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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
dem speciellen Theil des Systems anheim. Die zweyte Be-
ziehung dagegen, in welcher sie als Gründe der Entste-
hung, oder auch des Untergangs der Rechte, und daher
als die wichtigste Klasse der juristischen Thatsachen über-
haupt, erscheinen, gehört wesentlich hierher, indem sie für
die gemeinsame Betrachtung folgende wichtige Frage dar-
bietet: Welches sind die persönlichen Bedingungen der
Handlungsfähigkeit (a), oder genauer: welches sind
einestheils die Hindernisse, wodurch jene Fähigkeit ausge-
schlossen oder vermindert wird, anderntheils die künstlichen
Erweiterungen derselben?

Die Hindernisse der Handlungsfähigkeit, oder des voll-
ständig freyen Vernunftgebrauchs, können auf folgende
Fälle zurückgeführt werden, die nunmehr einzeln zu erwä-
gen sind:

Unreifes Alter.
Vernunftlosigkeit.

(a) Der wesentliche Unterschied
der Rechtsfähigkeit von der Hand-
lungsfähigkeit ist schon oben (§ 60)
bemerkt worden. Das Verhält-
niß beider Rechtsbegriffe zu ein-
ander ist aber dieses: Der Rechts-
fähige kann nach Umständen bald
handlungsfähig seyn, bald auch
nicht. Der Rechtsunfähige dage-
gen muß gerade soweit, als er die-
ses ist, auch handlungsunfähig
seyn, weil in ihm die Handlung
die ihr sonst zukommende Wir-
kung gar nicht hervorbringen kann.
Wo dieses anders zu seyn scheint,
da ist es in der That, juristisch
zu reden, nicht seine Handlung,
sondern die Handlung eines von
ihm nur vertretenen Anderen. So
z. B. konnte ein Römischer Sklave
allerdings die wichtigsten Geschäf-
te, selbst Mancipationen und Sti-
pulationen, gültig abschließen:
allein er galt hierin nur als das
juristische Instrument des Herrn,
dem die Handlungen des Skla-
ven gerade so zu gut gerechnet
wurden, als ob er selbst gehan-
delt hätte.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
dem ſpeciellen Theil des Syſtems anheim. Die zweyte Be-
ziehung dagegen, in welcher ſie als Gründe der Entſte-
hung, oder auch des Untergangs der Rechte, und daher
als die wichtigſte Klaſſe der juriſtiſchen Thatſachen über-
haupt, erſcheinen, gehört weſentlich hierher, indem ſie für
die gemeinſame Betrachtung folgende wichtige Frage dar-
bietet: Welches ſind die perſönlichen Bedingungen der
Handlungsfähigkeit (a), oder genauer: welches ſind
einestheils die Hinderniſſe, wodurch jene Fähigkeit ausge-
ſchloſſen oder vermindert wird, anderntheils die künſtlichen
Erweiterungen derſelben?

Die Hinderniſſe der Handlungsfähigkeit, oder des voll-
ſtändig freyen Vernunftgebrauchs, können auf folgende
Fälle zurückgeführt werden, die nunmehr einzeln zu erwä-
gen ſind:

Unreifes Alter.
Vernunftloſigkeit.

(a) Der weſentliche Unterſchied
der Rechtsfähigkeit von der Hand-
lungsfähigkeit iſt ſchon oben (§ 60)
bemerkt worden. Das Verhält-
niß beider Rechtsbegriffe zu ein-
ander iſt aber dieſes: Der Rechts-
fähige kann nach Umſtänden bald
handlungsfähig ſeyn, bald auch
nicht. Der Rechtsunfähige dage-
gen muß gerade ſoweit, als er die-
ſes iſt, auch handlungsunfähig
ſeyn, weil in ihm die Handlung
die ihr ſonſt zukommende Wir-
kung gar nicht hervorbringen kann.
Wo dieſes anders zu ſeyn ſcheint,
da iſt es in der That, juriſtiſch
zu reden, nicht ſeine Handlung,
ſondern die Handlung eines von
ihm nur vertretenen Anderen. So
z. B. konnte ein Römiſcher Sklave
allerdings die wichtigſten Geſchäf-
te, ſelbſt Mancipationen und Sti-
pulationen, gültig abſchließen:
allein er galt hierin nur als das
juriſtiſche Inſtrument des Herrn,
dem die Handlungen des Skla-
ven gerade ſo zu gut gerechnet
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delt hätte.
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[22/0034] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. dem ſpeciellen Theil des Syſtems anheim. Die zweyte Be- ziehung dagegen, in welcher ſie als Gründe der Entſte- hung, oder auch des Untergangs der Rechte, und daher als die wichtigſte Klaſſe der juriſtiſchen Thatſachen über- haupt, erſcheinen, gehört weſentlich hierher, indem ſie für die gemeinſame Betrachtung folgende wichtige Frage dar- bietet: Welches ſind die perſönlichen Bedingungen der Handlungsfähigkeit (a), oder genauer: welches ſind einestheils die Hinderniſſe, wodurch jene Fähigkeit ausge- ſchloſſen oder vermindert wird, anderntheils die künſtlichen Erweiterungen derſelben? Die Hinderniſſe der Handlungsfähigkeit, oder des voll- ſtändig freyen Vernunftgebrauchs, können auf folgende Fälle zurückgeführt werden, die nunmehr einzeln zu erwä- gen ſind: Unreifes Alter. Vernunftloſigkeit. (a) Der weſentliche Unterſchied der Rechtsfähigkeit von der Hand- lungsfähigkeit iſt ſchon oben (§ 60) bemerkt worden. Das Verhält- niß beider Rechtsbegriffe zu ein- ander iſt aber dieſes: Der Rechts- fähige kann nach Umſtänden bald handlungsfähig ſeyn, bald auch nicht. Der Rechtsunfähige dage- gen muß gerade ſoweit, als er die- ſes iſt, auch handlungsunfähig ſeyn, weil in ihm die Handlung die ihr ſonſt zukommende Wir- kung gar nicht hervorbringen kann. Wo dieſes anders zu ſeyn ſcheint, da iſt es in der That, juriſtiſch zu reden, nicht ſeine Handlung, ſondern die Handlung eines von ihm nur vertretenen Anderen. So z. B. konnte ein Römiſcher Sklave allerdings die wichtigſten Geſchäf- te, ſelbſt Mancipationen und Sti- pulationen, gültig abſchließen: allein er galt hierin nur als das juriſtiſche Inſtrument des Herrn, dem die Handlungen des Skla- ven gerade ſo zu gut gerechnet wurden, als ob er ſelbſt gehan- delt hätte.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/34>, abgerufen am 26.04.2024.