dern, deren höchste Gerichte sie befolgt haben, die Na- tur eines particulären Gewohnheitsrechts angenommen habe (dd). Denn die Gerichte haben jene Lehre keineswe- ges als ein Stück des besonderen Landesrechts zur An- wendung gebracht, sondern lediglich als ein Stück des Römischen Rechts, indem sie sich auf Stellen der Digesten, und auf die Autorität gemeinrechtlicher Schriftsteller ge- gründet haben. Auch ist hier keinesweges ein Fall vor- handen, worin für ein wahrhaft empfundenes praktisches Bedürfniß blos zum Schein eine Rechtfertigung aus dem Römischen Recht gesucht worden wäre, da gerade für das praktische Bedürfniß durch jede bestimmte Verjährungszeit weit besser gesorgt wird, als durch die unvordenkliche Zeit. Es ist also hier vielmehr ein solcher Fall vorhanden, worin selbst jene Gerichte, wenn sie sich von dem bisher gehegten theoretischen Irrthum überzeugen, denselben auf- zugeben, und den entgegen gesetzten Grundsatz für die Zu- kunft anzuwenden haben (§ 20).
dern, deren höchſte Gerichte ſie befolgt haben, die Na- tur eines particulären Gewohnheitsrechts angenommen habe (dd). Denn die Gerichte haben jene Lehre keineswe- ges als ein Stück des beſonderen Landesrechts zur An- wendung gebracht, ſondern lediglich als ein Stück des Römiſchen Rechts, indem ſie ſich auf Stellen der Digeſten, und auf die Autorität gemeinrechtlicher Schriftſteller ge- gründet haben. Auch iſt hier keinesweges ein Fall vor- handen, worin für ein wahrhaft empfundenes praktiſches Bedürfniß blos zum Schein eine Rechtfertigung aus dem Römiſchen Recht geſucht worden wäre, da gerade für das praktiſche Bedürfniß durch jede beſtimmte Verjährungszeit weit beſſer geſorgt wird, als durch die unvordenkliche Zeit. Es iſt alſo hier vielmehr ein ſolcher Fall vorhanden, worin ſelbſt jene Gerichte, wenn ſie ſich von dem bisher gehegten theoretiſchen Irrthum überzeugen, denſelben auf- zugeben, und den entgegen geſetzten Grundſatz für die Zu- kunft anzuwenden haben (§ 20).
Im canoniſchen Recht finden ſich folgende zwey merk- würdige Anwendungen der unvordenklichen Zeit.
Ein päbſtlicher Legat hatte dem Grafen von Toulouſe die Ausübung gewiſſer nutzbarer Regalien (pedagia, gui-
(dd) So wird es aufgefaßt von Pfeiffer S. 114.
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§. 198. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Neueres Recht.
dern, deren höchſte Gerichte ſie befolgt haben, die Na-
tur eines particulären Gewohnheitsrechts angenommen
habe (dd). Denn die Gerichte haben jene Lehre keineswe-
ges als ein Stück des beſonderen Landesrechts zur An-
wendung gebracht, ſondern lediglich als ein Stück des
Römiſchen Rechts, indem ſie ſich auf Stellen der Digeſten,
und auf die Autorität gemeinrechtlicher Schriftſteller ge-
gründet haben. Auch iſt hier keinesweges ein Fall vor-
handen, worin für ein wahrhaft empfundenes praktiſches
Bedürfniß blos zum Schein eine Rechtfertigung aus dem
Römiſchen Recht geſucht worden wäre, da gerade für das
praktiſche Bedürfniß durch jede beſtimmte Verjährungszeit
weit beſſer geſorgt wird, als durch die unvordenkliche Zeit.
Es iſt alſo hier vielmehr ein ſolcher Fall vorhanden,
worin ſelbſt jene Gerichte, wenn ſie ſich von dem bisher
gehegten theoretiſchen Irrthum überzeugen, denſelben auf-
zugeben, und den entgegen geſetzten Grundſatz für die Zu-
kunft anzuwenden haben (§ 20).
§. 198.
VI. Die Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Neueres Recht.
Im canoniſchen Recht finden ſich folgende zwey merk-
würdige Anwendungen der unvordenklichen Zeit.
Ein päbſtlicher Legat hatte dem Grafen von Toulouſe
die Ausübung gewiſſer nutzbarer Regalien (pedagia, gui-
(dd) So wird es aufgefaßt von Pfeiffer S. 114.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/519>, abgerufen am 03.03.2025.
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