Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite


[M]an nahm die Wette an, und wartete voller
Schadenfreude auf die Ausführung. Bald ka-
men zwey Damen. Alle Augen sind auf den
Wagehals gerichtet, und damit er sich nicht an-
ders besinnen soll, erhitzen sie vollends seinen Ehr-
geiz durch Zweifel an seinen Muth. Die Damen
kommen näher, der Kerl springt auf sie zu, greift
die eine davon, und thut, was er zu thun ver-
sprochen hat. Die Dame, außer sich vor Schaam
und Wuth, fällt ihm in die Haare, ihre Beglei-
terin thut dasselbe, sie schreyen und halten ihn fest,
daß er sich nicht unter das Getümmel der übrigen
Bedienten verlieren kann. Es kommen ihnen eini-
ge Herren zu Hülfe, und man erkennt in ihnen
die Prinzessin von Armagnac und die Marqui-
se
von Villequier. Die Prinzessin hatte den
Schilling bekommen. Der Kerl sollte gehenkt
werden, kam aber mit dem Halseisen und den
Galeeren davon.

Jn "Geron dem Biederherzigen" schil-
dert Wieland einen Uebermüthigen in der Per-
son des Herrn Flaunz sehr treffend auf folgende
Weise:

Und nahe bey der Burg begegnete
Den beyden Freunden*) auf dem Plan Herr
Flaunz,
Ein
*) Geron und Danayn, die zusammen zum Turnier
zogen.
Ff 4


[M]an nahm die Wette an, und wartete voller
Schadenfreude auf die Ausfuͤhrung. Bald ka-
men zwey Damen. Alle Augen ſind auf den
Wagehals gerichtet, und damit er ſich nicht an-
ders beſinnen ſoll, erhitzen ſie vollends ſeinen Ehr-
geiz durch Zweifel an ſeinen Muth. Die Damen
kommen naͤher, der Kerl ſpringt auf ſie zu, greift
die eine davon, und thut, was er zu thun ver-
ſprochen hat. Die Dame, außer ſich vor Schaam
und Wuth, faͤllt ihm in die Haare, ihre Beglei-
terin thut daſſelbe, ſie ſchreyen und halten ihn feſt,
daß er ſich nicht unter das Getuͤmmel der uͤbrigen
Bedienten verlieren kann. Es kommen ihnen eini-
ge Herren zu Huͤlfe, und man erkennt in ihnen
die Prinzeſſin von Armagnac und die Marqui-
ſe
von Villequier. Die Prinzeſſin hatte den
Schilling bekommen. Der Kerl ſollte gehenkt
werden, kam aber mit dem Halseiſen und den
Galeeren davon.

Jn „Geron dem Biederherzigen„ ſchil-
dert Wieland einen Uebermuͤthigen in der Per-
ſon des Herrn Flaunz ſehr treffend auf folgende
Weiſe:

Und nahe bey der Burg begegnete
Den beyden Freunden*) auf dem Plan Herr
Flaunz,
Ein
*) Geron und Danayn, die zuſammen zum Turnier
zogen.
Ff 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0171" n="455"/><lb/><supplied>M</supplied>an nahm die Wette an, und wartete voller<lb/>
Schadenfreude auf die Ausfu&#x0364;hrung. Bald ka-<lb/>
men zwey Damen. Alle Augen &#x017F;ind auf den<lb/>
Wagehals gerichtet, und damit er &#x017F;ich nicht an-<lb/>
ders be&#x017F;innen &#x017F;oll, erhitzen &#x017F;ie vollends &#x017F;einen Ehr-<lb/>
geiz durch Zweifel an &#x017F;einen Muth. Die Damen<lb/>
kommen na&#x0364;her, der Kerl &#x017F;pringt auf &#x017F;ie zu, greift<lb/>
die eine davon, und thut, was er zu thun ver-<lb/>
&#x017F;prochen hat. Die Dame, außer &#x017F;ich vor Schaam<lb/>
und Wuth, fa&#x0364;llt ihm in die Haare, ihre Beglei-<lb/>
terin thut da&#x017F;&#x017F;elbe, &#x017F;ie &#x017F;chreyen und halten ihn fe&#x017F;t,<lb/>
daß er &#x017F;ich nicht unter das Getu&#x0364;mmel der u&#x0364;brigen<lb/>
Bedienten verlieren kann. Es kommen ihnen eini-<lb/>
ge Herren zu Hu&#x0364;lfe, und man erkennt in ihnen<lb/>
die <hi rendition="#b">Prinze&#x017F;&#x017F;in</hi> von <hi rendition="#b">Armagnac</hi> und die <hi rendition="#b">Marqui-<lb/>
&#x017F;e</hi> von <hi rendition="#b">Villequier</hi>. Die Prinze&#x017F;&#x017F;in hatte den<lb/>
Schilling bekommen. Der Kerl &#x017F;ollte gehenkt<lb/>
werden, kam aber mit dem Halsei&#x017F;en und den<lb/>
Galeeren davon.</p><lb/>
        <p>Jn &#x201E;<hi rendition="#b">Geron dem Biederherzigen</hi>&#x201E; &#x017F;chil-<lb/>
dert <hi rendition="#b">Wieland</hi> einen Uebermu&#x0364;thigen in der Per-<lb/>
&#x017F;on des Herrn <hi rendition="#b">Flaunz</hi> &#x017F;ehr treffend auf folgende<lb/>
Wei&#x017F;e:</p><lb/>
        <cit>
          <quote> <hi rendition="#et">Und nahe bey der Burg begegnete<lb/>
Den beyden Freunden<note place="foot" n="*)">Geron und Danayn, die zu&#x017F;ammen zum Turnier<lb/>
zogen.</note> auf dem Plan Herr<lb/><hi rendition="#et">Flaunz,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Ff 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Ein</fw><lb/></hi> </quote>
        </cit>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[455/0171] Man nahm die Wette an, und wartete voller Schadenfreude auf die Ausfuͤhrung. Bald ka- men zwey Damen. Alle Augen ſind auf den Wagehals gerichtet, und damit er ſich nicht an- ders beſinnen ſoll, erhitzen ſie vollends ſeinen Ehr- geiz durch Zweifel an ſeinen Muth. Die Damen kommen naͤher, der Kerl ſpringt auf ſie zu, greift die eine davon, und thut, was er zu thun ver- ſprochen hat. Die Dame, außer ſich vor Schaam und Wuth, faͤllt ihm in die Haare, ihre Beglei- terin thut daſſelbe, ſie ſchreyen und halten ihn feſt, daß er ſich nicht unter das Getuͤmmel der uͤbrigen Bedienten verlieren kann. Es kommen ihnen eini- ge Herren zu Huͤlfe, und man erkennt in ihnen die Prinzeſſin von Armagnac und die Marqui- ſe von Villequier. Die Prinzeſſin hatte den Schilling bekommen. Der Kerl ſollte gehenkt werden, kam aber mit dem Halseiſen und den Galeeren davon. Jn „Geron dem Biederherzigen„ ſchil- dert Wieland einen Uebermuͤthigen in der Per- ſon des Herrn Flaunz ſehr treffend auf folgende Weiſe: Und nahe bey der Burg begegnete Den beyden Freunden *) auf dem Plan Herr Flaunz, Ein *) Geron und Danayn, die zuſammen zum Turnier zogen. Ff 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/171
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/171>, abgerufen am 26.04.2024.