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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707.

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und also/ weilen darab unser Leben hanget/ dessen Faden abgeschnitten wird.
Einen solchen Tod müssen auch die jenigen außstehen/ welche in einem von
neuem gährendem Wein angefüllten Keller eingeschlossen sterben. Nun
kan so tahne Wirkungen einer von der Stral verdünnerten Luft eher auß-
stehen ein kleines Kind/ als ein erwachsener Mensch. Es scheinet diß wun-
derlich/ daß ein so zartes Geschöpf/ ein schwaches Zweig/ mehr außstehen solle/
als ein erwachsener erharteter Baum. Es wird mir aber Beyfall geben ein
jeder/ der die Gestalt des menschlichen Leibs/ und sonderlich der jungen Kin-
deren verstehet. Bey disen hanget das Leben nicht ab von der Kreißbewe-
gung des Geblüts durch die Lungen/ weilen dise verrichtet werden kan durch
das so genante foramen ovale, oder ablang runde öffnung/ und den cana-
liculum arteriosum,
welche in Muterleib das Geblüt ohnmittelbar von der
rechten Herzenkammer überführen in die linke.

Feurige Geiß.

An. 1629. im Junio Abends um 10. Uhr sahe man zu Zürich eine
hüpfende oder springende Geiß/ (Capra Saltans.) Wagner. Hist. Nat.
Helv. p.
361. Dise Feuer-Geschicht ist ganz nahe verwandt mit dem Feurigen
Drach/ und ist allein die Gestaltsame verschieden/ nebst deme/ daß die Geiß
wol kan vergliechen werden mit einem verbranten Papeir/ in welchem die
Feuerlein noch hin und her/ der noch überig entzündtlichen öhlichten Materi
nach/ hüpfen.

Feuriger Drach.

An. 1651. den 7. Jan. nach Mittnacht zwischen 1. und 2. Uhren sahe
man einen Feurigen Drachen von Wädischweil (am Zürich-See)
gegen Mänidorff überfliegen/ und hörte zugleich ein Getöß/ gleich einem
anhaltenden Canonschuß. Wagn. Hist. Nat. Helv. p 361.

Stralschuß in den Geißthurn zu Zürich.

Diser gevierte/ stark aufgemaurte Thurn stuhnde auf der Höhe zwischen
dem Oberdörffer/ und Linden-Thor/ in der Rinkmaur der grösseren Statt/
ward gebauen An. 955. bey Anlaß der Hungaren/ welche fast ganz Euro-
pam durchzogen/ als eine gute Hochwacht/ und Nothwehr. Die Höhe dises
Thurns war von dem See bis zu dem Fundament 90. Schuh/ von dem
Fundament bis unter den Helm 90. Schuhe/ das Tach 25. Jn disen vesten
Thurn ist An. 1651. die Munition der Constaffel/ und 12. Zünften auß dem
Wolffsthurn bey dem Barfusser Kloster übergetragen und verwahret wor-
den. Bald darauf haben Steinkauzen/ die sich sonst gern in abgebrandtem

Gemäur

und alſo/ weilen darab unſer Leben hanget/ deſſen Faden abgeſchnitten wird.
Einen ſolchen Tod muͤſſen auch die jenigen außſtehen/ welche in einem von
neuem gaͤhrendem Wein angefüllten Keller eingeſchloſſen ſterben. Nun
kan ſo tahne Wirkungen einer von der Stral verdünnerten Luft eher auß-
ſtehen ein kleines Kind/ als ein erwachſener Menſch. Es ſcheinet diß wun-
derlich/ daß ein ſo zartes Geſchoͤpf/ ein ſchwaches Zweig/ mehr außſtehen ſolle/
als ein erwachſener erharteter Baum. Es wird mir aber Beyfall geben ein
jeder/ der die Geſtalt des menſchlichen Leibs/ und ſonderlich der jungen Kin-
deren verſtehet. Bey diſen hanget das Leben nicht ab von der Kreißbewe-
gung des Gebluͤts durch die Lungen/ weilen diſe verꝛichtet werden kan durch
das ſo genante foramen ovale, oder ablang runde oͤffnung/ und den cana-
liculum arterioſum,
welche in Muterleib das Gebluͤt ohnmittelbar von der
rechten Herzenkammer uͤberfuͤhren in die linke.

Feurige Geiß.

An. 1629. im Junio Abends um 10. Uhr ſahe man zu Zürich eine
hüpfende oder ſpringende Geiß/ (Capra Saltans.) Wagner. Hiſt. Nat.
Helv. p.
361. Diſe Feuer-Geſchicht iſt ganz nahe verwandt mit dem Feurigen
Drach/ und iſt allein die Geſtaltſame verſchieden/ nebſt deme/ daß die Geiß
wol kan vergliechen werden mit einem verbranten Papeir/ in welchem die
Feuerlein noch hin und her/ der noch uͤberig entzuͤndtlichen oͤhlichten Materi
nach/ hüpfen.

