Charfreitagmorgen war angebrochen. Des Erlösers Todestag ward heute auf dem hohen Twiel nicht in der stillen Weise begangen, wie es der Kirche Vorschrift heischte. Des alten Moengal Ankunft hatte alle Zweifel gelöst, ob der Feind herannahe; noch in später Nacht hatten sie Kriegsrath gehalten und waren eins geworden, den Hunnen entgegen zu rücken und sie in offenem Feldstreit zu bestehen.
Trüb ging die Sonne auf, bald war sie wieder verhüllt. Sturm- wind zog über's Land und jagte das Gewölk, daß es sich über den fernen Bodensee niedersenkte, als wenn Wasser und Luft eins werden wollten. Dann und wann schlug ein Sonnenstrahl durch; es war des Frühlings noch unentschiedener Kampf mit des Winters Gewalten. Die Männer hatten sich vom Lager erhoben und rüsteten zu des ernsten Tages Arbeit.
In seiner Thurmstube ging Ekkehard schweigsam auf und nieder, die Hände zum Gebet gefaltet. Ein ehrenvoller Auftrag war ihm geworden. Er sollte zum versammelten Kriegsvolke die Predigt hal- ten, bevor man auszöge zum Streit: da betete er um Stärke und muthigen Flug der Gedanken, daß sein Wort werde zum glühenden Funken, der in Aller Herz die Flamme der Streitlust entfache.
Plötzlich that sich die Thüre seines Gemaches auf. Herein trat die Herzogin ohne Praxedis' Begleitung; einen faltigen Mantel hatte sie über das Morgengewand umgeworfen, als Schutz gegen die Kühle der Frühstunde, vielleicht auch daß sie den fremden Gästen unerkannt sein wollte, wie sie zum Thurme schritt. Ein leicht Erröthen über- flog sie, wie sie allein ihrem jungen Lehrer gegenüber stand.
Ihr zieht heute mit in den Kampf? fragte sie.
Ich ziehe mit, sprach Ekkehard.
12*
Vierzehntes Kapitel. Die Hunnenſchlacht.
Charfreitagmorgen war angebrochen. Des Erlöſers Todestag ward heute auf dem hohen Twiel nicht in der ſtillen Weiſe begangen, wie es der Kirche Vorſchrift heiſchte. Des alten Moengal Ankunft hatte alle Zweifel gelöst, ob der Feind herannahe; noch in ſpäter Nacht hatten ſie Kriegsrath gehalten und waren eins geworden, den Hunnen entgegen zu rücken und ſie in offenem Feldſtreit zu beſtehen.
Trüb ging die Sonne auf, bald war ſie wieder verhüllt. Sturm- wind zog über's Land und jagte das Gewölk, daß es ſich über den fernen Bodenſee niederſenkte, als wenn Waſſer und Luft eins werden wollten. Dann und wann ſchlug ein Sonnenſtrahl durch; es war des Frühlings noch unentſchiedener Kampf mit des Winters Gewalten. Die Männer hatten ſich vom Lager erhoben und rüſteten zu des ernſten Tages Arbeit.
In ſeiner Thurmſtube ging Ekkehard ſchweigſam auf und nieder, die Hände zum Gebet gefaltet. Ein ehrenvoller Auftrag war ihm geworden. Er ſollte zum verſammelten Kriegsvolke die Predigt hal- ten, bevor man auszöge zum Streit: da betete er um Stärke und muthigen Flug der Gedanken, daß ſein Wort werde zum glühenden Funken, der in Aller Herz die Flamme der Streitluſt entfache.
Plötzlich that ſich die Thüre ſeines Gemaches auf. Herein trat die Herzogin ohne Praxedis' Begleitung; einen faltigen Mantel hatte ſie über das Morgengewand umgeworfen, als Schutz gegen die Kühle der Frühſtunde, vielleicht auch daß ſie den fremden Gäſten unerkannt ſein wollte, wie ſie zum Thurme ſchritt. Ein leicht Erröthen über- flog ſie, wie ſie allein ihrem jungen Lehrer gegenüber ſtand.
Ihr zieht heute mit in den Kampf? fragte ſie.
Ich ziehe mit, ſprach Ekkehard.
