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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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chen zu erkennen, eines Tages steht der Feind vor den Thoren, oder
der Thronfolger ist den Blauen und Grünen des Circus nicht genehm,
der Aufstand tobt durch die Straßen, und die deutsche Herzogstochter
wird geblendet in's Kloster gesteckt ... Was frommt's ihr dann, daß
ihre Kinder schon in der Wiege mit dem Titel Alleredelster be-
grüßt wurden? Praxedis, ich weiß warum ich nicht nach Constanti-
nopolis ging.

Der Kaiser ist der Herr der Welt, sprach die Griechin; was der
Wille seiner Ewigkeit ordnet, ist wohlgethan: so hat man mich ge-
lehrt.

Hast du auch schon drüber nachgedacht, daß es dem Menschen ein
kostbar Gut ist, sein eigner Herr zu sein?

Nein, sprach Praxedis.

Das angeregte Gespräch behagte der Herzogin.

Was hat denn, fuhr sie fort, Euer byzantiner Maler für einen
Bescheid heimgebracht, da er mein Conterfei fertigen sollte?

Die Griechin schien die Frage überhört zu haben. Sie hatte sich
erhoben und stand am Fenster.

Praxedis, sprach Frau Hadwig scharf, antworte!

Da lächelte die Gefragte mild und sagte: Das ist schon eine lange
Zeit her, aber Herr Michael Thallelaios hat wenig Gutes von Euch
gesprochen. Die schönsten Farben habe er bereit gehalten, so erzählt'
er uns; und die feinsten Goldblättchen, Ihr seied ein reizend Kind
gewesen, wie man Euch zum Gemaltwerden vor ihn führte, und es
hab' ihn feierlich angemuthet, als sollt er seine ganze Kunst zusammen-
nehmen, wie damals als er die Mutter Gottes für's Athoskloster
malte. Aber die Prinzessin Hadwig hätten geruht, die Augen zu ver-
drehen, und wie er eine bescheidene Einwendung erhoben, hätten Eure
Gnaden die Zunge gewiesen und beide Hände mit gestreckten Fingern
an die Nase gehalten, und in anmuthig gebrochenem Griechisch gesagt,
das sei die rechte Stellung.

Der Herr Hofmaler nahm Veranlassung, Vieles über den Mangel
an Bildung in deutschen Landen dran zu knüpfen, und hat einen
hohen Schwur gethan, daß er zeitlebens dort kein Fräulein mehr malen
wolle. Und der Kaiser Basilius hat auf den Bericht hin grimmig in
Bart gebrummt ...8)

chen zu erkennen, eines Tages ſteht der Feind vor den Thoren, oder
der Thronfolger iſt den Blauen und Grünen des Circus nicht genehm,
der Aufſtand tobt durch die Straßen, und die deutſche Herzogstochter
wird geblendet in's Kloſter geſteckt ... Was frommt's ihr dann, daß
ihre Kinder ſchon in der Wiege mit dem Titel Alleredelſter be-
grüßt wurden? Praxedis, ich weiß warum ich nicht nach Conſtanti-
nopolis ging.

Der Kaiſer iſt der Herr der Welt, ſprach die Griechin; was der
Wille ſeiner Ewigkeit ordnet, iſt wohlgethan: ſo hat man mich ge-
lehrt.

Haſt du auch ſchon drüber nachgedacht, daß es dem Menſchen ein
koſtbar Gut iſt, ſein eigner Herr zu ſein?

Nein, ſprach Praxedis.

Das angeregte Geſpräch behagte der Herzogin.

Was hat denn, fuhr ſie fort, Euer byzantiner Maler für einen
Beſcheid heimgebracht, da er mein Conterfei fertigen ſollte?

Die Griechin ſchien die Frage überhört zu haben. Sie hatte ſich
erhoben und ſtand am Fenſter.

Praxedis, ſprach Frau Hadwig ſcharf, antworte!

