Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

Bild:
<< vorherige Seite

über diese Gesellschafft vernommen, hat er weiter nichts als seine gewohnte
verworrene Confession gethan: Was er viel sagen solte? Es wäre lauter
Bettel-Bagage, da er doch einen davon, Nahmens Diebow mehr als zu
wol in streiffender Dieberey hatte kennen lernen, wie Fixel solches wider die-
sen Schiefferdecker bezeugete, und zugleich des Mannes Frechheit bejam-
merte, daß er noch immer nach seiner alten Weise liederlich geredet hätte,
gerade als wäre er zu keinem Tode verdammet/ da doch derselbe seiner für
der Thüre wartete.

§. 148.

Eins war am Sonnabend zu bedauren, da ich die wie-
derbrachte Maleficanten von Spandow noch des Abend besuchete, war der
Schiefferdecker hoch besoffen, lag auf der Streu und schnarchete, daß man
ihn auch nicht sprechen konte; und der arme Fixel lag auch darnieder/
sprang aber sofort vom Lager auf und klagete, es wäre ihm so wunderlich,
er hätte heute noch keinen Brocken Brodt genossen, aber in der Abreise von
Berlin hätte er sich für 3. Pfenning Brandtewein reichen lassen, solches
wäre ihm auch in Spandow, und wie er wieder abgereiset, eine Boutellie
Bier gereichet worden. Jch machte es kurtz in diesem Besuche, und verspah-
rete die nöthige reproche dafür biß auf den andern Tag, angesehen ich an
ihme Scham merckete, auch wol ein Verlangen, alleine zuseyn, wie ers denn
auch begehret hatte, die Schliesserin möchte ihn verbergen, und keinem das
Gefängniß öffnen, der ihn heute besuchen und sehen wolte. Daraus man
also deutlich schloß, seine Benebelung des Haupts wäre von der Viehischen
Bauch-Fülle seines Reise-Gefehrten beyweitem unterschieden, und daß jener
aus übereilung, dieser aber aus Vorsatz sich mit dem Geträncke entkräfftet
hätte.

§. 149.

Da des Sonntages zu ihm kam, ließ michs nicht mercken,
daß seinen halben Rausch übel empfunden; Allein weil ich doch mit mei-
ner sonst angezogenen Freundlichkeit sparsamer war, redete er mich betrübt
mit Thränen an: Jch wäre gegen ihn nicht wie in vorigen Tagen, und er
wüste wol die Ursache, weil ich ihn gestern so confus von der Reise gefun-
den, es thäte ihm hertzlich leid, in dem er sich des Trinckens im Gefängnisse
bißher gantz, und insonderheit des Brandt eweins entwehnet hätte, und hätte
der Teuffei ihm dennoch dißmahl gesuchet eins anzubringen, möchte doch
solches ihm vergeben, so starck wäre er nicht als Kranichfeld betruncken ge-
wesen, indem er alles gewust, was ich Tages zuvor mit ihm geredet hätte,
es müste ihme eine Witzigung seyn, daß in der Welt lauter Gefährlichkei-

ten

uͤber dieſe Geſellſchafft vernommen, hat er weiter nichts als ſeine gewohnte
verworrene Confeſſion gethan: Was er viel ſagen ſolte? Es waͤre lauter
Bettel-Bagage, da er doch einen davon, Nahmens Diebow mehr als zu
wol in ſtreiffender Dieberey hatte kennen lernen, wie Fixel ſolches wider die-
ſen Schiefferdecker bezeugete, und zugleich des Mannes Frechheit bejam-
merte, daß er noch immer nach ſeiner alten Weiſe liederlich geredet haͤtte,
gerade als waͤre er zu keinem Tode verdammet/ da doch derſelbe ſeiner fuͤr
der Thuͤre wartete.

§. 148.

Eins war am Sonnabend zu bedauren, da ich die wie-
derbrachte Maleficanten von Spandow noch des Abend beſuchete, war der
Schiefferdecker hoch beſoffen, lag auf der Streu und ſchnarchete, daß man
ihn auch nicht ſprechen konte; und der arme Fixel lag auch darnieder/
ſprang aber ſofort vom Lager auf und klagete, es waͤre ihm ſo wunderlich,
er haͤtte heute noch keinen Brocken Brodt genoſſen, aber in der Abreiſe von
Berlin haͤtte er ſich fuͤr 3. Pfenning Brandtewein reichen laſſen, ſolches
waͤre ihm auch in Spandow, und wie er wieder abgereiſet, eine Boutellie
Bier gereichet worden. Jch machte es kurtz in dieſem Beſuche, und verſpah-
rete die noͤthige reproche dafuͤr biß auf den andern Tag, angeſehen ich an
ihme Scham merckete, auch wol ein Verlangen, alleine zuſeyn, wie ers denn
auch begehret hatte, die Schlieſſerin moͤchte ihn verbergen, und keinem das
Gefaͤngniß oͤffnen, der ihn heute beſuchen und ſehen wolte. Daraus man
alſo deutlich ſchloß, ſeine Benebelung des Haupts waͤre von der Viehiſchen
Bauch-Fuͤlle ſeines Reiſe-Gefehrten beyweitem unterſchieden, und daß jener
aus uͤbereilung, dieſer aber aus Vorſatz ſich mit dem Getraͤncke entkraͤfftet
haͤtte.

