendition="#aq">Spoliir</hi>ung verborgen la&#x0364;ge? Damit<lb/>
&#x017F;olcherge&#x017F;talt ein Ern&#x017F;t erhellete wider &#x017F;olcherley Buben, die &#x017F;ich wol in Ber-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 3</fw><fw place="bottom" type="catch">lin</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37[35]/0035] §. 48.Nachdem ſie nun eine Wittwe hieß, aber vom einſamen We- ſen nichts hielt, ſondern des Landſtreichens gewohnt war, bleibet ſie in ſol- cher Freundſchafft, mit der ſies ſo lange her verſuchet hatte, und nimmt ih- res Mannes juͤngſten Bruder Chriſtoph zum Manne, ſeinem Vorgeben nach, wolte ers aus Commiſeration gethan haben, und ordentlich mit ihr copuli- ret heiſſen, ruͤhmte ſich auch eines Trau-Zettels aus Goßlar; allein ſie ſo wenig, als er, konnte ſelbigen produciren, dahero man glaubet, daß keiner von allen ein ehelich vertrautes Weib gehabt, wo ſie nicht gar in commu- nione uxorum, wie zu Sodom moͤgen gelebet haben. Denn Leichtſinnig- keit war bey allen gnugſam: Und wer GOtt alſo, wie ſie zuſammen thaten, aus den Augen ſetzet, deme iſt dieſer und ein anderer Greuel was weniges, wie wirs denn auch nicht verſichern koͤnnen, daß weder der Mann noch das Weib uͤber die Blut-Schande eine beſondere Schaam ſolten bezeuget haben, es waͤre denn auf des Mannes Seiten geſchehen, da ihme der liebe GOtt zuletzt das Hertz ruͤhrete, und man auch dieſe Suͤnden zu ruͤgen moͤglichſte Schaͤrffe aus GOttes Wort gebrauchte. Gelegenheit ward beyden Per- ſonen vielfaͤltig gegeben, ſolche That fuͤr ſchaͤndlich zu halten, daß deswegen der Zorn GOttes auf ſie ruhete; aber man ſahe nicht, daß ſie es zu Her- tzen faſſen und darnach fragen wolten. §. 49.Nun muͤſſen wir auf angeſtellte Inquiſition gehen, da wir den Numerum dieſer Inquiſiten beyſammen haben. Sie kamen am 14ten Novembr. des verſtrichenen Jahres zu Berlin an, hattens ſich nicht traͤumen laͤſſen, allhie eine hohe Schule in dem Hoff-Gerichte anzutreffen, und der- gleichen Examen rigoroſum in demſelben auszuſtehen, ſonſt haͤtten ſies lie- ber wuͤrden im Gerichte zu Quielitz ausgeſaget, und als falſche Brand-Bett- ler den Staupen-Schlag uͤbernommen haben: Hie aber kam der bißher verhelte Betrug mit falſchen Brand-Brieffen bald an den Tag, und wenn ihnen die Problemata von dem Muͤhlen-Raube vorgeleget wurden, ſtelleten ſie ſich, als waͤrens ihnen Boͤhmiſche Doͤrffer, ſpielten auch kuͤnſtliche Tours, daß ſie ſich alles Verdachtes darauf bey denen Herren Richtern entſchuͤtten wolten. Jhro Majeſtaͤt waren mit gerechten Eiffer von GOtt ange- zogen, daß man mit der Inquiſition wider dieſe 6. inhafftirte fleißig und Ge- wiſſenhafft continuiren und genau zufehen folte, ob unter ihnen nicht ein mehrers ſonderlich die Damm-Muͤhlen-Spoliirung verborgen laͤge? Damit ſolchergeſtalt ein Ernſt erhellete wider ſolcherley Buben, die ſich wol in Ber- lin E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/35
Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 37[35]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/35>, abgerufen am 21.12.2024.