Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 28.

Der Vater hat ihn zu keiner Schule gehalten, dahero er
weder lesen noch schreiben konnte, wuste auch von keinem Gebote GOttes,
so daß Hoffmann, der leider auch nichts wuste, als ich sie beyde im Anfange
einige Tage vor hatte, ihm mehrmals einhelffen muste; Ward aber bald
zum Betteln und sonderlich zu denen falschen Brand-Brieffen angewehnet,
nicht anders glaubende, als wäre solches eine gute rechtsame Profession, wie
wol er nunmehro, da er vom Wege zu GOtt hörete, frey bekandte, es wäre
ihm doch mehrmals angst und bange worden, weil er so öffters bey den Leu-
ten angeloffen, die Brieffe zugesetzet und im Stiche lassen müssen, auch
vielmals gehöret hätte, daß solche Leute wie er und seine Eltern wären, in
Hafft gezogen, des Landes verwiesen, und ausgepeitschet worden, wie er
denn einmal selbst seinem Vater zur Seite gegangen, da man ihn zu Freyen-
walde solcher gestalt zum Thore heraus geleuchtet. Und wenn ihn sein
gottloser Vater mit Schelten und Schlägen nicht zurücke gezogen hätte,
würde er sich warhafftig auch davon loßgerissen haben, sonderlich, da ihn
sein Pathe ein Forstmeister irgendwo, zu sich nehmen und zur Erlernung der
Jägerey anhalten wollen. Jch glaube auch, er würde nicht übel sich zu
einer ehrlichern Profession angeschicket haben, sofern er gute Anweisung und
Vorgänger dabey würde gefunden haben.

§. 29.

Nach dem Tode seines Vaters, der etwa vor drey Jahren
bey Rostock herum, gestorben, und der Gegend daselbst auf einem Dorffe
begraben lieget, schlug er sich von seiner Mutter und beyden Stieff-Geschwi-
ster ab, weil ihre Greuel so groß, daß er selbst daran ein Abscheu hatte,
und mit seinem noch ein wenig glimmenden Gewissen bey ihnen länger nicht
dauren konnte, fängt aber zu seinem Unglück sein eigenes Gewerbe mit fal-
schen Brand-Betteln an, wuste die Buben, die den Leuten solche Brand-
Briefe verfertigten, überall zu finden, bald vor Wilsnack, bald im Ruppini-
schen, bald im Mecklenburgischen, und so weiter aufzusuchen, hat sie auch
alle, so viele ihrer ihme bewust waren, im Hoff-Gerichte allhie wie man ge-
glaubet, treulich angegeben, und beschrieben, wie fertig sie mit Schrifft- und
falsch nachgemachten Stadt-Siegeln wären, wenn sie nur einen oder ein paar
Gulden dafür bezahlt bekämen, konnte es ein jeglicher, der sich nur bey ihnen
meldete, für solchen Preiß so gut bekommen, als ers immer gewünscht
und haben möchte.

§. 30.

Diese Falsarii und heillose Cancellisten werden zu ihrer Zeit,
wo sie nicht schon hergebracht worden sind, doch gewiß hermüssen, und ihr

rech-
D 3
§. 28.

