Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

Bild:
<< vorherige Seite

er ihme bey der erlittenen Tortur am gütigsten und vernünfftigsten zugeredet
hätte, aber die Fixelin war verstockt, daß sie auch die beste gelindeste Vor-
stellung zur Erlangung Göttlicher Gnade schnöde verwurff; Hofsmann
aber war leidsamer, zum wenigsten doch frey von bößlicher Widerstrebung,
ohne daß er immer dabey blieb, die Fixelin nicht bey der Mühlen-Plünde-
rung gesehen zu haben.

§. 153.

Da er abermals gefraget wurde: Weil er denn so be-
ständig bey seinem Leugnen bleiben wolte, daß er dieses Weib nicht zur
Mühlen genommen, oder sie mit ihnen dahin gegangen, wolte gesehen ha-
ben, so möchte er doch sagen, wie viele ihrer aus Quilitz wären zur Mühlen
abgeholet worden, obs ihrer zwey oder drey gewesen? Da gab er zur Ant-
wort: Es waren unser drey. Wiederum gefraget, wer denn ausser ihm
und Fixeln die dritte Person gewesen? da hielt er mit der Sprache zurücke,
wolte selbige nicht benennen, machte aber ein bübisch hämisches Gesichte,
daraus leicht abzunehmen war, daß doch keine andere als die Fixelin es
gewesen.

§. 154.

Für Corporal Ottern sahe es nicht am besten aus. Dieser
war ein junger wolgewachsener und nicht übel gebildeter Mensch aus Stock-
holm von guter Extraction, war durch den Schieffer-Decker induciret, ihme
einige falsche Brand-Brieffe von seinen des Schieffer-Deckers bereits ge-
führten alten Formularen mit veränderten Nahmen abzuschreiben, hergegen
falsche Nahmen mit veränderter Hand einzuschreiben, als hättens guthertzige
Menschen gethan, damit solcher Vorschein des bezeichneten Bettel-Buches
destomehr zum Beytrage bey andern reitzen, und der Schieffer-Decker desto
reichere Gabe erschleichen möchte; Das Siegel aber hat der Schieffer-
Decker selbst getragen und aufgesetzet, dafür wurde ihme Ottern aus dem
löblichen Gerichte zuerkandt, daß er solte zur Staupe geschlagen werden,
es wolten denn Se. Majestät aus einigen angeführten Ursachen solche Straffe
in 6. jährige Festungs-Arbeit verwandeln.

§. 155.

Am Abend des Montags begehrte Fixel mit allen zum Tode
verurtheilten Mühlen-Räubern nochmals ausgesöhnet zu seyn, damit er ruhig
am folgenden Tage bleiben, und das Heil. Nachtmahl empfangen könnte.
Wünschte aber von selbst hertzlich, daß doch diese Versöhnung eine bessere
Forme gewinnen möchte, als die erste Versöhnungs-Forme gewesen: Er be-
reitete sich dazu mit Gebeth, ehe er hinauf gefodert wurde, und bezeigte also
daß er das Versöhnungs-Werck ernstlich meynete.

§. 156.

er ihme bey der erlittenen Tortur am guͤtigſten und vernuͤnfftigſten zugeredet
haͤtte, aber die Fixelin war verſtockt, daß ſie auch die beſte gelindeſte Vor-
ſtellung zur Erlangung Goͤttlicher Gnade ſchnoͤde verwurff; Hofſmann
aber war leidſamer, zum wenigſten doch frey von boͤßlicher Widerſtrebung,
ohne daß er immer dabey blieb, die Fixelin nicht bey der Muͤhlen-Pluͤnde-
rung geſehen zu haben.

§. 153.

Da er abermals gefraget wurde: Weil er denn ſo be-
ſtaͤndig bey ſeinem Leugnen bleiben wolte, daß er dieſes Weib nicht zur
Muͤhlen genommen, oder ſie mit ihnen dahin gegangen, wolte geſehen ha-
ben, ſo moͤchte er doch ſagen, wie viele ihrer aus Quilitz waͤren zur Muͤhlen
abgeholet worden, obs ihrer zwey oder drey geweſen? Da gab er zur Ant-
wort: Es waren unſer drey. Wiederum gefraget, wer denn auſſer ihm
und Fixeln die dritte Perſon geweſen? da hielt er mit der Sprache zuruͤcke,
wolte ſelbige nicht benennen, machte aber ein buͤbiſch haͤmiſches Geſichte,
daraus leicht abzunehmen war, daß doch keine andere als die Fixelin es
geweſen.

§. 154.

