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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838.

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3. Abundiren können auf diese Art Theile des Subjects oder
Prädicats, wenn es in eine Mehrheit zerfällt ist. Ferner Ne-
benbestimmungen des einen oder andern, wenn sie keinen be-
stimmten Gegensaz gegenüber haben.

41. Was emphatisch sein soll muß sich durch die be-
tontere Stellung und andere Hinweisungen zu erkennen geben.

1. Über das gewöhnliche Maaß der Bedeutsamkeit kann ei-
ner nicht bewußtlos hinausgehen; es muß auch bemerkt sein
wollen, da der emphatische Gebrauch eines Wortes immer eine
Abkürzung ist, etwas in ein Wort hineinzulegen was sonst da-
neben stehen könnte. Kann also das erste nicht mit gehöriger
Deutlichkeit geschehen, so wählt doch jeder das andere.

2. Es muß immer ein anderer Redetheil da sein, in Bezie-
hung auf welchen einer emphatisch ist und dieß muß sich durch
die Zusammenstellung deutlich machen lassen.

42. Die Maxime so viel als möglich tautologisch zu
nehmen ist eben so falsch als die soviel als möglich em-
phatisch zu nehmen.

1. Die erstgenannte ist die neuere. Man glaubt sie im
N. T. durch die vorherrschende Form des Parallelismus und
durch die größtentheils geringere logische Strenge hinreichend
gerechtfertigt; aber mit Unrecht, und man muß nach den oben
gestellten Säzen davon wieder zurückkommen. Besonders glaubt
man sich durch jeden leichten Schein von Synonymen gerecht-
fertigt.

2. Die leztgenannte ist die ältere, zusammenhangend mit der
Ansicht daß der heil. Geist Auctor sei, und daß der nichts ver-
geblich thun werde, daher kein Abundiren, keine Tautologie und
zunächst also alles verwandte emphatisch, dann aber auch alles
überhaupt, denn an jedem Worte ist etwas zu viel, wenn es
nicht ganz an jeder Stelle erschöpft ist. Allein da den ur-
sprünglichen Hörern und Lesern die Person des Schriftstellers

3. Abundiren koͤnnen auf dieſe Art Theile des Subjects oder
Praͤdicats, wenn es in eine Mehrheit zerfaͤllt iſt. Ferner Ne-
benbeſtimmungen des einen oder andern, wenn ſie keinen be-
ſtimmten Gegenſaz gegenuͤber haben.

41. Was emphatiſch ſein ſoll muß ſich durch die be-
tontere Stellung und andere Hinweiſungen zu erkennen geben.

1. Über das gewoͤhnliche Maaß der Bedeutſamkeit kann ei-
ner nicht bewußtlos hinausgehen; es muß auch bemerkt ſein
wollen, da der emphatiſche Gebrauch eines Wortes immer eine
Abkuͤrzung iſt, etwas in ein Wort hineinzulegen was ſonſt da-
neben ſtehen koͤnnte. Kann alſo das erſte nicht mit gehoͤriger
Deutlichkeit geſchehen, ſo waͤhlt doch jeder das andere.

2. Es muß immer ein anderer Redetheil da ſein, in Bezie-
hung auf welchen einer emphatiſch iſt und dieß muß ſich durch
die Zuſammenſtellung deutlich machen laſſen.

42. Die Maxime ſo viel als moͤglich tautologiſch zu
nehmen iſt eben ſo falſch als die ſoviel als moͤglich em-
phatiſch zu nehmen.

1. Die erſtgenannte iſt die neuere. Man glaubt ſie im
N. T. durch die vorherrſchende Form des Parallelismus und
durch die groͤßtentheils geringere logiſche Strenge hinreichend
gerechtfertigt; aber mit Unrecht, und man muß nach den oben
geſtellten Saͤzen davon wieder zuruͤckkommen. Beſonders glaubt
man ſich durch jeden leichten Schein von Synonymen gerecht-
fertigt.

2. Die leztgenannte iſt die aͤltere, zuſammenhangend mit der
Anſicht daß der heil. Geiſt Auctor ſei, und daß der nichts ver-
geblich thun werde, daher kein Abundiren, keine Tautologie und
zunaͤchſt alſo alles verwandte emphatiſch, dann aber auch alles
uͤberhaupt, denn an jedem Worte iſt etwas zu viel, wenn es
nicht ganz an jeder Stelle erſchoͤpft iſt. Allein da den ur-
ſpruͤnglichen Hoͤrern und Leſern die Perſon des Schriftſtellers

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[87/0111] 3. Abundiren koͤnnen auf dieſe Art Theile des Subjects oder Praͤdicats, wenn es in eine Mehrheit zerfaͤllt iſt. Ferner Ne- benbeſtimmungen des einen oder andern, wenn ſie keinen be- ſtimmten Gegenſaz gegenuͤber haben. 41. Was emphatiſch ſein ſoll muß ſich durch die be- tontere Stellung und andere Hinweiſungen zu erkennen geben. 1. Über das gewoͤhnliche Maaß der Bedeutſamkeit kann ei- ner nicht bewußtlos hinausgehen; es muß auch bemerkt ſein wollen, da der emphatiſche Gebrauch eines Wortes immer eine Abkuͤrzung iſt, etwas in ein Wort hineinzulegen was ſonſt da- neben ſtehen koͤnnte. Kann alſo das erſte nicht mit gehoͤriger Deutlichkeit geſchehen, ſo waͤhlt doch jeder das andere. 2. Es muß immer ein anderer Redetheil da ſein, in Bezie- hung auf welchen einer emphatiſch iſt und dieß muß ſich durch die Zuſammenſtellung deutlich machen laſſen. 42. Die Maxime ſo viel als moͤglich tautologiſch zu nehmen iſt eben ſo falſch als die ſoviel als moͤglich em- phatiſch zu nehmen. 1. Die erſtgenannte iſt die neuere. Man glaubt ſie im N. T. durch die vorherrſchende Form des Parallelismus und durch die groͤßtentheils geringere logiſche Strenge hinreichend gerechtfertigt; aber mit Unrecht, und man muß nach den oben geſtellten Saͤzen davon wieder zuruͤckkommen. Beſonders glaubt man ſich durch jeden leichten Schein von Synonymen gerecht- fertigt. 2. Die leztgenannte iſt die aͤltere, zuſammenhangend mit der Anſicht daß der heil. Geiſt Auctor ſei, und daß der nichts ver- geblich thun werde, daher kein Abundiren, keine Tautologie und zunaͤchſt alſo alles verwandte emphatiſch, dann aber auch alles uͤberhaupt, denn an jedem Worte iſt etwas zu viel, wenn es nicht ganz an jeder Stelle erſchoͤpft iſt. Allein da den ur- ſpruͤnglichen Hoͤrern und Leſern die Perſon des Schriftſtellers

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Zitationshilfe: Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/111>, abgerufen am 26.04.2024.