Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.N. 9.) (Den 2. Mart. 1707. Schweizerische Berg-Reisen. SEine Gefehrten waren in grossen Aengsten/ sie konten dem ehrlichen chenen
N. 9.) (Den 2. Mart. 1707. Schweizeriſche Berg-Reiſen. SEine Gefehrten waren in groſſen Aengſten/ ſie konten dem ehrlichen chenen
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N. 9.)
(Den 2. Mart. 1707.
Schweizeriſche
Berg-Reiſen.
SEine Gefehrten waren in groſſen Aengſten/ ſie konten dem ehrlichen
Stoͤri/ den ſie auß dem Geſicht verlohren/ nicht helffen/ und verſahen
ſich nichts anders/ als daß er bereits tod/ oder in leiſten Zuͤgen were/
oder baͤldeſt umkommen werde/ theils von dem Fall/ theils von der Kaͤlte/
befahlen alſo ſeine Seele Gott. Gleichwolen/ damit ſie das jenige moͤgliche
vorkehreten/ welches zu rettung des gefallenen dienen koͤnte/ eileten ſie zu der
naͤchſten Sennhütten/ ſo eine Meil von dannen abgelegen ware/ um daſelbſt
Raht und Hilff zu ſuchen. Allhier funden ſie nichts als eine rauhe Bett-
decke/ welche ſie in Riemen zerſchnitten/ und mit ſich zuruck nahmen/ um ſie
in den Firen-Spalt hinunter zu laſſen. Waͤhrender der Zeit war unſer
Stoͤri von Kaͤlte halb erſtarꝛet/ bis auf halben Leib in dem Eiswaſſer/
deſſen uͤbrige Tieffe er mit den Augen nicht ergruͤnden moͤchte/ mit dem obe-
ren Leib und Armen ſperꝛete er ſich beyderſeits an den Eiswaͤnden/ ſande
ſich alſo in einem grimmigkalten/ engen/ und doch unergruͤndtlich tieffen/
Kerker/ inwelchem wider ihne ſtritten das Waſſer/ die Luft/ und das Eis/
von welchen Elementen das erſte ihne wolte verſchlingen/ das andere erſte-
cken/ und durch aufligende Schwerkraft vertrucken/ das dritte wegen ſeiner
Schlipferigkeit nicht halten. Wie ihm hierbey zu Muht geweſen/ kan ein
jeder leicht bey ſich ſelbs ermeſſen. Er verfahe ſich nichts anders/ als des
Tods/ und empfahle ſeine Seel in die Hand Gottes/ welche ihne alſo in ſei-
nen engen Noͤhten ſtaͤrkte/ daß er den von ſeinen Gefehrten herabgelaſſenen
Riemen koͤnte um den Leib anbinden. Durch diſes Mittel wurde der gute
Jaͤger auß der Grube heraufgezogen/ in ſo weit/ daß man ihn ſchier erꝛei-
chen koͤnte. Was geſchihet? Als ex faſt zu oberſt ware/ bricht der Hülffs-
Riemen entzwey/ und fallet unſer Candidatus Mortis widerum in das Eis-
grab herunter. Bey diſer Begebenheit vergroͤſſerte ſich die Gefahr aufs
neue. Einen Theil des gebrochenen Riemen nahme er zu allem Ungluͤck mit
ſich/ und ware das uͤbrige/ in Haͤnden ſeiner Helfferen gebliebene Stuͤck nicht
lang genug hinab zu reichen. Nebſt deme brache dem Jaͤger in diſem neuen
Fall der Arm entzwey. Bey ſo bewandten Dingen entfallet denen Gefehr-
ten der Muht noch nicht/ ſie ſchneiden die Riemen noch einmahl der laͤnge
nach entzwey/ und laſſen ſie herunter. Diſe bindet der Jaͤger mit dem gebro-
chenen
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Zitationshilfe: | Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708, S. (33)[33]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708/43>, abgerufen am 07.07.2024. |