janum eine Zahlung leistet, die sie verweigern konnte (Num. XXXI. e).
XXXVI.
Für die entgegengesetzte Meynung werden folgende all- gemeine Gründe geltend gemacht.
1. Die Regel, daß sich Niemand durch den Schaden eines Andern bereichern soll (a). -- Diese Regel ist in- dessen so allgemeiner und unbestimmter Natur, daß sie eine unmittelbare Anwendung auf die Beurtheilung praktischer Rechtsfragen gar nicht zuläßt, sondern lediglich auf die Entstehung mancher Rechtsregeln Einfluß gehabt hat, so daß sie höchstens als einzelnes Element in wirklich prakti- schen Regeln enthalten ist, wo sie nur in Verbindung mit sehr concreten Voraussetzungen Leben und Wirksamkeit er- hält. So wird sie in der That in den angeführten Stellen (Note a) erwähnt, und zwar gerade als ein Element der in der condictio indebiti wirksamen praktischen Regel, so daß wir aus ihr allein unmöglich den Umfang der zur condictio indebiti noch außerdem nöthigen rein praktischen Bedingungen bestimmen können. Wollten wir aber in der That jener Regel, nach ihrer buchstäblichen Fassung, prak- tische Anwendbarkeit einräumen, so würden wir sogleich durch die Folgen zur Umkehr genöthigt werden. Denn nach ihr könnte jeder theure Kauf angefochten werden,
(a)L. 14 de cond. indeb. (12. 6.), L. 206 de R. J. (50. 17.) Mühlenbruch S. 417.
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Irrthum und Unwiſſenheit.
janum eine Zahlung leiſtet, die ſie verweigern konnte (Num. XXXI. e).
XXXVI.
Für die entgegengeſetzte Meynung werden folgende all- gemeine Gründe geltend gemacht.
1. Die Regel, daß ſich Niemand durch den Schaden eines Andern bereichern ſoll (a). — Dieſe Regel iſt in- deſſen ſo allgemeiner und unbeſtimmter Natur, daß ſie eine unmittelbare Anwendung auf die Beurtheilung praktiſcher Rechtsfragen gar nicht zuläßt, ſondern lediglich auf die Entſtehung mancher Rechtsregeln Einfluß gehabt hat, ſo daß ſie höchſtens als einzelnes Element in wirklich prakti- ſchen Regeln enthalten iſt, wo ſie nur in Verbindung mit ſehr concreten Vorausſetzungen Leben und Wirkſamkeit er- hält. So wird ſie in der That in den angeführten Stellen (Note a) erwähnt, und zwar gerade als ein Element der in der condictio indebiti wirkſamen praktiſchen Regel, ſo daß wir aus ihr allein unmöglich den Umfang der zur condictio indebiti noch außerdem nöthigen rein praktiſchen Bedingungen beſtimmen können. Wollten wir aber in der That jener Regel, nach ihrer buchſtäblichen Faſſung, prak- tiſche Anwendbarkeit einräumen, ſo würden wir ſogleich durch die Folgen zur Umkehr genoͤthigt werden. Denn nach ihr koͤnnte jeder theure Kauf angefochten werden,
(a)L. 14 de cond. indeb. (12. 6.), L. 206 de R. J. (50. 17.) Mühlenbruch S. 417.
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Irrthum und Unwiſſenheit.
janum eine Zahlung leiſtet, die ſie verweigern konnte
(Num. XXXI. e).
XXXVI.
Für die entgegengeſetzte Meynung werden folgende all-
gemeine Gründe geltend gemacht.
1. Die Regel, daß ſich Niemand durch den Schaden
eines Andern bereichern ſoll (a). — Dieſe Regel iſt in-
deſſen ſo allgemeiner und unbeſtimmter Natur, daß ſie eine
unmittelbare Anwendung auf die Beurtheilung praktiſcher
Rechtsfragen gar nicht zuläßt, ſondern lediglich auf die
Entſtehung mancher Rechtsregeln Einfluß gehabt hat, ſo
daß ſie höchſtens als einzelnes Element in wirklich prakti-
ſchen Regeln enthalten iſt, wo ſie nur in Verbindung mit
ſehr concreten Vorausſetzungen Leben und Wirkſamkeit er-
hält. So wird ſie in der That in den angeführten Stellen
(Note a) erwähnt, und zwar gerade als ein Element der
in der condictio indebiti wirkſamen praktiſchen Regel, ſo
daß wir aus ihr allein unmöglich den Umfang der zur
condictio indebiti noch außerdem nöthigen rein praktiſchen
Bedingungen beſtimmen können. Wollten wir aber in der
That jener Regel, nach ihrer buchſtäblichen Faſſung, prak-
tiſche Anwendbarkeit einräumen, ſo würden wir ſogleich
durch die Folgen zur Umkehr genoͤthigt werden. Denn
nach ihr koͤnnte jeder theure Kauf angefochten werden,
(a) L. 14 de cond. indeb. (12. 6.), L. 206 de R. J. (50. 17.)
Mühlenbruch S. 417.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/463>, abgerufen am 21.12.2024.
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