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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706.

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(N. 7.)



Seltsamer Naturgeschichten
Des Schweizer-Lands
Wochentliche Erzehlung.


Anhang von dem Züricher-Wein.

DEme/ was zu end des vorgehnden Blatts verdeutet worden/ füge
bey/ daß unsere Landweine einen in gewisser maß außgedehnten Luft/
den wir selbs täglich einathmen/ in sich enthalten/ folglich unseren Lei-
beren angemessener seyn; wie auch den Gemütheren/ weilen wir gewahren/ daß
die Sitten und Gaben der Seelen sich richten nach der beschaffenheit des
Leibes; die Franzosen sind/ wie bekant/ eines geschwinden/ durchtringenden
Geists/ schlucken aber auch insich einen edlen/ starken/ gleichsam gewürzten
Wein; wie leicht lasset es sich hiermit muhtmassen/ daß ein Volk/ welches
einen zwar guten/ aber darbey daurhaften/ erst in dem Keller reiffenden Wein
trinket/ auch seine Gemüts-art neige zu gemächlicher außkochung vorhaben-
der Vernünft-Schlüssen/ und außweichung aller Vorschützigkeit? Rede ich
dißfals zuwenig/ so belieben die verständigen Leser auf sich selbs/ und die Be-
schaffenheit unsers Landes eine mehrere zueignung zumachen auß gegebenem
Grundsatz; rede ich aber zuvil/ so bitte dises urtheil zuzuschreiben einer aner-
bornen schuldigen Liebe zu meinem Vatterland. Noch eines. Es ist oben
gemeldet worden/ wie der Wein in dem Keller bey allgemächlicher außko-
chung seine rauchen irrdischen Theil nach und nach ablege/ welche dann un-
den/ und an den Wänden in die Trusen gehen/ und den Weinstein gestalten;
ich sage auch/ oben. Jn einem sicheren/ vornehmen hiesigen Keller ist ein ed-
ler Meilikummer von A. 1678. bis A. 1693. auf der Trusen gelegen/ und nicht
nur von unten und seitwerts umgeben/ sondern auch oben mit einer Rinde
von Weinstein überzogen worden/ innert welcher gleich als in einem Ge-
wölbesich die sonst flüchtigen Geister haben müssen gefangen geben/ und
folglich disem Wein eine lieblichere stärke zubringen. Auß deme/ was bis-
her von unserem Landwein vorgebracht worden/ ist auch zuschliessen/ das
der neue/ oder nur jährige Wein/ weil er noch nicht von seinen irrdi-

schen
(N. 7.)



Seltſamer Naturgeſchichten
Des Schweizer-Lands
Wochentliche Erzehlung.


Anhang von dem Zuͤricher-Wein.

DEme/ was zu end des vorgehnden Blatts verdeutet worden/ fuͤge
bey/ daß unſere Landweine einen in gewiſſer maß außgedehnten Luft/
den wir ſelbs taͤglich einathmen/ in ſich enthalten/ folglich unſeren Lei-
beren angemeſſener ſeyn; wie auch den Gemuͤtheren/ weilen wir gewahren/ daß
die Sitten und Gaben der Seelen ſich richten nach der beſchaffenheit des
Leibes; die Franzoſen ſind/ wie bekant/ eines geſchwinden/ durchtringenden
Geiſts/ ſchlucken aber auch inſich einen edlen/ ſtarken/ gleichſam gewuͤrzten
Wein; wie leicht laſſet es ſich hiermit muhtmaſſen/ daß ein Volk/ welches
einen zwar guten/ aber darbey daurhaften/ erſt in dem Keller reiffenden Wein
trinket/ auch ſeine Gemuͤts-art neige zu gemaͤchlicher außkochung vorhaben-
der Vernuͤnft-Schluͤſſen/ und außweichung aller Vorſchuͤtzigkeit? Rede ich
dißfals zuwenig/ ſo belieben die verſtaͤndigen Leſer auf ſich ſelbs/ und die Be-
ſchaffenheit unſers Landes eine mehrere zueignung zumachen auß gegebenem
Grundſatz; rede ich aber zuvil/ ſo bitte diſes urtheil zuzuſchreiben einer aner-
bornen ſchuldigen Liebe zu meinem Vatterland. Noch eines. Es iſt oben
gemeldet worden/ wie der Wein in dem Keller bey allgemaͤchlicher außko-
chung ſeine rauchen irꝛdiſchen Theil nach und nach ablege/ welche dann un-
den/ und an den Waͤnden in die Truſen gehen/ und den Weinſtein geſtalten;
ich ſage auch/ oben. Jn einem ſicheren/ vornehmen hieſigen Keller iſt ein ed-
ler Meilikum̃er von A. 1678. bis A. 1693. auf der Truſen gelegen/ und nicht
nur von unten und ſeitwerts umgeben/ ſondern auch oben mit einer Rinde
von Weinſtein uͤberzogen worden/ innert welcher gleich als in einem Ge-
woͤlbeſich die ſonſt fluͤchtigen Geiſter haben muͤſſen gefangen geben/ und
folglich diſem Wein eine lieblichere ſtaͤrke zubringen. Auß deme/ was bis-
her von unſerem Landwein vorgebracht worden/ iſt auch zuſchlieſſen/ das
der neue/ oder nur jaͤhrige Wein/ weil er noch nicht von ſeinen irꝛdi-

