Meine letzten Mittheilungen waren vom 26. v. M., und ich habe seitdem, durchschnittlich mit 80 Arbeitern, eifrig fortgearbeitet. Leider aber gingen mir drei Tage verloren, denn am Sonntag, an dem die Griechen nicht arbeiten, konnte ich keine türkischen Arbeiter bekommen, weil die Türken jetzt ihre Saaten bestellen, und zwei Tage wurde ich durch starkes Regenwetter abgehalten.
Zu meinem allergrössten Erstaunen kam ich Montag, 30. v. M., plötzlich in eine Schicht Schutt, in der ich eine ungeheure Menge Werkzeuge von sehr hartem schwarzen Stein (Diorit), aber ganz primitiver Form, fand. Am folgenden Tage dagegen wurde nicht ein ein- ziges steinernes Instrument gefunden, anstatt dessen ein kleines Stück gedrehten Silberdrahts und viel zerbro- chenes Töpfergeschirr zierlicher Arbeit, unter anderm das Bruchstück eines Bechers mit einem Eulenkopf. Ich dachte daher schon, ich sei wieder in die Trümmer- schicht eines civilisirten Volks gekommen und die stei- nernen Werkzeuge des vorigen Tags rührten von der Invasion eines Barbarenvolks her, dessen Herrschaft nur von kurzer Dauer gewesen. Ich hatte mich aber geirrt,
die steinernen werkzeuge.
III.
Auf dem Berge Hissarlik, 3. November 1871.
Meine letzten Mittheilungen waren vom 26. v. M., und ich habe seitdem, durchschnittlich mit 80 Arbeitern, eifrig fortgearbeitet. Leider aber gingen mir drei Tage verloren, denn am Sonntag, an dem die Griechen nicht arbeiten, konnte ich keine türkischen Arbeiter bekommen, weil die Türken jetzt ihre Saaten bestellen, und zwei Tage wurde ich durch starkes Regenwetter abgehalten.
Zu meinem allergrössten Erstaunen kam ich Montag, 30. v. M., plötzlich in eine Schicht Schutt, in der ich eine ungeheure Menge Werkzeuge von sehr hartem schwarzen Stein (Diorit), aber ganz primitiver Form, fand. Am folgenden Tage dagegen wurde nicht ein ein- ziges steinernes Instrument gefunden, anstatt dessen ein kleines Stück gedrehten Silberdrahts und viel zerbro- chenes Töpfergeschirr zierlicher Arbeit, unter anderm das Bruchstück eines Bechers mit einem Eulenkopf. Ich dachte daher schon, ich sei wieder in die Trümmer- schicht eines civilisirten Volks gekommen und die stei- nernen Werkzeuge des vorigen Tags rührten von der Invasion eines Barbarenvolks her, dessen Herrschaft nur von kurzer Dauer gewesen. Ich hatte mich aber geirrt,
<TEI><text><body><pbfacs="#f0087"n="21"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#k">die steinernen werkzeuge</hi>.</fw><lb/><divn="1"><head>III.</head><lb/><opener><dateline><placeName>Auf dem Berge Hissarlik, 3. November 1871.</placeName></dateline></opener><lb/><p>Meine letzten Mittheilungen waren vom 26. v. M.,<lb/>
und ich habe seitdem, durchschnittlich mit 80 Arbeitern,<lb/>
eifrig fortgearbeitet. Leider aber gingen mir drei Tage<lb/>
verloren, denn am Sonntag, an dem die Griechen nicht<lb/>
arbeiten, konnte ich keine türkischen Arbeiter bekommen,<lb/>
weil die Türken jetzt ihre Saaten bestellen, und zwei<lb/>
Tage wurde ich durch starkes Regenwetter abgehalten.</p><lb/><p>Zu meinem allergrössten Erstaunen kam ich Montag,<lb/>
30. v. M., plötzlich in eine Schicht Schutt, in der ich<lb/>
eine ungeheure Menge Werkzeuge von sehr hartem<lb/>
schwarzen Stein (Diorit), aber ganz primitiver Form,<lb/>
fand. Am folgenden Tage dagegen wurde nicht ein ein-<lb/>
ziges steinernes Instrument gefunden, anstatt dessen ein<lb/>
kleines Stück gedrehten Silberdrahts und viel zerbro-<lb/>
chenes Töpfergeschirr zierlicher Arbeit, unter anderm<lb/>
das Bruchstück eines Bechers mit einem Eulenkopf. Ich<lb/>
dachte daher schon, ich sei wieder in die Trümmer-<lb/>
schicht eines civilisirten Volks gekommen und die stei-<lb/>
nernen Werkzeuge des vorigen Tags rührten von der<lb/>
Invasion eines Barbarenvolks her, dessen Herrschaft nur<lb/>
von kurzer Dauer gewesen. <choice><sic>Ieh</sic><corr>Ich</corr></choice> hatte mich aber geirrt,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[21/0087]
die steinernen werkzeuge.
III.
Auf dem Berge Hissarlik, 3. November 1871.
Meine letzten Mittheilungen waren vom 26. v. M.,
und ich habe seitdem, durchschnittlich mit 80 Arbeitern,
eifrig fortgearbeitet. Leider aber gingen mir drei Tage
verloren, denn am Sonntag, an dem die Griechen nicht
arbeiten, konnte ich keine türkischen Arbeiter bekommen,
weil die Türken jetzt ihre Saaten bestellen, und zwei
Tage wurde ich durch starkes Regenwetter abgehalten.
Zu meinem allergrössten Erstaunen kam ich Montag,
30. v. M., plötzlich in eine Schicht Schutt, in der ich
eine ungeheure Menge Werkzeuge von sehr hartem
schwarzen Stein (Diorit), aber ganz primitiver Form,
fand. Am folgenden Tage dagegen wurde nicht ein ein-
ziges steinernes Instrument gefunden, anstatt dessen ein
kleines Stück gedrehten Silberdrahts und viel zerbro-
chenes Töpfergeschirr zierlicher Arbeit, unter anderm
das Bruchstück eines Bechers mit einem Eulenkopf. Ich
dachte daher schon, ich sei wieder in die Trümmer-
schicht eines civilisirten Volks gekommen und die stei-
nernen Werkzeuge des vorigen Tags rührten von der
Invasion eines Barbarenvolks her, dessen Herrschaft nur
von kurzer Dauer gewesen. Ich hatte mich aber geirrt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/87>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.