§. 293. Genauere Bestimmung des Inhalts. Rechtskraft der Gründe. Schriftsteller.
Die Untersuchung über die Rechtskraft der Gründe würde nicht zu einem befriedigenden Schluß geführt seyn, wenn nicht auch die Meinungen unsrer Schriftsteller über diese Frage übersichtlich dargestellt würden. Daß diese Meinungen so sehr unter sich selbst im Widerstreit sind, muß gerade bei einem Gegenstand von so häufiger prak- tischer Anwendung auffallen, und ist nur daraus zu erklä- ren, daß man es versäumt hat, die Begriffe und die Fra- gen, worauf es bei diesem Streit ankommt, zu klarer Ent- wicklung zu bringen, bevor die Entscheidung der Fragen unternommen wurde.
An die Darstellung der gemeinrechtlichen Literatur soll die Behandlung desselben Gegenstandes im Preußischen Recht angeschlossen werden. Dieses Verfahren würde nicht zu rechtfertigen seyn, wenn das Preußische Recht hierin (so wie in den wichtigsten Theilen des eigentlichen Prozeß- rechts) einen eigenen und neuen Weg eingeschlagen hätte; so verhält es sich aber in der That nicht. Praxis und Literatur geht hier stets aus von wenigen, allerdings nicht erschöpfenden, Gesetzstellen. Bei deren Abfassung aber lag augenscheinlich nicht die Absicht zum Grunde, die Lehre von der Rechtskraft auf einem neu erfundenen Grunde zu erbauen, welche Absicht schon durch die Kürze und Unvoll-
VI. 25
§. 293. Rechtskraft der Gründe. Schriftſteller.
§. 293. Genauere Beſtimmung des Inhalts. Rechtskraft der Gründe. Schriftſteller.
Die Unterſuchung über die Rechtskraft der Gründe würde nicht zu einem befriedigenden Schluß geführt ſeyn, wenn nicht auch die Meinungen unſrer Schriftſteller über dieſe Frage überſichtlich dargeſtellt würden. Daß dieſe Meinungen ſo ſehr unter ſich ſelbſt im Widerſtreit ſind, muß gerade bei einem Gegenſtand von ſo häufiger prak- tiſcher Anwendung auffallen, und iſt nur daraus zu erklä- ren, daß man es verſäumt hat, die Begriffe und die Fra- gen, worauf es bei dieſem Streit ankommt, zu klarer Ent- wicklung zu bringen, bevor die Entſcheidung der Fragen unternommen wurde.
An die Darſtellung der gemeinrechtlichen Literatur ſoll die Behandlung deſſelben Gegenſtandes im Preußiſchen Recht angeſchloſſen werden. Dieſes Verfahren würde nicht zu rechtfertigen ſeyn, wenn das Preußiſche Recht hierin (ſo wie in den wichtigſten Theilen des eigentlichen Prozeß- rechts) einen eigenen und neuen Weg eingeſchlagen hätte; ſo verhält es ſich aber in der That nicht. Praxis und Literatur geht hier ſtets aus von wenigen, allerdings nicht erſchöpfenden, Geſetzſtellen. Bei deren Abfaſſung aber lag augenſcheinlich nicht die Abſicht zum Grunde, die Lehre von der Rechtskraft auf einem neu erfundenen Grunde zu erbauen, welche Abſicht ſchon durch die Kürze und Unvoll-
VI. 25
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0403"n="385"/><fwplace="top"type="header">§. 293. Rechtskraft der Gründe. Schriftſteller.</fw><lb/><divn="3"><head>§. 293.<lb/><hirendition="#g">Genauere Beſtimmung des Inhalts. Rechtskraft der<lb/>
Gründe. Schriftſteller</hi>.</head><lb/><p>Die Unterſuchung über die Rechtskraft der Gründe<lb/>
würde nicht zu einem befriedigenden Schluß geführt ſeyn,<lb/>
wenn nicht auch die Meinungen unſrer Schriftſteller über<lb/>
dieſe Frage überſichtlich dargeſtellt würden. Daß dieſe<lb/>
Meinungen ſo ſehr unter ſich ſelbſt im Widerſtreit ſind,<lb/>
muß gerade bei einem Gegenſtand von ſo häufiger prak-<lb/>
tiſcher Anwendung auffallen, und iſt nur daraus zu erklä-<lb/>
ren, daß man es verſäumt hat, die Begriffe und die Fra-<lb/>
gen, worauf es bei dieſem Streit ankommt, zu klarer Ent-<lb/>
wicklung zu bringen, bevor die Entſcheidung der Fragen<lb/>
unternommen wurde.</p><lb/><p>An die Darſtellung der gemeinrechtlichen Literatur ſoll<lb/>
die Behandlung deſſelben Gegenſtandes im Preußiſchen<lb/>
Recht angeſchloſſen werden. Dieſes Verfahren würde nicht<lb/>
zu rechtfertigen ſeyn, wenn das Preußiſche Recht hierin (ſo<lb/>
wie in den wichtigſten Theilen des eigentlichen Prozeß-<lb/>
rechts) einen eigenen und neuen Weg eingeſchlagen hätte;<lb/>ſo verhält es ſich aber in der That nicht. Praxis und<lb/>
Literatur geht hier ſtets aus von wenigen, allerdings nicht<lb/>
erſchöpfenden, Geſetzſtellen. Bei deren Abfaſſung aber lag<lb/>
augenſcheinlich nicht die Abſicht zum Grunde, die Lehre<lb/>
von der Rechtskraft auf einem neu erfundenen Grunde zu<lb/>
erbauen, welche Abſicht ſchon durch die Kürze und Unvoll-<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">VI.</hi> 25</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[385/0403]
§. 293. Rechtskraft der Gründe. Schriftſteller.
§. 293.
Genauere Beſtimmung des Inhalts. Rechtskraft der
Gründe. Schriftſteller.
Die Unterſuchung über die Rechtskraft der Gründe
würde nicht zu einem befriedigenden Schluß geführt ſeyn,
wenn nicht auch die Meinungen unſrer Schriftſteller über
dieſe Frage überſichtlich dargeſtellt würden. Daß dieſe
Meinungen ſo ſehr unter ſich ſelbſt im Widerſtreit ſind,
muß gerade bei einem Gegenſtand von ſo häufiger prak-
tiſcher Anwendung auffallen, und iſt nur daraus zu erklä-
ren, daß man es verſäumt hat, die Begriffe und die Fra-
gen, worauf es bei dieſem Streit ankommt, zu klarer Ent-
wicklung zu bringen, bevor die Entſcheidung der Fragen
unternommen wurde.
An die Darſtellung der gemeinrechtlichen Literatur ſoll
die Behandlung deſſelben Gegenſtandes im Preußiſchen
Recht angeſchloſſen werden. Dieſes Verfahren würde nicht
zu rechtfertigen ſeyn, wenn das Preußiſche Recht hierin (ſo
wie in den wichtigſten Theilen des eigentlichen Prozeß-
rechts) einen eigenen und neuen Weg eingeſchlagen hätte;
ſo verhält es ſich aber in der That nicht. Praxis und
Literatur geht hier ſtets aus von wenigen, allerdings nicht
erſchöpfenden, Geſetzſtellen. Bei deren Abfaſſung aber lag
augenſcheinlich nicht die Abſicht zum Grunde, die Lehre
von der Rechtskraft auf einem neu erfundenen Grunde zu
erbauen, welche Abſicht ſchon durch die Kürze und Unvoll-
VI. 25
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/403>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.