Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706.

Bild:
<< vorherige Seite
N. 2.)



Seltsamer Naturgeschichten
Des Schweizer-Lands
Wochentliche Erzehlung.


Von einem Gespenst/ welches sich sol auf gehalten haben
auf den Surner-Alpen.

ES ligen dise Alpen zwischen dem Haubtflecken Altorf/ Urner-Ge-
biets/ und der Herrschaft Engelberg/ und kommet man dahin
von Urj durch die Alp Waldnacht/ auf die oberste Spitze des
Bergs Surenen-Eck genant/ dessen höhe über den Flecken Altorff in ei-
ner A. 1702. gethanen Reise gefunden/ 3280. Schuhe/ das wil sagen
16. bis 17. Münsterthürne/ deren je einer über den anderen stuhnde. Jen-
seit der Eck finden sich die weidreichen Surener- oder Surner-Alpen/
in welchen sich sol vor etlich hundert Jahren zugetragen haben folgende Ge-
schicht. Ein Alpler/ wie die Urner und Engelberger vorgeben/ sol ein ge-
wisses Schaff von seiner Herde so sehr geliebet haben/ daß er es nach Christ-
lichem Gebrauch (eine zulesen und zuhören erschrockenliche Sach) getauf-
fet habe. Was geschiehet? Es wird auß gerechtem Gericht Gottes dises
Schaff verwandelt in ein so grausames Ungeheuer/ welches Tag und Nacht
dem übrigen allda weidenden Viehe so zugesetzet/ daß endlich dise Alpen
zu einer öden Wildnuß/ und von dem Gottshauß Engelberg an das Löb-
liche Ort Urj um einen geringen wehrt verkauffet worden. Disem unwehr-
ten Gast abzukommen/ haben die Urner auß einrathen eines fahrenden Schu-
lers (von welcher Zauber-Gesellschaft Wagenseil. Per Juvenil. Sy-
nops. Geograph. pag.
101. berichtet/ daß sie zu Salamanca in Spa-
nien von dem Teufel selbs/ als ihrem Professore unterrichtet worden) ein
Kalb neun Jahre nach einander ernehret mit Milch/ das erste Jahr zwahr
von einer Kuhe/ das andere von zwoen/ das dritte von dreyen/ und so

fort;
N. 2.)



Seltſamer Naturgeſchichten
Des Schweizer-Lands
Wochentliche Erzehlung.


Von einem Geſpenſt/ welches ſich ſol auf gehalten haben
auf den Surner-Alpen.

ES ligen diſe Alpen zwiſchen dem Haubtflecken Altorf/ Urner-Ge-
biets/ und der Herꝛſchaft Engelberg/ und kommet man dahin
von Urj durch die Alp Waldnacht/ auf die oberſte Spitze des
Bergs Surenen-Eck genant/ deſſen hoͤhe uͤber den Flecken Altorff in ei-
ner A. 1702. gethanen Reiſe gefunden/ 3280. Schuhe/ das wil ſagen
16. bis 17. Muͤnſterthuͤrne/ deren je einer uͤber den anderen ſtuhnde. Jen-
ſeit der Eck finden ſich die weidreichen Surener- oder Surner-Alpen/
in welchen ſich ſol vor etlich hundert Jahren zugetragen haben folgende Ge-
ſchicht. Ein Alpler/ wie die Urner und Engelberger vorgeben/ ſol ein ge-
wiſſes Schaff von ſeiner Herde ſo ſehr geliebet haben/ daß er es nach Chriſt-
lichem Gebrauch (eine zuleſen und zuhoͤren erſchrockenliche Sach) getauf-
fet habe. Was geſchiehet? Es wird auß gerechtem Gericht Gottes diſes
Schaff verwandelt in ein ſo grauſames Ungeheuer/ welches Tag und Nacht
dem uͤbrigen allda weidenden Viehe ſo zugeſetzet/ daß endlich diſe Alpen
zu einer oͤden Wildnuß/ und von dem Gottshauß Engelberg an das Loͤb-
liche Ort Urj um einen geringen wehrt verkauffet worden. Diſem unwehr-
ten Gaſt abzukom̃en/ haben die Urner auß einrathen eines fahrenden Schu-
lers (von welcher Zauber-Geſellſchaft Wagenſeil. Per Juvenil. Sy-
nops. Geograph. pag.
101. berichtet/ daß ſie zu Salamanca in Spa-
nien von dem Teufel ſelbs/ als ihrem Profeſſore unterꝛichtet worden) ein
Kalb neun Jahre nach einander ernehret mit Milch/ das erſte Jahr zwahr
von einer Kuhe/ das andere von zwoen/ das dritte von dreyen/ und ſo