Der Vater hat ihn zu keiner Schule gehalten, dahero er
weder leſen noch ſchreiben konnte, wuſte auch von keinem Gebote GOttes,
ſo daß Hoffmann, der leider auch nichts wuſte, als ich ſie beyde im Anfange
einige Tage vor hatte, ihm mehrmals einhelffen muſte; Ward aber bald
zum Betteln und ſonderlich zu denen falſchen Brand-Brieffen angewehnet,
nicht anders glaubende, als waͤre ſolches eine gute rechtſame Profesſion, wie
wol er nunmehro, da er vom Wege zu GOtt hoͤrete, frey bekandte, es waͤre
ihm doch mehrmals angſt und bange worden, weil er ſo oͤffters bey den Leu-
ten angeloffen, die Brieffe zugeſetzet und im Stiche laſſen muͤſſen, auch
vielmals gehoͤret haͤtte, daß ſolche Leute wie er und ſeine Eltern waͤren, in
Hafft gezogen, des Landes verwieſen, und ausgepeitſchet worden, wie er
denn einmal ſelbſt ſeinem Vater zur Seite gegangen, da man ihn zu Freyen-
walde ſolcher geſtalt zum Thore heraus geleuchtet. Und wenn ihn ſein
gottloſer Vater mit Schelten und Schlaͤgen nicht zuruͤcke gezogen haͤtte,
wuͤrde er ſich warhafftig auch davon loßgeriſſen haben, ſonderlich, da ihn
ſein Pathe ein Forſtmeiſter irgendwo, zu ſich nehmen und zur Erlernung der
Jaͤgerey anhalten wollen. Jch glaube auch, er wuͤrde nicht uͤbel ſich zu
einer ehrlichern Profesſion angeſchicket haben, ſofern er gute Anweiſung und
Vorgaͤnger dabey wuͤrde gefunden haben.

§. 29.

Nach dem Tode ſeines Vaters, der etwa vor drey Jahren
bey Roſtock herum, geſtorben, und der Gegend daſelbſt auf einem Dorffe
begraben lieget, ſchlug er ſich von ſeiner Mutter und beyden Stieff-Geſchwi-
ſter ab, weil ihre Greuel ſo groß, daß er ſelbſt daran ein Abſcheu hatte,
und mit ſeinem noch ein wenig glimmenden Gewiſſen bey ihnen laͤnger nicht
dauren konnte, faͤngt aber zu ſeinem Ungluͤck ſein eigenes Gewerbe mit fal-
ſchen Brand-Betteln an, wuſte die Buben, die den Leuten ſolche Brand-
Briefe verfertigten, uͤberall zu finden, bald vor Wilsnack, bald im Ruppini-
ſchen, bald im Mecklenburgiſchen, und ſo weiter aufzuſuchen, hat ſie auch
alle, ſo viele ihrer ihme bewuſt waren, im Hoff-Gerichte allhie wie man ge-
glaubet, treulich angegeben, und beſchrieben, wie fertig ſie mit Schrifft- und
falſch nachgemachten Stadt-Siegeln waͤren, wenn ſie nur einen oder ein paar
Gulden dafuͤr bezahlt bekaͤmen, konnte es ein jeglicher, der ſich nur bey ihnen
meldete, fuͤr ſolchen Preiß ſo gut bekommen, als ers immer gewuͤnſcht
und haben moͤchte.

§. 30.

Dieſe Falſarii und heilloſe Cancelliſten werden zu ihrer Zeit,
wo ſie nicht ſchon hergebracht worden ſind, doch gewiß hermuͤſſen, und ihr