§. 149.

Da des Sonntages zu ihm kam, ließ michs nicht mercken,
daß ſeinen halben Rauſch uͤbel empfunden; Allein weil ich doch mit mei-
ner ſonſt angezogenen Freundlichkeit ſparſamer war, redete er mich betruͤbt
mit Thraͤnen an: Jch waͤre gegen ihn nicht wie in vorigen Tagen, und er
wuͤſte wol die Urſache, weil ich ihn geſtern ſo confus von der Reiſe gefun-
den, es thaͤte ihm hertzlich leid, in dem er ſich des Trinckens im Gefaͤngniſſe
bißher gantz, und inſonderheit des Brandt eweins entwehnet haͤtte, und haͤtte
der Teuffei ihm dennoch dißmahl geſuchet eins anzubringen, moͤchte doch
ſolches ihm vergeben, ſo ſtarck waͤre er nicht als Kranichfeld betruncken ge-
weſen, indem er alles gewuſt, was ich Tages zuvor mit ihm geredet haͤtte,
es muͤſte ihme eine Witzigung ſeyn, daß in der Welt lauter Gefaͤhrlichkei-

ten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0104" n="98[96]"/>
u&#x0364;ber die&#x017F;e Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft vernommen, hat er weiter nichts als &#x017F;eine gewohnte<lb/>
verworrene <hi rendition="#aq">Confe&#x017F;&#x017F;ion</hi> gethan: Was er viel &#x017F;agen &#x017F;olte? Es wa&#x0364;re lauter<lb/>
Bettel-<hi rendition="#aq">Bagage,</hi> da er doch einen davon, Nahmens Diebow mehr als zu<lb/>
wol in &#x017F;treiffender Dieberey hatte kennen lernen, wie Fixel &#x017F;olches wider die-<lb/>
&#x017F;en Schiefferdecker bezeugete, und zugleich des Mannes Frechheit bejam-<lb/>
merte, daß er noch immer nach &#x017F;einer alten Wei&#x017F;e liederlich geredet ha&#x0364;tte,<lb/>
gerade als wa&#x0364;re er zu keinem Tode verdammet/ da doch der&#x017F;elbe &#x017F;einer fu&#x0364;r<lb/>
der Thu&#x0364;re wartete.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 148.</head>
        <p>Eins war am Sonnabend zu bedauren, da ich die wie-<lb/>
derbrachte <hi rendition="#aq">Malefican</hi>ten von Spandow noch des Abend be&#x017F;uchete, war der<lb/>
Schiefferdecker hoch be&#x017F;offen, lag auf der Streu und &#x017F;chnarchete, daß man<lb/>
ihn auch nicht &#x017F;prechen konte; und der arme Fixel lag auch darnieder/<lb/>
&#x017F;prang aber &#x017F;ofort vom Lager auf und klagete, es wa&#x0364;re ihm &#x017F;o wunderlich,<lb/>
er ha&#x0364;tte heute noch keinen Brocken Brodt geno&#x017F;&#x017F;en, aber in der Abrei&#x017F;e von<lb/>
Berlin ha&#x0364;tte er &#x017F;ich fu&#x0364;r 3. Pfenning Brandtewein reichen la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;olches<lb/>
wa&#x0364;re ihm auch in Spandow, und wie er wieder abgerei&#x017F;et, eine <hi rendition="#aq">Boutellie</hi><lb/>
Bier gereichet worden. Jch machte es kurtz in die&#x017F;em Be&#x017F;uche, und ver&#x017F;pah-<lb/>
rete die no&#x0364;thige <hi rendition="#aq">reproche</hi> dafu&#x0364;r biß auf den andern Tag, ange&#x017F;ehen ich an<lb/>
ihme Scham merckete, auch wol ein Verlangen, alleine zu&#x017F;eyn, wie ers denn<lb/>
auch begehret hatte, die Schlie&#x017F;&#x017F;erin mo&#x0364;chte ihn verbergen, und keinem das<lb/>
Gefa&#x0364;ngniß o&#x0364;ffnen, der ihn heute be&#x017F;uchen und &#x017F;ehen wolte. Daraus man<lb/>
al&#x017F;o deutlich &#x017F;chloß, &#x017F;eine Benebelung des Haupts wa&#x0364;re von der Viehi&#x017F;chen<lb/>
Bauch-Fu&#x0364;lle &#x017F;eines Rei&#x017F;e-Gefehrten beyweitem unter&#x017F;chieden, und daß jener<lb/>
aus u&#x0364;bereilung, die&#x017F;er aber aus Vor&#x017F;atz &#x017F;ich mit dem Getra&#x0364;ncke entkra&#x0364;fftet<lb/>
ha&#x0364;tte.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 149.</head>
        <p>Da des Sonntages zu ihm kam, ließ michs nicht mercken,<lb/>
daß &#x017F;einen halben Rau&#x017F;ch u&#x0364;bel empfunden; Allein weil ich doch mit mei-<lb/>
