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Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

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Menschen unmüglich zu seyn scheinet, war bey GOtt bald müglich. Ein
Mühlen-Pursche, der vorm Camin saß und seinen Abend-Seegen laß, wird
unter andern auch plötzlich befallen und vor todt niedergeschlagen, also daß
man ihn zu binden nicht für nöthig hielt. Da sie alle sicher werden, in
Meinung, ihm so viel versetzet zu haben, daß er ihnen den wenigsten Scha-
den thun würde, erholet er sich nach einer Weile und sinnet daß er weder von
oben noch bey der Seiten, hinten so wenig als forne durchkommen konnte, ver-
suchet also ob ihm der liebe GOtt unterwehrts einen Durchgang machen wol-
le, begiebet sich derowegen unter das gefährliche Kamm-Rad, und entwi-
schet glücklich, eilet auch aufs benachbarte Quielitz, daß er solche abscheu-
liche Unthat melde, und mit Glocken-Sturm die Nachbarschafft aufjage,
daß sie denen armen gebundenen daselbst zu Hülffe kämen und sie der un-
gebäthenen Mühlen-Gäste befreyeten, die so mächtig und starck waren, daß
sie sich durch keine andere, als durch gewaltigere Gegen-Macht würden ab-
weisen lassen.

§. 20.

So frech und frey war doch diese Bande, daß, ohngeachtet
sie des einen vorerwehnten Geschlagenen misseten, und ihn aus keinem Win-
ckel auszustäubern wusten, sondern als entrunnen glaubeten, auch die
Sturm-Glocken aus der Nachbarschafft in ihrer vorhabenden Arbeit eine
ziemliche Weile höreten, und schlossen, daß sie durch den Entkommenen wä-
ren verrathen worden, blieben sie doch bey nahe anderthalben Stunden in der
angefangenen Plünderung behertzt und ungestöhrt, biß sie mit derselben fer-
tig waren, und beyfammen hatten, was sie mitnehmen wolten.

§. 21.

Der Fischer, so in der Mühlen gewesen und geschlagen
worden, sagete im Gerichte allhie aus, wie ers von einem aus der Räu-
ber-Bande gehöret, den er nicht kennete, daß er die andere lose Gesellen
encouragiret mit diesen Worten: Wir müssen die Mühle in Brand stecken;
und in der litis contestation sagte es Fixel, die Fixelin und Hoffmann dem
vierten Maleficanten Kranichfeld auf den Kopff zu, daß sie solches Mord-
brenner-Wort aus seinem Munde gehöret, ohngeacht sie solches zuvor nicht
gewust, daß es der vorerwehnte Deponente also auch gehöret zu haben, aus-
gesaget hätte. So stimmet auch die darauf gehörte Antwort beyderseitig
überein, daß, da man das Sturm-Schlagen mit den Glocken gehöret, einer
von denen Zigeunern solle widersprochen und geantwortet haben: Es ist
keine Zeit mehr übrig, Feuer anzulegen, wir müssen eilen, daß wir nicht
erhaschet werden! Machen sich auch bald nach diesem Vorschlage von

dan-
D

Menſchen unmuͤglich zu ſeyn ſcheinet, war bey GOtt bald muͤglich. Ein
Muͤhlen-Purſche, der vorm Camin ſaß und ſeinen Abend-Seegen laß, wird
unter andern auch ploͤtzlich befallen und vor todt niedergeſchlagen, alſo daß
man ihn zu binden nicht fuͤr noͤthig hielt. Da ſie alle ſicher werden, in
Meinung, ihm ſo viel verſetzet zu haben, daß er ihnen den wenigſten Scha-
den thun wuͤrde, erholet er ſich nach einer Weile und ſinnet daß er weder von
oben noch bey der Seiten, hinten ſo wenig als forne durchkommen konnte, ver-
ſuchet alſo ob ihm der liebe GOtt unterwehrts einen Durchgang machen wol-
le, begiebet ſich derowegen unter das gefaͤhrliche Kamm-Rad, und entwi-
ſchet gluͤcklich, eilet auch aufs benachbarte Quielitz, daß er ſolche abſcheu-
liche Unthat melde, und mit Glocken-Sturm die Nachbarſchafft aufjage,
daß ſie denen armen gebundenen daſelbſt zu Huͤlffe kaͤmen und ſie der un-
gebaͤthenen Muͤhlen-Gaͤſte befreyeten, die ſo maͤchtig und ſtarck waren, daß
ſie ſich durch keine andere, als durch gewaltigere Gegen-Macht wuͤrden ab-
weiſen laſſen.

§. 20.

So frech und frey war doch dieſe Bande, daß, ohngeachtet
ſie des einen vorerwehnten Geſchlagenen miſſeten, und ihn aus keinem Win-
ckel auszuſtaͤubern wuſten, ſondern als entrunnen glaubeten, auch die
Sturm-Glocken aus der Nachbarſchafft in ihrer vorhabenden Arbeit eine
ziemliche Weile hoͤreten, und ſchloſſen, daß ſie durch den Entkommenen waͤ-
ren verrathen worden, blieben ſie doch bey nahe anderthalben Stunden in der
angefangenen Pluͤnderung behertzt und ungeſtoͤhrt, biß ſie mit derſelben fer-
tig waren, und beyfammen hatten, was ſie mitnehmen wolten.