Feuriger Drach.

An. 1651. den 7. Jan. nach Mittnacht zwiſchen 1. und 2. Uhren ſahe
man einen Feurigen Drachen von Waͤdiſchweil (am Zürich-See)
gegen Maͤnidorff uͤberfliegen/ und hoͤrte zugleich ein Getoͤß/ gleich einem
anhaltenden Canonſchuß. Wagn. Hiſt. Nat. Helv. p 361.

Stralſchuß in den Geißthurn zu Zuͤrich.

Diſer gevierte/ ſtark aufgemaurte Thurn ſtuhnde auf der Hoͤhe zwiſchen
dem Oberdoͤrffer/ und Linden-Thor/ in der Rinkmaur der groͤſſeren Statt/
ward gebauen An. 955. bey Anlaß der Hungaren/ welche faſt ganz Euro-
pam durchzogen/ als eine gute Hochwacht/ und Nothwehr. Die Hoͤhe diſes
Thurns war von dem See bis zu dem Fundament 90. Schuh/ von dem
Fundament bis unter den Helm 90. Schuhe/ das Tach 25. Jn diſen veſten
Thurn iſt An. 1651. die Munition der Conſtaffel/ und 12. Zuͤnften auß dem
Wolffsthurn bey dem Barfuſſer Kloſter uͤbergetragen und verwahret wor-
den. Bald darauf haben Steinkauzen/ die ſich ſonſt gern in abgebrandtem

Gemaͤur
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[67/0076] und alſo/ weilen darab unſer Leben hanget/ deſſen Faden abgeſchnitten wird. Einen ſolchen Tod muͤſſen auch die jenigen außſtehen/ welche in einem von neuem gaͤhrendem Wein angefüllten Keller eingeſchloſſen ſterben. Nun kan ſo tahne Wirkungen einer von der Stral verdünnerten Luft eher auß- ſtehen ein kleines Kind/ als ein erwachſener Menſch. Es ſcheinet diß wun- derlich/ daß ein ſo zartes Geſchoͤpf/ ein ſchwaches Zweig/ mehr außſtehen ſolle/ als ein erwachſener erharteter Baum. Es wird mir aber Beyfall geben ein jeder/ der die Geſtalt des menſchlichen Leibs/ und ſonderlich der jungen Kin- deren verſtehet. Bey diſen hanget das Leben nicht ab von der Kreißbewe- gung des Gebluͤts durch die Lungen/ weilen diſe verꝛichtet werden kan durch das ſo genante foramen ovale, oder ablang runde oͤffnung/ und den cana- liculum arterioſum, welche in Muterleib das Gebluͤt ohnmittelbar von der rechten Herzenkammer uͤberfuͤhren in die linke. Feurige Geiß. An. 1629. im Junio Abends um 10. Uhr ſahe man zu Zürich eine hüpfende oder ſpringende Geiß/ (Capra Saltans.) Wagner. Hiſt. Nat. Helv. p. 361. Diſe Feuer-Geſchicht iſt ganz nahe verwandt mit dem Feurigen Drach/ und iſt allein die Geſtaltſame verſchieden/ nebſt deme/ daß die Geiß wol kan vergliechen werden mit einem verbranten Papeir/ in welchem die Feuerlein noch hin und her/ der noch uͤberig entzuͤndtlichen oͤhlichten Materi nach/ hüpfen. Feuriger Drach. An. 1651. den 7. Jan. nach Mittnacht zwiſchen 1. und 2. Uhren ſahe man einen Feurigen Drachen von Waͤdiſchweil (am Zürich-See) gegen Maͤnidorff uͤberfliegen/ und hoͤrte zugleich ein Getoͤß/ gleich einem anhaltenden Canonſchuß. Wagn. Hiſt. Nat. Helv. p 361. Stralſchuß in den Geißthurn zu Zuͤrich. Diſer gevierte/ ſtark aufgemaurte Thurn ſtuhnde auf der Hoͤhe zwiſchen dem Oberdoͤrffer/ und Linden-Thor/ in der Rinkmaur der groͤſſeren Statt/ ward gebauen An. 955. bey Anlaß der Hungaren/ welche faſt ganz Euro- pam durchzogen/ als eine gute Hochwacht/ und Nothwehr. Die Hoͤhe diſes Thurns war von dem See bis zu dem Fundament 90. Schuh/ von dem Fundament bis unter den Helm 90. Schuhe/ das Tach 25. Jn diſen veſten Thurn iſt An. 1651. die Munition der Conſtaffel/ und 12. Zuͤnften auß dem Wolffsthurn bey dem Barfuſſer Kloſter uͤbergetragen und verwahret wor- den. Bald darauf haben Steinkauzen/ die ſich ſonſt gern in abgebrandtem Gemaͤur

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten02_1706/76>, abgerufen am 21.11.2024.