fort;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0016" n="5"/>
      <fw place="top" type="header">N. 2.)</fw>
      <div n="1">
        <dateline> <hi rendition="#et">18. <hi rendition="#aq">Febr.</hi> 1705.</hi> </dateline><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <head> <hi rendition="#b">Selt&#x017F;amer Naturge&#x017F;chichten</hi><lb/> <hi rendition="#fr">Des Schweizer-Lands</hi><lb/> <hi rendition="#b">Wochentliche Erzehlung.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head>Von einem Ge&#x017F;pen&#x017F;t/ welches &#x017F;ich &#x017F;ol auf gehalten haben<lb/>
auf den Surner-Alpen.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">E</hi>S ligen di&#x017F;e Alpen zwi&#x017F;chen dem Haubtflecken <hi rendition="#fr">Altorf/</hi> Urner-Ge-<lb/>
biets/ und der Her&#xA75B;&#x017F;chaft <hi rendition="#fr">Engelberg/</hi> und kommet man dahin<lb/>
von Urj durch die Alp <hi rendition="#fr">Waldnacht/</hi> auf die ober&#x017F;te Spitze des<lb/>
Bergs <hi rendition="#fr">Surenen-Eck</hi> genant/ de&#x017F;&#x017F;en ho&#x0364;he u&#x0364;ber den Flecken Altorff in ei-<lb/>
ner <hi rendition="#aq">A.</hi> 1702. gethanen Rei&#x017F;e gefunden/ 3280. Schuhe/ das wil &#x017F;agen<lb/>
16. bis 17. Mu&#x0364;n&#x017F;terthu&#x0364;rne/ deren je einer u&#x0364;ber den anderen &#x017F;tuhnde. Jen-<lb/>
&#x017F;eit der <hi rendition="#fr">Eck</hi> finden &#x017F;ich die weidreichen <hi rendition="#fr">Surener-</hi> oder <hi rendition="#fr">Surner-Alpen/</hi><lb/>
in welchen &#x017F;ich &#x017F;ol vor etlich hundert Jahren zugetragen haben folgende Ge-<lb/>
&#x017F;chicht. Ein Alpler/ wie die Urner und Engelberger vorgeben/ &#x017F;ol ein ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;es Schaff von &#x017F;einer Herde &#x017F;o &#x017F;ehr geliebet haben/ daß er es nach Chri&#x017F;t-<lb/>
lichem Gebrauch (eine zule&#x017F;en und zuho&#x0364;ren er&#x017F;chrockenliche Sach) getauf-<lb/>
fet habe. Was ge&#x017F;chiehet? Es wird auß gerechtem Gericht Gottes di&#x017F;es<lb/>
Schaff verwandelt in ein &#x017F;o grau&#x017F;ames Ungeheuer/ welches Tag und Nacht<lb/>
dem u&#x0364;brigen allda weidenden Viehe &#x017F;o zuge&#x017F;etzet/ daß endlich di&#x017F;e Alpen<lb/>
zu einer o&#x0364;den Wildnuß/ und von dem Gottshauß Engelberg an das Lo&#x0364;b-<lb/>
liche Ort Urj um einen geringen wehrt verkauffet worden. Di&#x017F;em unwehr-<lb/>
ten Ga&#x017F;t abzukom&#x0303;en/ haben die Urner auß einrathen eines fahrenden Schu-<lb/>
lers (von welcher Zauber-Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft <hi rendition="#aq">Wagen&#x017F;eil. Per Juvenil. Sy-<lb/>
nops. Geograph. pag.</hi> 101. berichtet/ daß &#x017F;ie zu Salamanca in Spa-<lb/>
nien von dem Teufel &#x017F;elbs/ als ihrem <hi rendition="#aq">Profe&#x017F;&#x017F;ore</hi> unter&#xA75B;ichtet worden) ein<lb/>
Kalb neun Jahre nach einander ernehret mit Milch/ das er&#x017F;te Jahr zwahr<lb/>
von einer Kuhe/ das andere von zwoen/ das dritte von dreyen/ und &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fort;</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0016] N. 2.) 18. Febr. 1705. Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung. Von einem Geſpenſt/ welches ſich ſol auf gehalten haben auf den Surner-Alpen. ES ligen diſe Alpen zwiſchen dem Haubtflecken Altorf/ Urner-Ge- biets/ und der Herꝛſchaft Engelberg/ und kommet man dahin von Urj durch die Alp Waldnacht/ auf die oberſte Spitze des Bergs Surenen-Eck genant/ deſſen hoͤhe uͤber den Flecken Altorff in ei- ner A. 1702. gethanen Reiſe gefunden/ 3280. Schuhe/ das wil ſagen 16. bis 17. Muͤnſterthuͤrne/ deren je einer uͤber den anderen ſtuhnde. Jen- ſeit der Eck finden ſich die weidreichen Surener- oder Surner-Alpen/ in welchen ſich ſol vor etlich hundert Jahren zugetragen haben folgende Ge- ſchicht. Ein Alpler/ wie die Urner und Engelberger vorgeben/ ſol ein ge- wiſſes Schaff von ſeiner Herde ſo ſehr geliebet haben/ daß er es nach Chriſt- lichem Gebrauch (eine zuleſen und zuhoͤren erſchrockenliche Sach) getauf- fet habe. Was geſchiehet? Es wird auß gerechtem Gericht Gottes diſes Schaff verwandelt in ein ſo grauſames Ungeheuer/ welches Tag und Nacht dem uͤbrigen allda weidenden Viehe ſo zugeſetzet/ daß endlich diſe Alpen zu einer oͤden Wildnuß/ und von dem Gottshauß Engelberg an das Loͤb- liche Ort Urj um einen geringen wehrt verkauffet worden. Diſem unwehr- ten Gaſt abzukom̃en/ haben die Urner auß einrathen eines fahrenden Schu- lers (von welcher Zauber-Geſellſchaft Wagenſeil. Per Juvenil. Sy- nops. Geograph. pag. 101. berichtet/ daß ſie zu Salamanca in Spa- nien von dem Teufel ſelbs/ als ihrem Profeſſore unterꝛichtet worden) ein Kalb neun Jahre nach einander ernehret mit Milch/ das erſte Jahr zwahr von einer Kuhe/ das andere von zwoen/ das dritte von dreyen/ und ſo fort;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten01_1706
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten01_1706/16
Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten01_1706/16>, abgerufen am 03.12.2024.