ner &#x017F;on&#x017F;t angezogenen Freundlichkeit &#x017F;par&#x017F;amer war, redete er mich betru&#x0364;bt<lb/>
mit Thra&#x0364;nen an: Jch wa&#x0364;re gegen ihn nicht wie in vorigen Tagen, und er<lb/>
wu&#x0364;&#x017F;te wol die Ur&#x017F;ache, weil ich ihn ge&#x017F;tern &#x017F;o <hi rendition="#aq">confus</hi> von der Rei&#x017F;e gefun-<lb/>
den, es tha&#x0364;te ihm hertzlich leid, in dem er &#x017F;ich des Trinckens im Gefa&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
bißher gantz, und in&#x017F;onderheit des Brandt eweins entwehnet ha&#x0364;tte, und ha&#x0364;tte<lb/>
der Teuffei ihm dennoch dißmahl ge&#x017F;uchet eins anzubringen, mo&#x0364;chte doch<lb/>
&#x017F;olches ihm vergeben, &#x017F;o &#x017F;tarck wa&#x0364;re er nicht als Kranichfeld betruncken ge-<lb/>
we&#x017F;en, indem er alles gewu&#x017F;t, was ich Tages zuvor mit ihm geredet ha&#x0364;tte,<lb/>
es mu&#x0364;&#x017F;te ihme eine Witzigung &#x017F;eyn, daß in der Welt lauter Gefa&#x0364;hrlichkei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98[96]/0104] uͤber dieſe Geſellſchafft vernommen, hat er weiter nichts als ſeine gewohnte verworrene Confeſſion gethan: Was er viel ſagen ſolte? Es waͤre lauter Bettel-Bagage, da er doch einen davon, Nahmens Diebow mehr als zu wol in ſtreiffender Dieberey hatte kennen lernen, wie Fixel ſolches wider die- ſen Schiefferdecker bezeugete, und zugleich des Mannes Frechheit bejam- merte, daß er noch immer nach ſeiner alten Weiſe liederlich geredet haͤtte, gerade als waͤre er zu keinem Tode verdammet/ da doch derſelbe ſeiner fuͤr der Thuͤre wartete. §. 148. Eins war am Sonnabend zu bedauren, da ich die wie- derbrachte Maleficanten von Spandow noch des Abend beſuchete, war der Schiefferdecker hoch beſoffen, lag auf der Streu und ſchnarchete, daß man ihn auch nicht ſprechen konte; und der arme Fixel lag auch darnieder/ ſprang aber ſofort vom Lager auf und klagete, es waͤre ihm ſo wunderlich, er haͤtte heute noch keinen Brocken Brodt genoſſen, aber in der Abreiſe von Berlin haͤtte er ſich fuͤr 3. Pfenning Brandtewein reichen laſſen, ſolches waͤre ihm auch in Spandow, und wie er wieder abgereiſet, eine Boutellie Bier gereichet worden. Jch machte es kurtz in dieſem Beſuche, und verſpah- rete die noͤthige reproche dafuͤr biß auf den andern Tag, angeſehen ich an ihme Scham merckete, auch wol ein Verlangen, alleine zuſeyn, wie ers denn auch begehret hatte, die Schlieſſerin moͤchte ihn verbergen, und keinem das Gefaͤngniß oͤffnen, der ihn heute beſuchen und ſehen wolte. Daraus man alſo deutlich ſchloß, ſeine Benebelung des Haupts waͤre von der Viehiſchen Bauch-Fuͤlle ſeines Reiſe-Gefehrten beyweitem unterſchieden, und daß jener aus uͤbereilung, dieſer aber aus Vorſatz ſich mit dem Getraͤncke entkraͤfftet haͤtte. §. 149. Da des Sonntages zu ihm kam, ließ michs nicht mercken, daß ſeinen halben Rauſch uͤbel empfunden; Allein weil ich doch mit mei- ner ſonſt angezogenen Freundlichkeit ſparſamer war, redete er mich betruͤbt mit Thraͤnen an: Jch waͤre gegen ihn nicht wie in vorigen Tagen, und er wuͤſte wol die Urſache, weil ich ihn geſtern ſo confus von der Reiſe gefun- den, es thaͤte ihm hertzlich leid, in dem er ſich des Trinckens im Gefaͤngniſſe bißher gantz, und inſonderheit des Brandt eweins entwehnet haͤtte, und haͤtte der Teuffei ihm dennoch dißmahl geſuchet eins anzubringen, moͤchte doch ſolches ihm vergeben, ſo ſtarck waͤre er nicht als Kranichfeld betruncken ge- weſen, indem er alles gewuſt, was ich Tages zuvor mit ihm geredet haͤtte, es muͤſte ihme eine Witzigung ſeyn, daß in der Welt lauter Gefaͤhrlichkei- ten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/104
Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 98[96]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/104>, abgerufen am 21.12.2024.