Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.Himmlischer, als jene blitzenden Sterne, dünken uns die unendlichen Augen, die die Nacht in uns geöffnet. Weiter sehn sie, als die blässesten jener zahllosen Heere -- unbedürftig des Lichts durchschaun sie die Tiefen eines liebenden Gemüths -- was einen höhern Raum mit unsäglicher Wollust füllt. Preis der Weltköniginn, der hohen Verkündigerinn heiliger Welten, der Pflegerinn seliger Liebe -- sie sendet mir dich -- zarte Geliebte -- liebliche Sonne der Nacht, -- nun wach ich -- denn ich bin Dein und Mein -- du hast die Nacht mir zum Leben verkündet -- mich zum Menschen gemacht -- zehre mit Geisterglut meinen Leib, daß ich luftig mit dir inniger mich mische und dann ewig die Brautnacht währt. 2.
Muß immer der Morgen wiederkommen? Endet nie des Jrdischen Gewalt? unselige Geschäftigkeit verzehrt den himmlischen Anflug der Nacht. Wird nie der Liebe geheimes Opfer ewig brennen? Zugemessen ward dem Lichte seine Zeit; aber zeitlos und raumlos ist der Nacht Herrschaft. -- Ewig ist die Dauer des Schlafs. Heiliger Schlaf -- beglücke zu selten nicht der Nacht Geweihte in diesem irdischen Tagewerk. Nur die Thoren verkennen dich und wissen von keinem Schlafe, als den Schatten, den du in jener Dämmerung der wahrhaften Nacht mitleidig auf uns wirfst. Sie fühlen dich nicht in der goldnen Flut der Trauben -- in des Mandelbaums Wunderöl, und dem braunen Safte des Mohns. Sie wissen Himmlischer, als jene blitzenden Sterne, duͤnken uns die unendlichen Augen, die die Nacht in uns geoͤffnet. Weiter sehn sie, als die blaͤssesten jener zahllosen Heere — unbeduͤrftig des Lichts durchschaun sie die Tiefen eines liebenden Gemuͤths — was einen hoͤhern Raum mit unsaͤglicher Wollust fuͤllt. Preis der Weltkoͤniginn, der hohen Verkuͤndigerinn heiliger Welten, der Pflegerinn seliger Liebe — sie sendet mir dich — zarte Geliebte — liebliche Sonne der Nacht, — nun wach ich — denn ich bin Dein und Mein — du hast die Nacht mir zum Leben verkuͤndet — mich zum Menschen gemacht — zehre mit Geisterglut meinen Leib, daß ich luftig mit dir inniger mich mische und dann ewig die Brautnacht waͤhrt. 2.
Muß immer der Morgen wiederkommen? Endet nie des Jrdischen Gewalt? unselige Geschaͤftigkeit verzehrt den himmlischen Anflug der Nacht. Wird nie der Liebe geheimes Opfer ewig brennen? Zugemessen ward dem Lichte seine Zeit; aber zeitlos und raumlos ist der Nacht Herrschaft. — Ewig ist die Dauer des Schlafs. Heiliger Schlaf — begluͤcke zu selten nicht der Nacht Geweihte in diesem irdischen Tagewerk. Nur die Thoren verkennen dich und wissen von keinem Schlafe, als den Schatten, den du in jener Daͤmmerung der wahrhaften Nacht mitleidig auf uns wirfst. Sie fuͤhlen dich nicht in der goldnen Flut der Trauben — in des Mandelbaums Wunderoͤl, und dem braunen Safte des Mohns. Sie wissen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0202" n="190"/> Himmlischer, als jene blitzenden Sterne, duͤnken uns die unendlichen Augen, die die Nacht in uns geoͤffnet. Weiter sehn sie, als die blaͤssesten jener zahllosen Heere — unbeduͤrftig des Lichts durchschaun sie die Tiefen eines liebenden Gemuͤths — was einen hoͤhern Raum mit unsaͤglicher Wollust fuͤllt. Preis der Weltkoͤniginn, der hohen Verkuͤndigerinn heiliger Welten, der Pflegerinn seliger Liebe — sie sendet mir dich — zarte Geliebte — liebliche Sonne der Nacht, — nun wach ich — denn ich bin Dein und Mein — du hast die Nacht mir zum Leben verkuͤndet — mich zum Menschen gemacht — zehre mit Geisterglut meinen Leib, daß ich luftig mit dir inniger mich mische und dann ewig die Brautnacht waͤhrt.</p><lb/> </div> <div n="3"> <head>2.</head> <p>Muß immer der Morgen wiederkommen? Endet nie des Jrdischen Gewalt? unselige Geschaͤftigkeit verzehrt den himmlischen Anflug der Nacht. Wird nie der Liebe geheimes Opfer ewig brennen? Zugemessen ward dem Lichte seine Zeit; aber zeitlos und raumlos ist der Nacht Herrschaft. — Ewig ist die Dauer des Schlafs. Heiliger Schlaf — begluͤcke zu selten nicht der Nacht Geweihte in diesem irdischen Tagewerk. Nur die Thoren verkennen dich und wissen von keinem Schlafe, als den Schatten, den du in jener Daͤmmerung der wahrhaften Nacht mitleidig auf uns wirfst. Sie fuͤhlen dich nicht in der goldnen Flut der Trauben — in des Mandelbaums Wunderoͤl, und dem braunen Safte des Mohns. Sie wissen </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [190/0202]
Himmlischer, als jene blitzenden Sterne, duͤnken uns die unendlichen Augen, die die Nacht in uns geoͤffnet. Weiter sehn sie, als die blaͤssesten jener zahllosen Heere — unbeduͤrftig des Lichts durchschaun sie die Tiefen eines liebenden Gemuͤths — was einen hoͤhern Raum mit unsaͤglicher Wollust fuͤllt. Preis der Weltkoͤniginn, der hohen Verkuͤndigerinn heiliger Welten, der Pflegerinn seliger Liebe — sie sendet mir dich — zarte Geliebte — liebliche Sonne der Nacht, — nun wach ich — denn ich bin Dein und Mein — du hast die Nacht mir zum Leben verkuͤndet — mich zum Menschen gemacht — zehre mit Geisterglut meinen Leib, daß ich luftig mit dir inniger mich mische und dann ewig die Brautnacht waͤhrt.
2.Muß immer der Morgen wiederkommen? Endet nie des Jrdischen Gewalt? unselige Geschaͤftigkeit verzehrt den himmlischen Anflug der Nacht. Wird nie der Liebe geheimes Opfer ewig brennen? Zugemessen ward dem Lichte seine Zeit; aber zeitlos und raumlos ist der Nacht Herrschaft. — Ewig ist die Dauer des Schlafs. Heiliger Schlaf — begluͤcke zu selten nicht der Nacht Geweihte in diesem irdischen Tagewerk. Nur die Thoren verkennen dich und wissen von keinem Schlafe, als den Schatten, den du in jener Daͤmmerung der wahrhaften Nacht mitleidig auf uns wirfst. Sie fuͤhlen dich nicht in der goldnen Flut der Trauben — in des Mandelbaums Wunderoͤl, und dem braunen Safte des Mohns. Sie wissen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/202 |
Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/202>, abgerufen am 03.03.2025. |