benutzen, um aus der bisher ungewohnten Verbindung derselben das wahrhaft Neue unbemerkt hervorgehen zu lassen.
Diese Analogie führt zu der sehr wahrscheinlichen Ver- muthung, daß auch jener Instanzenzug an die oben er- wähnten alten Institute (provocatio und appellatio), als neue Entwickelung derselben, wird angeknüpft worden seyn, und es fragt sich dann zunächst, an welches unter diesen beiden Instituten.
Manche haben die provocatio der alten Verfassung als Grundlage der neuen Instanzen angenommen, und es scheint dafür der Umstand zu sprechen, daß in der provocatio in der That ein wahrer Instanzenzug enthalten war. Dennoch muß ich dieser Annahme entschieden widersprechen. Erstlich, weil die alte provocatio nur auf Criminalsachen, nie auf den Civilprozeß, angewendet wurde. Zweitens, weil in der Annahme einer provocatio an den Kaiser die förmliche Gleichstellung der kaiserlichen Gewalt mit der Gewalt des alten populus gelegen hätte, deren Schein noch lange Zeit hindurch sehr sorgfältig vermieden wurde, indem die Kaiser nur obrigkeitliche, von dem populus übertragene, Gewalten auszuüben scheinen wollten.
XI.
Giebt man nun die Anknüpfung des neuen Instanzen- zuges an die provocatio auf, so bleibt nur noch die appel- latio als Grundlage der neuen Einrichtung übrig, und in
Beilage XV.
benutzen, um aus der bisher ungewohnten Verbindung derſelben das wahrhaft Neue unbemerkt hervorgehen zu laſſen.
Dieſe Analogie führt zu der ſehr wahrſcheinlichen Ver- muthung, daß auch jener Inſtanzenzug an die oben er- wähnten alten Inſtitute (provocatio und appellatio), als neue Entwickelung derſelben, wird angeknüpft worden ſeyn, und es fragt ſich dann zunächſt, an welches unter dieſen beiden Inſtituten.
Manche haben die provocatio der alten Verfaſſung als Grundlage der neuen Inſtanzen angenommen, und es ſcheint dafür der Umſtand zu ſprechen, daß in der provocatio in der That ein wahrer Inſtanzenzug enthalten war. Dennoch muß ich dieſer Annahme entſchieden widerſprechen. Erſtlich, weil die alte provocatio nur auf Criminalſachen, nie auf den Civilprozeß, angewendet wurde. Zweitens, weil in der Annahme einer provocatio an den Kaiſer die förmliche Gleichſtellung der kaiſerlichen Gewalt mit der Gewalt des alten populus gelegen hätte, deren Schein noch lange Zeit hindurch ſehr ſorgfältig vermieden wurde, indem die Kaiſer nur obrigkeitliche, von dem populus übertragene, Gewalten auszuüben ſcheinen wollten.
XI.
Giebt man nun die Anknüpfung des neuen Inſtanzen- zuges an die provocatio auf, ſo bleibt nur noch die appel- latio als Grundlage der neuen Einrichtung übrig, und in
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0514"n="496"/><fwplace="top"type="header">Beilage <hirendition="#aq">XV.</hi></fw><lb/>
benutzen, um aus der bisher ungewohnten Verbindung<lb/>
derſelben das wahrhaft Neue unbemerkt hervorgehen zu<lb/>
laſſen.</p><lb/><p>Dieſe Analogie führt zu der ſehr wahrſcheinlichen Ver-<lb/>
muthung, daß auch jener Inſtanzenzug an die oben er-<lb/>
wähnten alten Inſtitute (<hirendition="#aq">provocatio</hi> und <hirendition="#aq">appellatio</hi>), als<lb/>
neue Entwickelung derſelben, wird angeknüpft worden ſeyn,<lb/>
und es fragt ſich dann zunächſt, an welches unter dieſen<lb/>
beiden Inſtituten.</p><lb/><p>Manche haben die <hirendition="#aq">provocatio</hi> der alten Verfaſſung als<lb/>
Grundlage der neuen Inſtanzen angenommen, und es ſcheint<lb/>
dafür der Umſtand zu ſprechen, daß in der <hirendition="#aq">provocatio</hi> in<lb/>
der That ein wahrer Inſtanzenzug enthalten war. Dennoch<lb/>
muß ich dieſer Annahme entſchieden widerſprechen. Erſtlich,<lb/>
weil die alte <hirendition="#aq">provocatio</hi> nur auf Criminalſachen, nie auf<lb/>
den Civilprozeß, angewendet wurde. Zweitens, weil in der<lb/>
Annahme einer <hirendition="#aq">provocatio</hi> an den Kaiſer die förmliche<lb/>
Gleichſtellung der kaiſerlichen Gewalt mit der Gewalt des<lb/>
alten <hirendition="#aq">populus</hi> gelegen hätte, deren Schein noch lange Zeit<lb/>
hindurch ſehr ſorgfältig vermieden wurde, indem die Kaiſer<lb/>
nur obrigkeitliche, von dem <hirendition="#aq">populus</hi> übertragene, Gewalten<lb/>
auszuüben ſcheinen wollten.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">XI.</hi></hi></head><lb/><p>Giebt man nun die Anknüpfung des neuen Inſtanzen-<lb/>
zuges an die <hirendition="#aq">provocatio</hi> auf, ſo bleibt nur noch die <hirendition="#aq">appel-<lb/>
latio</hi> als Grundlage der neuen Einrichtung übrig, und in<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[496/0514]
Beilage XV.
benutzen, um aus der bisher ungewohnten Verbindung
derſelben das wahrhaft Neue unbemerkt hervorgehen zu
laſſen.
Dieſe Analogie führt zu der ſehr wahrſcheinlichen Ver-
muthung, daß auch jener Inſtanzenzug an die oben er-
wähnten alten Inſtitute (provocatio und appellatio), als
neue Entwickelung derſelben, wird angeknüpft worden ſeyn,
und es fragt ſich dann zunächſt, an welches unter dieſen
beiden Inſtituten.
Manche haben die provocatio der alten Verfaſſung als
Grundlage der neuen Inſtanzen angenommen, und es ſcheint
dafür der Umſtand zu ſprechen, daß in der provocatio in
der That ein wahrer Inſtanzenzug enthalten war. Dennoch
muß ich dieſer Annahme entſchieden widerſprechen. Erſtlich,
weil die alte provocatio nur auf Criminalſachen, nie auf
den Civilprozeß, angewendet wurde. Zweitens, weil in der
Annahme einer provocatio an den Kaiſer die förmliche
Gleichſtellung der kaiſerlichen Gewalt mit der Gewalt des
alten populus gelegen hätte, deren Schein noch lange Zeit
hindurch ſehr ſorgfältig vermieden wurde, indem die Kaiſer
nur obrigkeitliche, von dem populus übertragene, Gewalten
auszuüben ſcheinen wollten.
XI.
Giebt man nun die Anknüpfung des neuen Inſtanzen-
zuges an die provocatio auf, ſo bleibt nur noch die appel-
latio als Grundlage der neuen Einrichtung übrig, und in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/514>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.