Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799.Sehnsucht und Ruhe. Leicht bekleidet standen Lucinde Julius, fragte Lucinde, warum Sehnſucht und Ruhe. Leicht bekleidet ſtanden Lucinde Julius, fragte Lucinde, warum <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0291" n="286"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Sehnſucht und Ruhe</hi>.</hi> </head><lb/> <p>Leicht bekleidet ſtanden Lucinde<lb/> und Julius am Fenſter im Pavillon,<lb/> erfriſchten ſich an der kühlen Mor-<lb/> genluft und waren verloren im An-<lb/> ſchaun der aufſteigenden Sonne, die<lb/> von allen Vögeln mit munterem Ge-<lb/> ſang begrüßt ward.</p><lb/> <p>Julius, fragte Lucinde, warum<lb/> fühle ich in ſo heitrer Ruhe die tiefe<lb/> Sehnſucht? — Nur in der Sehn-<lb/> ſucht finden wir die Ruhe, antworte-<lb/> te Julius. Ja die Ruhe iſt nur das,<lb/> wenn unſer Geiſt durch nichts ge-<lb/> ſtört wird, ſich zu ſehnen und zu<lb/> ſuchen, wo er nichts höheres finden<lb/> kann als die eigne Sehnſucht.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [286/0291]
Sehnſucht und Ruhe.
Leicht bekleidet ſtanden Lucinde
und Julius am Fenſter im Pavillon,
erfriſchten ſich an der kühlen Mor-
genluft und waren verloren im An-
ſchaun der aufſteigenden Sonne, die
von allen Vögeln mit munterem Ge-
ſang begrüßt ward.
Julius, fragte Lucinde, warum
fühle ich in ſo heitrer Ruhe die tiefe
Sehnſucht? — Nur in der Sehn-
ſucht finden wir die Ruhe, antworte-
te Julius. Ja die Ruhe iſt nur das,
wenn unſer Geiſt durch nichts ge-
ſtört wird, ſich zu ſehnen und zu
ſuchen, wo er nichts höheres finden
kann als die eigne Sehnſucht.
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