12*
<TEI><text><body><pbfacs="#f0201"n="179"/><divn="1"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Vierzehntes Kapitel</hi>.<lb/>
Die Hunnenſchlacht.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Charfreitagmorgen war angebrochen. Des Erlöſers Todestag ward<lb/>
heute auf dem hohen Twiel nicht in der ſtillen Weiſe begangen, wie<lb/>
es der Kirche Vorſchrift heiſchte. Des alten Moengal Ankunft hatte<lb/>
alle Zweifel gelöst, ob der Feind herannahe; noch in ſpäter Nacht<lb/>
hatten ſie Kriegsrath gehalten und waren eins geworden, den Hunnen<lb/>
entgegen zu rücken und ſie in offenem Feldſtreit zu beſtehen.</p><lb/><p>Trüb ging die Sonne auf, bald war ſie wieder verhüllt. Sturm-<lb/>
wind zog über's Land und jagte das Gewölk, daß es ſich über den<lb/>
fernen Bodenſee niederſenkte, als wenn Waſſer und Luft eins werden<lb/>
wollten. Dann und wann ſchlug ein Sonnenſtrahl durch; es war des<lb/>
Frühlings noch unentſchiedener Kampf mit des Winters Gewalten.<lb/>
Die Männer hatten ſich vom Lager erhoben und rüſteten zu des<lb/>
ernſten Tages Arbeit.</p><lb/><p>In ſeiner Thurmſtube ging Ekkehard ſchweigſam auf und nieder,<lb/>
die Hände zum Gebet gefaltet. Ein ehrenvoller Auftrag war ihm<lb/>
geworden. Er ſollte zum verſammelten Kriegsvolke die Predigt hal-<lb/>
ten, bevor man auszöge zum Streit: da betete er um Stärke und<lb/>
muthigen Flug der Gedanken, daß ſein Wort werde zum glühenden<lb/>
Funken, der in Aller Herz die Flamme der Streitluſt entfache.</p><lb/><p>Plötzlich that ſich die Thüre ſeines Gemaches auf. Herein trat<lb/>
die Herzogin ohne Praxedis' Begleitung; einen faltigen Mantel hatte<lb/>ſie über das Morgengewand umgeworfen, als Schutz gegen die Kühle<lb/>
der Frühſtunde, vielleicht auch daß ſie den fremden Gäſten unerkannt<lb/>ſein wollte, wie ſie zum Thurme ſchritt. Ein leicht Erröthen über-<lb/>
flog ſie, wie ſie allein ihrem jungen Lehrer gegenüber ſtand.</p><lb/><p>Ihr zieht heute mit in den Kampf? fragte ſie.</p><lb/><p>Ich ziehe mit, ſprach Ekkehard.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">12*</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[179/0201]
Vierzehntes Kapitel.
Die Hunnenſchlacht.
Charfreitagmorgen war angebrochen. Des Erlöſers Todestag ward
heute auf dem hohen Twiel nicht in der ſtillen Weiſe begangen, wie
es der Kirche Vorſchrift heiſchte. Des alten Moengal Ankunft hatte
alle Zweifel gelöst, ob der Feind herannahe; noch in ſpäter Nacht
hatten ſie Kriegsrath gehalten und waren eins geworden, den Hunnen
entgegen zu rücken und ſie in offenem Feldſtreit zu beſtehen.
Trüb ging die Sonne auf, bald war ſie wieder verhüllt. Sturm-
wind zog über's Land und jagte das Gewölk, daß es ſich über den
fernen Bodenſee niederſenkte, als wenn Waſſer und Luft eins werden
wollten. Dann und wann ſchlug ein Sonnenſtrahl durch; es war des
Frühlings noch unentſchiedener Kampf mit des Winters Gewalten.
Die Männer hatten ſich vom Lager erhoben und rüſteten zu des
ernſten Tages Arbeit.
In ſeiner Thurmſtube ging Ekkehard ſchweigſam auf und nieder,
die Hände zum Gebet gefaltet. Ein ehrenvoller Auftrag war ihm
geworden. Er ſollte zum verſammelten Kriegsvolke die Predigt hal-
ten, bevor man auszöge zum Streit: da betete er um Stärke und
muthigen Flug der Gedanken, daß ſein Wort werde zum glühenden
Funken, der in Aller Herz die Flamme der Streitluſt entfache.
Plötzlich that ſich die Thüre ſeines Gemaches auf. Herein trat
die Herzogin ohne Praxedis' Begleitung; einen faltigen Mantel hatte
ſie über das Morgengewand umgeworfen, als Schutz gegen die Kühle
der Frühſtunde, vielleicht auch daß ſie den fremden Gäſten unerkannt
ſein wollte, wie ſie zum Thurme ſchritt. Ein leicht Erröthen über-
flog ſie, wie ſie allein ihrem jungen Lehrer gegenüber ſtand.
Ihr zieht heute mit in den Kampf? fragte ſie.
Ich ziehe mit, ſprach Ekkehard.
12*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/201>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.