Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.nicht, daß du es bist der des zarten Mädchens Busen umschwebt und zum Himmel den Schoos macht -- ahnden nicht, daß aus alten Geschichten du himmelöffnend entgegentrittst und den Schlüssel trägst zu den Wohnungen der Seligen, unendlicher Geheimnisse schweigender Bote. 3.
Einst da ich bittre Thränen vergoß, da in Schmerz aufgelöst meine Hoffnung zerrann, und ich einsam stand am dürren Hügel, der in engen, dunkeln Raum die Gestalt meines Lebens barg -- einsam, wie noch kein Einsamer war, von unsäglicher Angst getrieben -- kraftlos, nur ein Gedanken des Elends noch. -- Wie ich da nach Hülfe umherschaute, vorwärts nicht konnte und rückwärts nicht, und am fliehenden, verlöschten Leben mit unendlicher Sehnsucht hing: -- da kam aus blauen Fernen -- von den Höhen meiner alten Seligkeit ein Dämmerungsschauer -- und mit einemmale riß das Band der Geburt -- des Lichtes Fessel. Hin floh die irdische Herrlichkeit und meine Trauer mit ihr -- zusammen floß die Wehmuth in eine neue, unergründliche Welt -- du Nachtbegeisterung, Schlummer des Himmels kamst über mich -- die Gegend hob sich sacht empor; über der Gegend schwebte mein entbundner, neugeborner Geist. Zur Staubwolke wurde der Hügel -- durch die Wolke sah ich die verklärten Züge der Geliebten. Jn ihren Augen ruhte die Ewigkeit -- ich faßte ihre Hände, und die Thränen wurden ein funkelndes, unzerreißliches Band. Jahrtausende nicht, daß du es bist der des zarten Maͤdchens Busen umschwebt und zum Himmel den Schoos macht — ahnden nicht, daß aus alten Geschichten du himmeloͤffnend entgegentrittst und den Schluͤssel traͤgst zu den Wohnungen der Seligen, unendlicher Geheimnisse schweigender Bote. 3.
Einst da ich bittre Thraͤnen vergoß, da in Schmerz aufgeloͤst meine Hoffnung zerrann, und ich einsam stand am duͤrren Huͤgel, der in engen, dunkeln Raum die Gestalt meines Lebens barg — einsam, wie noch kein Einsamer war, von unsaͤglicher Angst getrieben — kraftlos, nur ein Gedanken des Elends noch. — Wie ich da nach Huͤlfe umherschaute, vorwaͤrts nicht konnte und ruͤckwaͤrts nicht, und am fliehenden, verloͤschten Leben mit unendlicher Sehnsucht hing: — da kam aus blauen Fernen — von den Hoͤhen meiner alten Seligkeit ein Daͤmmerungsschauer — und mit einemmale riß das Band der Geburt — des Lichtes Fessel. Hin floh die irdische Herrlichkeit und meine Trauer mit ihr — zusammen floß die Wehmuth in eine neue, unergruͤndliche Welt — du Nachtbegeisterung, Schlummer des Himmels kamst uͤber mich — die Gegend hob sich sacht empor; uͤber der Gegend schwebte mein entbundner, neugeborner Geist. Zur Staubwolke wurde der Huͤgel — durch die Wolke sah ich die verklaͤrten Zuͤge der Geliebten. Jn ihren Augen ruhte die Ewigkeit — ich faßte ihre Haͤnde, und die Thraͤnen wurden ein funkelndes, unzerreißliches Band. Jahrtausende <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0203" n="191"/> nicht, daß du es bist der des zarten Maͤdchens Busen umschwebt und zum Himmel den Schoos macht — ahnden nicht, daß aus alten Geschichten du himmeloͤffnend entgegentrittst und den Schluͤssel traͤgst zu den Wohnungen der Seligen, unendlicher Geheimnisse schweigender Bote.</p><lb/> </div> <div n="3"> <head>3.</head> <p>Einst da ich bittre Thraͤnen vergoß, da in Schmerz aufgeloͤst meine Hoffnung zerrann, und ich einsam stand am duͤrren Huͤgel, der in engen, dunkeln Raum die Gestalt meines Lebens barg — einsam, wie noch kein Einsamer war, von unsaͤglicher Angst getrieben — kraftlos, nur ein Gedanken des Elends noch. — Wie ich da nach Huͤlfe umherschaute, vorwaͤrts nicht konnte und ruͤckwaͤrts nicht, und am fliehenden, verloͤschten Leben mit unendlicher Sehnsucht hing: — da kam aus blauen Fernen — von den Hoͤhen meiner alten Seligkeit ein Daͤmmerungsschauer — und mit einemmale riß das Band der Geburt — des Lichtes Fessel. Hin floh die irdische Herrlichkeit und meine Trauer mit ihr — zusammen floß die Wehmuth in eine neue, unergruͤndliche Welt — du Nachtbegeisterung, Schlummer des Himmels kamst uͤber mich — die Gegend hob sich sacht empor; uͤber der Gegend schwebte mein entbundner, neugeborner Geist. Zur Staubwolke wurde der Huͤgel — durch die Wolke sah ich die verklaͤrten Zuͤge der Geliebten. Jn ihren Augen ruhte die Ewigkeit — ich faßte ihre Haͤnde, und die Thraͤnen wurden ein funkelndes, unzerreißliches Band. Jahrtausende </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [191/0203]
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3.Einst da ich bittre Thraͤnen vergoß, da in Schmerz aufgeloͤst meine Hoffnung zerrann, und ich einsam stand am duͤrren Huͤgel, der in engen, dunkeln Raum die Gestalt meines Lebens barg — einsam, wie noch kein Einsamer war, von unsaͤglicher Angst getrieben — kraftlos, nur ein Gedanken des Elends noch. — Wie ich da nach Huͤlfe umherschaute, vorwaͤrts nicht konnte und ruͤckwaͤrts nicht, und am fliehenden, verloͤschten Leben mit unendlicher Sehnsucht hing: — da kam aus blauen Fernen — von den Hoͤhen meiner alten Seligkeit ein Daͤmmerungsschauer — und mit einemmale riß das Band der Geburt — des Lichtes Fessel. Hin floh die irdische Herrlichkeit und meine Trauer mit ihr — zusammen floß die Wehmuth in eine neue, unergruͤndliche Welt — du Nachtbegeisterung, Schlummer des Himmels kamst uͤber mich — die Gegend hob sich sacht empor; uͤber der Gegend schwebte mein entbundner, neugeborner Geist. Zur Staubwolke wurde der Huͤgel — durch die Wolke sah ich die verklaͤrten Zuͤge der Geliebten. Jn ihren Augen ruhte die Ewigkeit — ich faßte ihre Haͤnde, und die Thraͤnen wurden ein funkelndes, unzerreißliches Band. Jahrtausende
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/203>, abgerufen am 03.03.2025. |