§. 21.

Der Fiſcher, ſo in der Muͤhlen geweſen und geſchlagen
worden, ſagete im Gerichte allhie aus, wie ers von einem aus der Raͤu-
ber-Bande gehoͤret, den er nicht kennete, daß er die andere loſe Geſellen
encouragiret mit dieſen Worten: Wir muͤſſen die Muͤhle in Brand ſtecken;
und in der litis conteſtation ſagte es Fixel, die Fixelin und Hoffmann dem
vierten Maleficanten Kranichfeld auf den Kopff zu, daß ſie ſolches Mord-
brenner-Wort aus ſeinem Munde gehoͤret, ohngeacht ſie ſolches zuvor nicht
gewuſt, daß es der vorerwehnte Deponente alſo auch gehoͤret zu haben, aus-
geſaget haͤtte. So ſtimmet auch die darauf gehoͤrte Antwort beyderſeitig
uͤberein, daß, da man das Sturm-Schlagen mit den Glocken gehoͤret, einer
von denen Zigeunern ſolle widerſprochen und geantwortet haben: Es iſt
keine Zeit mehr uͤbrig, Feuer anzulegen, wir muͤſſen eilen, daß wir nicht
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[25[23]/0023] Menſchen unmuͤglich zu ſeyn ſcheinet, war bey GOtt bald muͤglich. Ein Muͤhlen-Purſche, der vorm Camin ſaß und ſeinen Abend-Seegen laß, wird unter andern auch ploͤtzlich befallen und vor todt niedergeſchlagen, alſo daß man ihn zu binden nicht fuͤr noͤthig hielt. Da ſie alle ſicher werden, in Meinung, ihm ſo viel verſetzet zu haben, daß er ihnen den wenigſten Scha- den thun wuͤrde, erholet er ſich nach einer Weile und ſinnet daß er weder von oben noch bey der Seiten, hinten ſo wenig als forne durchkommen konnte, ver- ſuchet alſo ob ihm der liebe GOtt unterwehrts einen Durchgang machen wol- le, begiebet ſich derowegen unter das gefaͤhrliche Kamm-Rad, und entwi- ſchet gluͤcklich, eilet auch aufs benachbarte Quielitz, daß er ſolche abſcheu- liche Unthat melde, und mit Glocken-Sturm die Nachbarſchafft aufjage, daß ſie denen armen gebundenen daſelbſt zu Huͤlffe kaͤmen und ſie der un- gebaͤthenen Muͤhlen-Gaͤſte befreyeten, die ſo maͤchtig und ſtarck waren, daß ſie ſich durch keine andere, als durch gewaltigere Gegen-Macht wuͤrden ab- weiſen laſſen. §. 20.So frech und frey war doch dieſe Bande, daß, ohngeachtet ſie des einen vorerwehnten Geſchlagenen miſſeten, und ihn aus keinem Win- ckel auszuſtaͤubern wuſten, ſondern als entrunnen glaubeten, auch die Sturm-Glocken aus der Nachbarſchafft in ihrer vorhabenden Arbeit eine ziemliche Weile hoͤreten, und ſchloſſen, daß ſie durch den Entkommenen waͤ- ren verrathen worden, blieben ſie doch bey nahe anderthalben Stunden in der angefangenen Pluͤnderung behertzt und ungeſtoͤhrt, biß ſie mit derſelben fer- tig waren, und beyfammen hatten, was ſie mitnehmen wolten. §. 21.Der Fiſcher, ſo in der Muͤhlen geweſen und geſchlagen worden, ſagete im Gerichte allhie aus, wie ers von einem aus der Raͤu- ber-Bande gehoͤret, den er nicht kennete, daß er die andere loſe Geſellen encouragiret mit dieſen Worten: Wir muͤſſen die Muͤhle in Brand ſtecken; und in der litis conteſtation ſagte es Fixel, die Fixelin und Hoffmann dem vierten Maleficanten Kranichfeld auf den Kopff zu, daß ſie ſolches Mord- brenner-Wort aus ſeinem Munde gehoͤret, ohngeacht ſie ſolches zuvor nicht gewuſt, daß es der vorerwehnte Deponente alſo auch gehoͤret zu haben, aus- geſaget haͤtte. So ſtimmet auch die darauf gehoͤrte Antwort beyderſeitig uͤberein, daß, da man das Sturm-Schlagen mit den Glocken gehoͤret, einer von denen Zigeunern ſolle widerſprochen und geantwortet haben: Es iſt keine Zeit mehr uͤbrig, Feuer anzulegen, wir muͤſſen eilen, daß wir nicht erhaſchet werden! Machen ſich auch bald nach dieſem Vorſchlage von dan- D

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Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 25[23]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/23>, abgerufen am 21.11.2024.