Fuͤr Corporal Ottern ſahe es nicht am beſten aus. Dieſer
war ein junger wolgewachſener und nicht uͤbel gebildeter Menſch aus Stock-
holm von guter Extraction, war durch den Schieffer-Decker induciret, ihme
einige falſche Brand-Brieffe von ſeinen des Schieffer-Deckers bereits ge-
fuͤhrten alten Formularen mit veraͤnderten Nahmen abzuſchreiben, hergegen
falſche Nahmen mit veraͤnderter Hand einzuſchreiben, als haͤttens guthertzige
Menſchen gethan, damit ſolcher Vorſchein des bezeichneten Bettel-Buches
deſtomehr zum Beytrage bey andern reitzen, und der Schieffer-Decker deſto
reichere Gabe erſchleichen moͤchte; Das Siegel aber hat der Schieffer-
Decker ſelbſt getragen und aufgeſetzet, dafuͤr wurde ihme Ottern aus dem
loͤblichen Gerichte zuerkandt, daß er ſolte zur Staupe geſchlagen werden,
es wolten denn Se. Majeſtaͤt aus einigen angefuͤhrten Urſachen ſolche Straffe
in 6. jaͤhrige Feſtungs-Arbeit verwandeln.

§. 155.

Am Abend des Montags begehrte Fixel mit allen zum Tode
verurtheilten Muͤhlen-Raͤubern nochmals ausgeſoͤhnet zu ſeyn, damit er ruhig
am folgenden Tage bleiben, und das Heil. Nachtmahl empfangen koͤnnte.
Wuͤnſchte aber von ſelbſt hertzlich, daß doch dieſe Verſoͤhnung eine beſſere
Forme gewinnen moͤchte, als die erſte Verſoͤhnungs-Forme geweſen: Er be-
reitete ſich dazu mit Gebeth, ehe er hinauf gefodert wurde, und bezeigte alſo
daß er das Verſoͤhnungs-Werck ernſtlich meynete.