ſchen
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[25/0036] (N. 7.) 25. Mart. 1705. Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung. Anhang von dem Zuͤricher-Wein. DEme/ was zu end des vorgehnden Blatts verdeutet worden/ fuͤge bey/ daß unſere Landweine einen in gewiſſer maß außgedehnten Luft/ den wir ſelbs taͤglich einathmen/ in ſich enthalten/ folglich unſeren Lei- beren angemeſſener ſeyn; wie auch den Gemuͤtheren/ weilen wir gewahren/ daß die Sitten und Gaben der Seelen ſich richten nach der beſchaffenheit des Leibes; die Franzoſen ſind/ wie bekant/ eines geſchwinden/ durchtringenden Geiſts/ ſchlucken aber auch inſich einen edlen/ ſtarken/ gleichſam gewuͤrzten Wein; wie leicht laſſet es ſich hiermit muhtmaſſen/ daß ein Volk/ welches einen zwar guten/ aber darbey daurhaften/ erſt in dem Keller reiffenden Wein trinket/ auch ſeine Gemuͤts-art neige zu gemaͤchlicher außkochung vorhaben- der Vernuͤnft-Schluͤſſen/ und außweichung aller Vorſchuͤtzigkeit? Rede ich dißfals zuwenig/ ſo belieben die verſtaͤndigen Leſer auf ſich ſelbs/ und die Be- ſchaffenheit unſers Landes eine mehrere zueignung zumachen auß gegebenem Grundſatz; rede ich aber zuvil/ ſo bitte diſes urtheil zuzuſchreiben einer aner- bornen ſchuldigen Liebe zu meinem Vatterland. Noch eines. Es iſt oben gemeldet worden/ wie der Wein in dem Keller bey allgemaͤchlicher außko- chung ſeine rauchen irꝛdiſchen Theil nach und nach ablege/ welche dann un- den/ und an den Waͤnden in die Truſen gehen/ und den Weinſtein geſtalten; ich ſage auch/ oben. Jn einem ſicheren/ vornehmen hieſigen Keller iſt ein ed- ler Meilikum̃er von A. 1678. bis A. 1693. auf der Truſen gelegen/ und nicht nur von unten und ſeitwerts umgeben/ ſondern auch oben mit einer Rinde von Weinſtein uͤberzogen worden/ innert welcher gleich als in einem Ge- woͤlbeſich die ſonſt fluͤchtigen Geiſter haben muͤſſen gefangen geben/ und folglich diſem Wein eine lieblichere ſtaͤrke zubringen. Auß deme/ was bis- her von unſerem Landwein vorgebracht worden/ iſt auch zuſchlieſſen/ das der neue/ oder nur jaͤhrige Wein/ weil er noch nicht von ſeinen irꝛdi- ſchen

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten01_1706/36>, abgerufen am 21.12.2024.