rech-
D 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0027" n="29[27]"/>
      <div n="1">
        <head>§. 28.</head>
        <p>Der Vater hat ihn zu keiner Schule gehalten, dahero er<lb/>
weder le&#x017F;en noch &#x017F;chreiben konnte, wu&#x017F;te auch von keinem Gebote GOttes,<lb/>
&#x017F;o daß Hoffmann, der leider auch nichts wu&#x017F;te, als ich &#x017F;ie beyde im Anfange<lb/>
einige Tage vor hatte, ihm mehrmals einhelffen mu&#x017F;te; Ward aber bald<lb/>
zum Betteln und &#x017F;onderlich zu denen fal&#x017F;chen Brand-Brieffen angewehnet,<lb/>
nicht anders glaubende, als wa&#x0364;re &#x017F;olches eine gute recht&#x017F;ame <hi rendition="#aq">Profes&#x017F;ion,</hi> wie<lb/>
wol er nunmehro, da er vom Wege zu GOtt ho&#x0364;rete, frey bekandte, es wa&#x0364;re<lb/>
ihm doch mehrmals ang&#x017F;t und bange worden, weil er &#x017F;o o&#x0364;ffters bey den Leu-<lb/>
ten angeloffen, die Brieffe zuge&#x017F;etzet und im Stiche la&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, auch<lb/>
vielmals geho&#x0364;ret ha&#x0364;tte, daß &#x017F;olche Leute wie er und &#x017F;eine Eltern wa&#x0364;ren, in<lb/>
Hafft gezogen, des Landes verwie&#x017F;en, und ausgepeit&#x017F;chet worden, wie er<lb/>
denn einmal &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;einem Vater zur Seite gegangen, da man ihn zu Freyen-<lb/>
walde &#x017F;olcher ge&#x017F;talt zum Thore heraus geleuchtet. Und wenn ihn &#x017F;ein<lb/>
gottlo&#x017F;er Vater mit Schelten und Schla&#x0364;gen nicht zuru&#x0364;cke gezogen ha&#x0364;tte,<lb/>
wu&#x0364;rde er &#x017F;ich warhafftig auch davon loßgeri&#x017F;&#x017F;en haben, &#x017F;onderlich, da ihn<lb/>
&#x017F;ein Pathe ein For&#x017F;tmei&#x017F;ter irgendwo, zu &#x017F;ich nehmen und zur Erlernung der<lb/>
Ja&#x0364;gerey anhalten wollen. Jch glaube auch, er wu&#x0364;rde nicht u&#x0364;bel &#x017F;ich zu<lb/>
einer ehrlichern <hi rendition="#aq">Profes&#x017F;ion</hi> ange&#x017F;chicket haben, &#x017F;ofern er gute Anwei&#x017F;ung und<lb/>
Vorga&#x0364;nger dabey wu&#x0364;rde gefunden haben.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 29.</head>
        <p>Nach dem Tode &#x017F;eines Vaters, der etwa vor drey Jahren<lb/>
bey Ro&#x017F;tock herum, ge&#x017F;torben, und der Gegend da&#x017F;elb&#x017F;t auf einem Dorffe<lb/>
begraben lieget, &#x017F;chlug er &#x017F;ich von &#x017F;einer Mutter und beyden Stieff-Ge&#x017F;chwi-<lb/>
&#x017F;ter ab, weil ihre Greuel &#x017F;o groß, daß er &#x017F;elb&#x017F;t daran ein Ab&#x017F;cheu hatte,<lb/>
und mit &#x017F;einem noch ein wenig glimmenden Gewi&#x017F;&#x017F;en bey ihnen la&#x0364;nger nicht<lb/>
dauren konnte, fa&#x0364;ngt aber zu &#x017F;einem Unglu&#x0364;ck &#x017F;ein eigenes Gewerbe mit fal-<lb/>
&#x017F;chen Brand-Betteln an, wu&#x017F;te die Buben, die den Leuten &#x017F;olche Brand-<lb/>
Briefe verfertigten, u&#x0364;berall zu finden, bald vor Wilsnack, bald im Ruppini-<lb/>
&#x017F;chen, bald im Mecklenburgi&#x017F;chen, und &#x017F;o weiter aufzu&#x017F;uchen, hat &#x017F;ie auch<lb/>
alle, &#x017F;o viele ihrer ihme bewu&#x017F;t waren, im Hoff-Gerichte allhie wie man ge-<lb/>
glaubet, treulich angegeben, und be&#x017F;chrieben, wie fertig &#x017F;ie mit Schrifft- und<lb/>
fal&#x017F;ch nachgemachten Stadt-Siegeln wa&#x0364;ren, wenn &#x017F;ie nur einen oder ein paar<lb/>
Gulden dafu&#x0364;r bezahlt beka&#x0364;men, konnte es ein jeglicher, der &#x017F;ich nur bey ihnen<lb/>