Da lächelte die Gefragte mild und ſagte: Das iſt ſchon eine lange
Zeit her, aber Herr Michael Thallelaios hat wenig Gutes von Euch
geſprochen. Die ſchönſten Farben habe er bereit gehalten, ſo erzählt'
er uns; und die feinſten Goldblättchen, Ihr ſeied ein reizend Kind
geweſen, wie man Euch zum Gemaltwerden vor ihn führte, und es
hab' ihn feierlich angemuthet, als ſollt er ſeine ganze Kunſt zuſammen-
nehmen, wie damals als er die Mutter Gottes für's Athoskloſter
malte. Aber die Prinzeſſin Hadwig hätten geruht, die Augen zu ver-
drehen, und wie er eine beſcheidene Einwendung erhoben, hätten Eure
Gnaden die Zunge gewieſen und beide Hände mit geſtreckten Fingern
an die Naſe gehalten, und in anmuthig gebrochenem Griechiſch geſagt,
das ſei die rechte Stellung.

Der Herr Hofmaler nahm Veranlaſſung, Vieles über den Mangel
an Bildung in deutſchen Landen dran zu knüpfen, und hat einen
hohen Schwur gethan, daß er zeitlebens dort kein Fräulein mehr malen
wolle. Und der Kaiſer Baſilius hat auf den Bericht hin grimmig in
Bart gebrummt ...8)

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[8/0030] chen zu erkennen, eines Tages ſteht der Feind vor den Thoren, oder der Thronfolger iſt den Blauen und Grünen des Circus nicht genehm, der Aufſtand tobt durch die Straßen, und die deutſche Herzogstochter wird geblendet in's Kloſter geſteckt ... Was frommt's ihr dann, daß ihre Kinder ſchon in der Wiege mit dem Titel Alleredelſter be- grüßt wurden? Praxedis, ich weiß warum ich nicht nach Conſtanti- nopolis ging. Der Kaiſer iſt der Herr der Welt, ſprach die Griechin; was der Wille ſeiner Ewigkeit ordnet, iſt wohlgethan: ſo hat man mich ge- lehrt. Haſt du auch ſchon drüber nachgedacht, daß es dem Menſchen ein koſtbar Gut iſt, ſein eigner Herr zu ſein? Nein, ſprach Praxedis. Das angeregte Geſpräch behagte der Herzogin. Was hat denn, fuhr ſie fort, Euer byzantiner Maler für einen Beſcheid heimgebracht, da er mein Conterfei fertigen ſollte? Die Griechin ſchien die Frage überhört zu haben. Sie hatte ſich erhoben und ſtand am Fenſter. Praxedis, ſprach Frau Hadwig ſcharf, antworte! Da lächelte die Gefragte mild und ſagte: Das iſt ſchon eine lange Zeit her, aber Herr Michael Thallelaios hat wenig Gutes von Euch geſprochen. Die ſchönſten Farben habe er bereit gehalten, ſo erzählt' er uns; und die feinſten Goldblättchen, Ihr ſeied ein reizend Kind geweſen, wie man Euch zum Gemaltwerden vor ihn führte, und es hab' ihn feierlich angemuthet, als ſollt er ſeine ganze Kunſt zuſammen- nehmen, wie damals als er die Mutter Gottes für's Athoskloſter malte. Aber die Prinzeſſin Hadwig hätten geruht, die Augen zu ver- drehen, und wie er eine beſcheidene Einwendung erhoben, hätten Eure Gnaden die Zunge gewieſen und beide Hände mit geſtreckten Fingern an die Naſe gehalten, und in anmuthig gebrochenem Griechiſch geſagt, das ſei die rechte Stellung. Der Herr Hofmaler nahm Veranlaſſung, Vieles über den Mangel an Bildung in deutſchen Landen dran zu knüpfen, und hat einen hohen Schwur gethan, daß er zeitlebens dort kein Fräulein mehr malen wolle. Und der Kaiſer Baſilius hat auf den Bericht hin grimmig in Bart gebrummt ... ⁸⁾

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/30>, abgerufen am 26.04.2024.