Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
gar nicht beachtet werden dürfen; weshalb er denn auch alle transitorische Gesetzgebung völlig verwirft (i). -- Bei dieser Auffassung der Sache ist hauptsächlich die Beschei- denheit zu verwundern, womit dieser Schriftsteller seine Be- hauptung über das Verhältniß des Richters zu den Ge- setzen auf den engen Kreis der die Rückwirkung betreffen- den Rechtsfragen einschränkt. Bei unbefangener Betrach- tung wird man sich überzeugen müssen, daß dieselbe Be- hauptung, wenn sie überhaupt wahr ist, auch auf das ganze übrige Gebiet aller Rechtsfragen ausgedehnt wer- den müsse.
§. 388. A.Erwerb der Rechte. Anwendungen des Grundsatzes.
Indem ich jetzt zur Anwendung des aufgestellten Grund- satzes übergehe, muß ich zuvor auf einen, für unsere Un- tersuchung wichtigen, Unterschied in der Beschaffenheit der juristischen Thatsachen aufmerksam machen. Die meisten dieser Thatsachen sind einfache, einem einzelnen Zeitpunkt angehörende, Ereignisse, so wie die Verträge, deren Wesen in einer übereinstimmenden Willenserklärung besteht, also in einer augenblicklichen Handlung, bei welcher die vielleicht lange dauernde Vorbereitung ganz gleichgültig ist. Bei die- ser Art der Thatsachen ist es leicht zu bestimmen, ob ein
(i)Struve S. 6. S. 30--34 S. 153--154.
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
gar nicht beachtet werden dürfen; weshalb er denn auch alle tranſitoriſche Geſetzgebung völlig verwirft (i). — Bei dieſer Auffaſſung der Sache iſt hauptſächlich die Beſchei- denheit zu verwundern, womit dieſer Schriftſteller ſeine Be- hauptung über das Verhältniß des Richters zu den Ge- ſetzen auf den engen Kreis der die Rückwirkung betreffen- den Rechtsfragen einſchränkt. Bei unbefangener Betrach- tung wird man ſich überzeugen müſſen, daß dieſelbe Be- hauptung, wenn ſie überhaupt wahr iſt, auch auf das ganze übrige Gebiet aller Rechtsfragen ausgedehnt wer- den müſſe.
§. 388. A.Erwerb der Rechte. Anwendungen des Grundſatzes.
Indem ich jetzt zur Anwendung des aufgeſtellten Grund- ſatzes übergehe, muß ich zuvor auf einen, für unſere Un- terſuchung wichtigen, Unterſchied in der Beſchaffenheit der juriſtiſchen Thatſachen aufmerkſam machen. Die meiſten dieſer Thatſachen ſind einfache, einem einzelnen Zeitpunkt angehörende, Ereigniſſe, ſo wie die Verträge, deren Weſen in einer übereinſtimmenden Willenserklärung beſteht, alſo in einer augenblicklichen Handlung, bei welcher die vielleicht lange dauernde Vorbereitung ganz gleichgültig iſt. Bei die- ſer Art der Thatſachen iſt es leicht zu beſtimmen, ob ein
(i)Struve S. 6. S. 30—34 S. 153—154.
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Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
gar nicht beachtet werden dürfen; weshalb er denn auch
alle tranſitoriſche Geſetzgebung völlig verwirft (i). — Bei
dieſer Auffaſſung der Sache iſt hauptſächlich die Beſchei-
denheit zu verwundern, womit dieſer Schriftſteller ſeine Be-
hauptung über das Verhältniß des Richters zu den Ge-
ſetzen auf den engen Kreis der die Rückwirkung betreffen-
den Rechtsfragen einſchränkt. Bei unbefangener Betrach-
tung wird man ſich überzeugen müſſen, daß dieſelbe Be-
hauptung, wenn ſie überhaupt wahr iſt, auch auf das
ganze übrige Gebiet aller Rechtsfragen ausgedehnt wer-
den müſſe.
§. 388.
A. Erwerb der Rechte. Anwendungen des Grundſatzes.
Indem ich jetzt zur Anwendung des aufgeſtellten Grund-
ſatzes übergehe, muß ich zuvor auf einen, für unſere Un-
terſuchung wichtigen, Unterſchied in der Beſchaffenheit der
juriſtiſchen Thatſachen aufmerkſam machen. Die meiſten
dieſer Thatſachen ſind einfache, einem einzelnen Zeitpunkt
angehörende, Ereigniſſe, ſo wie die Verträge, deren Weſen
in einer übereinſtimmenden Willenserklärung beſteht, alſo
in einer augenblicklichen Handlung, bei welcher die vielleicht
lange dauernde Vorbereitung ganz gleichgültig iſt. Bei die-
ſer Art der Thatſachen iſt es leicht zu beſtimmen, ob ein
(i) Struve S. 6. S. 30—34 S. 153—154.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/428>, abgerufen am 22.02.2025.
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