meldete, fu&#x0364;r &#x017F;olchen Preiß &#x017F;o gut bekommen, als ers immer gewu&#x0364;n&#x017F;cht<lb/>
und haben mo&#x0364;chte.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 30.</head>
        <p>Die&#x017F;e <hi rendition="#aq">Fal&#x017F;arii</hi> und heillo&#x017F;e <hi rendition="#aq">Cancelli&#x017F;t</hi>en werden zu ihrer Zeit,<lb/>
wo &#x017F;ie nicht &#x017F;chon hergebracht worden &#x017F;ind, doch gewiß hermu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, und ihr<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 3</fw><fw place="bottom" type="catch">rech-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29[27]/0027] §. 28.Der Vater hat ihn zu keiner Schule gehalten, dahero er weder leſen noch ſchreiben konnte, wuſte auch von keinem Gebote GOttes, ſo daß Hoffmann, der leider auch nichts wuſte, als ich ſie beyde im Anfange einige Tage vor hatte, ihm mehrmals einhelffen muſte; Ward aber bald zum Betteln und ſonderlich zu denen falſchen Brand-Brieffen angewehnet, nicht anders glaubende, als waͤre ſolches eine gute rechtſame Profesſion, wie wol er nunmehro, da er vom Wege zu GOtt hoͤrete, frey bekandte, es waͤre ihm doch mehrmals angſt und bange worden, weil er ſo oͤffters bey den Leu- ten angeloffen, die Brieffe zugeſetzet und im Stiche laſſen muͤſſen, auch vielmals gehoͤret haͤtte, daß ſolche Leute wie er und ſeine Eltern waͤren, in Hafft gezogen, des Landes verwieſen, und ausgepeitſchet worden, wie er denn einmal ſelbſt ſeinem Vater zur Seite gegangen, da man ihn zu Freyen- walde ſolcher geſtalt zum Thore heraus geleuchtet. Und wenn ihn ſein gottloſer Vater mit Schelten und Schlaͤgen nicht zuruͤcke gezogen haͤtte, wuͤrde er ſich warhafftig auch davon loßgeriſſen haben, ſonderlich, da ihn ſein Pathe ein Forſtmeiſter irgendwo, zu ſich nehmen und zur Erlernung der Jaͤgerey anhalten wollen. Jch glaube auch, er wuͤrde nicht uͤbel ſich zu einer ehrlichern Profesſion angeſchicket haben, ſofern er gute Anweiſung und Vorgaͤnger dabey wuͤrde gefunden haben. §. 29.Nach dem Tode ſeines Vaters, der etwa vor drey Jahren bey Roſtock herum, geſtorben, und der Gegend daſelbſt auf einem Dorffe begraben lieget, ſchlug er ſich von ſeiner Mutter und beyden Stieff-Geſchwi- ſter ab, weil ihre Greuel ſo groß, daß er ſelbſt daran ein Abſcheu hatte, und mit ſeinem noch ein wenig glimmenden Gewiſſen bey ihnen laͤnger nicht dauren konnte, faͤngt aber zu ſeinem Ungluͤck ſein eigenes Gewerbe mit fal- ſchen Brand-Betteln an, wuſte die Buben, die den Leuten ſolche Brand- Briefe verfertigten, uͤberall zu finden, bald vor Wilsnack, bald im Ruppini- ſchen, bald im Mecklenburgiſchen, und ſo weiter aufzuſuchen, hat ſie auch alle, ſo viele ihrer ihme bewuſt waren, im Hoff-Gerichte allhie wie man ge- glaubet, treulich angegeben, und beſchrieben, wie fertig ſie mit Schrifft- und falſch nachgemachten Stadt-Siegeln waͤren, wenn ſie nur einen oder ein paar Gulden dafuͤr bezahlt bekaͤmen, konnte es ein jeglicher, der ſich nur bey ihnen meldete, fuͤr ſolchen Preiß ſo gut bekommen, als ers immer gewuͤnſcht und haben moͤchte. §. 30.Dieſe Falſarii und heilloſe Cancelliſten werden zu ihrer Zeit, wo ſie nicht ſchon hergebracht worden ſind, doch gewiß hermuͤſſen, und ihr rech- D 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/27
Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 29[27]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/27>, abgerufen am 21.12.2024.