Dies Buch ward verfaßt in dem guten Glauben, daß es weder der Geschichtschreibung noch der Poesie etwas schaden kann, wenn sie innige Freundschaft mit einander schließen und sich zu gemeinsamer Arbeit vereinen.
Seit Jahrzehnten ist die Hinterlassenschaft unserer Vorfahren Gegenstand allseitiger Forschung; ein Schwarm fröhlicher Maul- würfe hat den Boden des Mittelalters nach allen Richtungen durchwühlt und in fleißiger Bergmannsarbeit eine solche Masse alten Stoffes zu Tage gefördert, daß die Sammelnden oft selbst davor erstaunten: eine ganze, schöne, in sich abgeschlossene Literatur, eine Fülle von Denkmalen bildender Kunst, ein organisch in sich aufgebautes politisches und sociales Leben liegt ausgebreitet vor unsern Augen. Und doch ist es all der guten auf diese Bestre- bungen gerichteten Kraft kaum gelungen, die Freude am geschicht- lichen Verständniß auch in weitere Kreise zu tragen; die zahl- losen Bände stehen ruhig auf den Brettern unserer Bibliotheken, da und dort hat sich schon wieder gedeihliches Spinnweb angesetzt und der Staub, der mitleidlos Alles bedeckende, ist auch nicht ausgeblieben, so daß der Gedanke nicht zu den undenkbaren ge- hört, die ganze altdeutsche Herrlichkeit, kaum erst ans Tageslicht
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 30
Vorwort.
Dies Buch ward verfaßt in dem guten Glauben, daß es weder der Geſchichtſchreibung noch der Poeſie etwas ſchaden kann, wenn ſie innige Freundſchaft mit einander ſchließen und ſich zu gemeinſamer Arbeit vereinen.
Seit Jahrzehnten iſt die Hinterlaſſenſchaft unſerer Vorfahren Gegenſtand allſeitiger Forſchung; ein Schwarm fröhlicher Maul- würfe hat den Boden des Mittelalters nach allen Richtungen durchwühlt und in fleißiger Bergmannsarbeit eine ſolche Maſſe alten Stoffes zu Tage gefördert, daß die Sammelnden oft ſelbſt davor erſtaunten: eine ganze, ſchöne, in ſich abgeſchloſſene Literatur, eine Fülle von Denkmalen bildender Kunſt, ein organiſch in ſich aufgebautes politiſches und ſociales Leben liegt ausgebreitet vor unſern Augen. Und doch iſt es all der guten auf dieſe Beſtre- bungen gerichteten Kraft kaum gelungen, die Freude am geſchicht- lichen Verſtändniß auch in weitere Kreiſe zu tragen; die zahl- loſen Bände ſtehen ruhig auf den Brettern unſerer Bibliotheken, da und dort hat ſich ſchon wieder gedeihliches Spinnweb angeſetzt und der Staub, der mitleidlos Alles bedeckende, iſt auch nicht ausgeblieben, ſo daß der Gedanke nicht zu den undenkbaren ge- hört, die ganze altdeutſche Herrlichkeit, kaum erſt ans Tageslicht
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 30
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Vorwort.
Dies Buch ward verfaßt in dem guten Glauben, daß es
weder der Geſchichtſchreibung noch der Poeſie etwas ſchaden kann,
wenn ſie innige Freundſchaft mit einander ſchließen und ſich zu
gemeinſamer Arbeit vereinen.
Seit Jahrzehnten iſt die Hinterlaſſenſchaft unſerer Vorfahren
Gegenſtand allſeitiger Forſchung; ein Schwarm fröhlicher Maul-
würfe hat den Boden des Mittelalters nach allen Richtungen
durchwühlt und in fleißiger Bergmannsarbeit eine ſolche Maſſe
alten Stoffes zu Tage gefördert, daß die Sammelnden oft ſelbſt
davor erſtaunten: eine ganze, ſchöne, in ſich abgeſchloſſene Literatur,
eine Fülle von Denkmalen bildender Kunſt, ein organiſch in ſich
aufgebautes politiſches und ſociales Leben liegt ausgebreitet vor
unſern Augen. Und doch iſt es all der guten auf dieſe Beſtre-
bungen gerichteten Kraft kaum gelungen, die Freude am geſchicht-
lichen Verſtändniß auch in weitere Kreiſe zu tragen; die zahl-
loſen Bände ſtehen ruhig auf den Brettern unſerer Bibliotheken,
da und dort hat ſich ſchon wieder gedeihliches Spinnweb angeſetzt
und der Staub, der mitleidlos Alles bedeckende, iſt auch nicht
ausgeblieben, ſo daß der Gedanke nicht zu den undenkbaren ge-
hört, die ganze altdeutſche Herrlichkeit, kaum erſt ans Tageslicht
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 30
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/11>, abgerufen am 22.12.2024.
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