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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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§. 224. Arten der Klagen. Heutige Anwendung.
Fähigkeit dazu aus dem mechanischen Geschäftsbetriebe zu
retten vermögen, und wie sehr uns diese Lehre Noth thut,
davon kann uns jeder Blick in heutige Gesetzgebung und
Praxis überzeugen.

Nicht anders verhält es sich mit der eigenthümlichen
Natur der arbitrariae actiones. Das Wichtigste bey den-
selben, die indirecte Beförderung der Naturalrestitution
(§ 221), ist schon im Justinianischen Recht verschwunden,
da nach demselben eine solche durch Execution unmittelbar
erzwungen wird. Eine Aufforderung zur freywilligen Er-
füllung, um der nachtheiligeren Verurtheilung zu entgehen,
wäre freylich auch noch jetzt denkbar, allein diese Anstalt
ist unsrem heutigen gemeinen Prozeß gewiß völlig fremd.
Ja es ist sehr möglich, daß sie auch schon in Justinians
Zeit nicht mehr vorkam, und daß der § 31 J. de act., der
darauf hinweist, gedankenlos aus einem alten Juristen
abgeschrieben worden ist. Aus dem alten Recht der arbi-
trariae actiones
ist also nur noch der Satz übrig, daß in
den Fällen derselben der Eid in litem vorzugsweise, als
ein Vorrecht des Klägers, vorkommt; ja wir müssen den
Eid jetzt auch bey solchen auf Restitution gerichteten Kla-
gen gelten lassen, welche sonst, als stricti juris Klagen,
dazu nicht geeignet waren (§ 222), weil für uns der Be-
griff der strengen Klagen verschwunden ist. Wenn also
ein Indebitum nicht in Geld, sondern in einer individuell
bestimmten Sache, aus Irrthum entrichtet war, und jetzt
diese Sache zurück gefordert wird, so muß dabey aller-

V. 10

§. 224. Arten der Klagen. Heutige Anwendung.
Fähigkeit dazu aus dem mechaniſchen Geſchäftsbetriebe zu
retten vermögen, und wie ſehr uns dieſe Lehre Noth thut,
davon kann uns jeder Blick in heutige Geſetzgebung und
Praxis überzeugen.

Nicht anders verhält es ſich mit der eigenthümlichen
Natur der arbitrariae actiones. Das Wichtigſte bey den-
ſelben, die indirecte Beförderung der Naturalreſtitution
(§ 221), iſt ſchon im Juſtinianiſchen Recht verſchwunden,
da nach demſelben eine ſolche durch Execution unmittelbar
erzwungen wird. Eine Aufforderung zur freywilligen Er-
füllung, um der nachtheiligeren Verurtheilung zu entgehen,
wäre freylich auch noch jetzt denkbar, allein dieſe Anſtalt
iſt unſrem heutigen gemeinen Prozeß gewiß völlig fremd.
Ja es iſt ſehr möglich, daß ſie auch ſchon in Juſtinians
Zeit nicht mehr vorkam, und daß der § 31 J. de act., der
darauf hinweiſt, gedankenlos aus einem alten Juriſten
abgeſchrieben worden iſt. Aus dem alten Recht der arbi-
trariae actiones
iſt alſo nur noch der Satz übrig, daß in
den Fällen derſelben der Eid in litem vorzugsweiſe, als
ein Vorrecht des Klägers, vorkommt; ja wir müſſen den
Eid jetzt auch bey ſolchen auf Reſtitution gerichteten Kla-
gen gelten laſſen, welche ſonſt, als stricti juris Klagen,
dazu nicht geeignet waren (§ 222), weil für uns der Be-
griff der ſtrengen Klagen verſchwunden iſt. Wenn alſo
ein Indebitum nicht in Geld, ſondern in einer individuell
beſtimmten Sache, aus Irrthum entrichtet war, und jetzt
dieſe Sache zurück gefordert wird, ſo muß dabey aller-

V. 10
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[145/0159] §. 224. Arten der Klagen. Heutige Anwendung. Fähigkeit dazu aus dem mechaniſchen Geſchäftsbetriebe zu retten vermögen, und wie ſehr uns dieſe Lehre Noth thut, davon kann uns jeder Blick in heutige Geſetzgebung und Praxis überzeugen. Nicht anders verhält es ſich mit der eigenthümlichen Natur der arbitrariae actiones. Das Wichtigſte bey den- ſelben, die indirecte Beförderung der Naturalreſtitution (§ 221), iſt ſchon im Juſtinianiſchen Recht verſchwunden, da nach demſelben eine ſolche durch Execution unmittelbar erzwungen wird. Eine Aufforderung zur freywilligen Er- füllung, um der nachtheiligeren Verurtheilung zu entgehen, wäre freylich auch noch jetzt denkbar, allein dieſe Anſtalt iſt unſrem heutigen gemeinen Prozeß gewiß völlig fremd. Ja es iſt ſehr möglich, daß ſie auch ſchon in Juſtinians Zeit nicht mehr vorkam, und daß der § 31 J. de act., der darauf hinweiſt, gedankenlos aus einem alten Juriſten abgeſchrieben worden iſt. Aus dem alten Recht der arbi- trariae actiones iſt alſo nur noch der Satz übrig, daß in den Fällen derſelben der Eid in litem vorzugsweiſe, als ein Vorrecht des Klägers, vorkommt; ja wir müſſen den Eid jetzt auch bey ſolchen auf Reſtitution gerichteten Kla- gen gelten laſſen, welche ſonſt, als stricti juris Klagen, dazu nicht geeignet waren (§ 222), weil für uns der Be- griff der ſtrengen Klagen verſchwunden iſt. Wenn alſo ein Indebitum nicht in Geld, ſondern in einer individuell beſtimmten Sache, aus Irrthum entrichtet war, und jetzt dieſe Sache zurück gefordert wird, ſo muß dabey aller- V. 10

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/159>, abgerufen am 26.04.2024.