§. 156.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0106" n="100[98]"/>
er ihme bey der erlittenen <hi rendition="#aq">Tortur</hi> am gu&#x0364;tig&#x017F;ten und vernu&#x0364;nfftig&#x017F;ten zugeredet<lb/>
ha&#x0364;tte, aber die Fixelin war ver&#x017F;tockt, daß &#x017F;ie auch die be&#x017F;te gelinde&#x017F;te Vor-<lb/>
&#x017F;tellung zur Erlangung Go&#x0364;ttlicher Gnade &#x017F;chno&#x0364;de verwurff; Hof&#x017F;mann<lb/>
aber war leid&#x017F;amer, zum wenig&#x017F;ten doch frey von bo&#x0364;ßlicher Wider&#x017F;trebung,<lb/>
ohne daß er immer dabey blieb, die Fixelin nicht bey der Mu&#x0364;hlen-Plu&#x0364;nde-<lb/>
rung ge&#x017F;ehen zu haben.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 153.</head>
        <p>Da er abermals gefraget wurde: Weil er denn &#x017F;o be-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndig bey &#x017F;einem Leugnen bleiben wolte, daß er die&#x017F;es Weib nicht zur<lb/>
Mu&#x0364;hlen genommen, oder &#x017F;ie mit ihnen dahin gegangen, wolte ge&#x017F;ehen ha-<lb/>
ben, &#x017F;o mo&#x0364;chte er doch &#x017F;agen, wie viele ihrer aus Quilitz wa&#x0364;ren zur Mu&#x0364;hlen<lb/>
abgeholet worden, obs ihrer zwey oder drey gewe&#x017F;en? Da gab er zur Ant-<lb/>
wort: Es waren un&#x017F;er drey. Wiederum gefraget, wer denn au&#x017F;&#x017F;er ihm<lb/>
und Fixeln die dritte Per&#x017F;on gewe&#x017F;en? da hielt er mit der Sprache zuru&#x0364;cke,<lb/>
wolte &#x017F;elbige nicht benennen, machte aber ein bu&#x0364;bi&#x017F;ch ha&#x0364;mi&#x017F;ches Ge&#x017F;ichte,<lb/>
daraus leicht abzunehmen war, daß doch keine andere als die Fixelin es<lb/>
gewe&#x017F;en.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 154.</head>
        <p>Fu&#x0364;r <hi rendition="#aq">Corporal</hi> Ottern &#x017F;ahe es nicht am be&#x017F;ten aus. Die&#x017F;er<lb/>
war ein junger wolgewach&#x017F;ener und nicht u&#x0364;bel gebildeter Men&#x017F;ch aus Stock-<lb/>
holm von guter <hi rendition="#aq">Extraction,</hi> war durch den Schieffer-Decker <hi rendition="#aq">inducir</hi>et, ihme<lb/>
einige fal&#x017F;che Brand-Brieffe von &#x017F;einen des Schieffer-Deckers bereits ge-<lb/>
fu&#x0364;hrten alten <hi rendition="#aq">Formular</hi>en mit vera&#x0364;nderten Nahmen abzu&#x017F;chreiben, hergegen<lb/>
fal&#x017F;che Nahmen mit vera&#x0364;nderter Hand einzu&#x017F;chreiben, als ha&#x0364;ttens guthertzige<lb/>
Men&#x017F;chen gethan, damit &#x017F;olcher Vor&#x017F;chein des bezeichneten Bettel-Buches<lb/>
de&#x017F;tomehr zum Beytrage bey andern reitzen, und der Schieffer-Decker de&#x017F;to<lb/>
reichere Gabe er&#x017F;chleichen mo&#x0364;chte; Das Siegel aber hat der Schieffer-<lb/>
Decker &#x017F;elb&#x017F;t getragen und aufge&#x017F;etzet, dafu&#x0364;r wurde ihme Ottern aus dem<lb/>
lo&#x0364;blichen Gerichte zuerkandt, daß er &#x017F;olte zur Staupe ge&#x017F;chlagen werden,<lb/>
es wolten denn Se. Maje&#x017F;ta&#x0364;t aus einigen angefu&#x0364;hrten Ur&#x017F;achen &#x017F;olche Straffe<lb/>
in 6. ja&#x0364;hrige Fe&#x017F;tungs-Arbeit verwandeln.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 155.</head>
        <p>Am Abend des Montags begehrte Fixel mit allen zum Tode<lb/>
verurtheilten Mu&#x0364;hlen-Ra&#x0364;ubern nochmals ausge&#x017F;o&#x0364;hnet zu &#x017F;eyn, damit er ruhig<lb/>
am folgenden Tage bleiben, und das Heil. Nachtmahl empfangen ko&#x0364;nnte.<lb/>
Wu&#x0364;n&#x017F;chte aber von &#x017F;elb&#x017F;t hertzlich, daß doch die&#x017F;e Ver&#x017F;o&#x0364;hnung eine be&#x017F;&#x017F;ere<lb/>
Forme gewinnen mo&#x0364;chte, als die er&#x017F;te Ver&#x017F;o&#x0364;hnungs-Forme gewe&#x017F;en: Er be-<lb/>
reitete &#x017F;ich dazu mit Gebeth, ehe er hinauf gefodert wurde, und bezeigte al&#x017F;o<lb/>
daß er das Ver&#x017F;o&#x0364;hnungs-Werck ern&#x017F;tlich meynete.</p>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="catch">§. 156.</fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100[98]/0106] er ihme bey der erlittenen Tortur am guͤtigſten und vernuͤnfftigſten zugeredet haͤtte, aber die Fixelin war verſtockt, daß ſie auch die beſte gelindeſte Vor- ſtellung zur Erlangung Goͤttlicher Gnade ſchnoͤde verwurff; Hofſmann aber war leidſamer, zum wenigſten doch frey von boͤßlicher Widerſtrebung, ohne daß er immer dabey blieb, die Fixelin nicht bey der Muͤhlen-Pluͤnde- rung geſehen zu haben. §. 153. Da er abermals gefraget wurde: Weil er denn ſo be- ſtaͤndig bey ſeinem Leugnen bleiben wolte, daß er dieſes Weib nicht zur Muͤhlen genommen, oder ſie mit ihnen dahin gegangen, wolte geſehen ha- ben, ſo moͤchte er doch ſagen, wie viele ihrer aus Quilitz waͤren zur Muͤhlen abgeholet worden, obs ihrer zwey oder drey geweſen? Da gab er zur Ant- wort: Es waren unſer drey. Wiederum gefraget, wer denn auſſer ihm und Fixeln die dritte Perſon geweſen? da hielt er mit der Sprache zuruͤcke, wolte ſelbige nicht benennen, machte aber ein buͤbiſch haͤmiſches Geſichte, daraus leicht abzunehmen war, daß doch keine andere als die Fixelin es geweſen. §. 154. Fuͤr Corporal Ottern ſahe es nicht am beſten aus. Dieſer war ein junger wolgewachſener und nicht uͤbel gebildeter Menſch aus Stock- holm von guter Extraction, war durch den Schieffer-Decker induciret, ihme einige falſche Brand-Brieffe von ſeinen des Schieffer-Deckers bereits ge- fuͤhrten alten Formularen mit veraͤnderten Nahmen abzuſchreiben, hergegen falſche Nahmen mit veraͤnderter Hand einzuſchreiben, als haͤttens guthertzige Menſchen gethan, damit ſolcher Vorſchein des bezeichneten Bettel-Buches deſtomehr zum Beytrage bey andern reitzen, und der Schieffer-Decker deſto reichere Gabe erſchleichen moͤchte; Das Siegel aber hat der Schieffer- Decker ſelbſt getragen und aufgeſetzet, dafuͤr wurde ihme Ottern aus dem loͤblichen Gerichte zuerkandt, daß er ſolte zur Staupe geſchlagen werden, es wolten denn Se. Majeſtaͤt aus einigen angefuͤhrten Urſachen ſolche Straffe in 6. jaͤhrige Feſtungs-Arbeit verwandeln. §. 155. Am Abend des Montags begehrte Fixel mit allen zum Tode verurtheilten Muͤhlen-Raͤubern nochmals ausgeſoͤhnet zu ſeyn, damit er ruhig am folgenden Tage bleiben, und das Heil. Nachtmahl empfangen koͤnnte. Wuͤnſchte aber von ſelbſt hertzlich, daß doch dieſe Verſoͤhnung eine beſſere Forme gewinnen moͤchte, als die erſte Verſoͤhnungs-Forme geweſen: Er be- reitete ſich dazu mit Gebeth, ehe er hinauf gefodert wurde, und bezeigte alſo daß er das Verſoͤhnungs-Werck ernſtlich meynete. §. 156.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/106
Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 100[98]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/106>, abgerufen am 21.11.2024.