Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.Beylage VIII. ausdrücklich anerkannt (c). Indem wir also hier eine mil-dere Behandlung des Rechtsirrthums für die heutige Zeit in Anspruch nehmen, so liegt darin keinesweges eine will- kührliche Abweichung von den Grundsätzen des Römischen Rechts, die wir vielmehr ganz in ihrem Sinn auf die veränderten Umstände anwenden wollen. So verwandelt sich von selbst der eine bloße Thatsache ausdrückende Satz des Paulus: quod raro accipiendum est (Num. III. k) in den etwas veränderten Satz: quod minus raro hodie accipiendum est. V. Aus der hier entwickelten Natur des Rechtsirrthums (c) C. 1 de constitut. in VI.
(1. 2.). "Romanus pontifex ... locorum specialium et perso- narum singularium consuetudi- nes et statuta, cum sint facti et in facto consistant, potest probabiliter ignorare." Was hier dem Pabst nachgesehen wird, muß doch wohl jeder andern Per- son nicht weniger zugestanden werden. Beylage VIII. ausdrücklich anerkannt (c). Indem wir alſo hier eine mil-dere Behandlung des Rechtsirrthums für die heutige Zeit in Anſpruch nehmen, ſo liegt darin keinesweges eine will- kührliche Abweichung von den Grundſätzen des Römiſchen Rechts, die wir vielmehr ganz in ihrem Sinn auf die veränderten Umſtände anwenden wollen. So verwandelt ſich von ſelbſt der eine bloße Thatſache ausdrückende Satz des Paulus: quod raro accipiendum est (Num. III. k) in den etwas veränderten Satz: quod minus raro hodie accipiendum est. V. Aus der hier entwickelten Natur des Rechtsirrthums (c) C. 1 de constitut. in VI.
(1. 2.). „Romanus pontifex … locorum specialium et perso- narum singularium consuetudi- nes et statuta, cum sint facti et in facto consistant, potest probabiliter ignorare.” Was hier dem Pabſt nachgeſehen wird, muß doch wohl jeder andern Per- ſon nicht weniger zugeſtanden werden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0350" n="338"/><fw place="top" type="header">Beylage <hi rendition="#aq">VIII.</hi></fw><lb/> ausdrücklich anerkannt <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">C.</hi> 1 <hi rendition="#i">de constitut. in</hi> VI.<lb/> (1. 2.). „Romanus pontifex …<lb/> locorum specialium et perso-<lb/> narum singularium consuetudi-<lb/> nes et statuta, cum sint facti<lb/> et in facto consistant, potest<lb/> probabiliter ignorare.”</hi> Was<lb/> hier dem Pabſt nachgeſehen wird,<lb/> muß doch wohl jeder andern Per-<lb/> ſon nicht weniger zugeſtanden<lb/> werden.</note>. Indem wir alſo hier eine mil-<lb/> dere Behandlung des Rechtsirrthums für die heutige Zeit<lb/> in Anſpruch nehmen, ſo liegt darin keinesweges eine will-<lb/> kührliche Abweichung von den Grundſätzen des Römiſchen<lb/> Rechts, die wir vielmehr ganz in ihrem Sinn auf die<lb/> veränderten Umſtände anwenden wollen. So verwandelt<lb/> ſich von ſelbſt der eine bloße Thatſache ausdrückende Satz<lb/> des Paulus: <hi rendition="#aq">quod raro accipiendum est</hi> (Num. <hi rendition="#aq">III. k</hi>)<lb/> in den etwas veränderten Satz: <hi rendition="#aq">quod minus raro hodie<lb/> accipiendum est.</hi></p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq">V.</hi> </head><lb/> <p>Aus der hier entwickelten Natur des Rechtsirrthums<lb/> folgt nun zugleich die ſchon oben (Num. <hi rendition="#aq">I.</hi>) angekündigte<lb/> praktiſche Beſtätigung des Satzes, daß der Irrthum über<lb/> die Subſumtion der Thatſachen unter die Rechtsregel zu<lb/> den Fällen des factiſchen, nicht des Rechtsirrthums, zu<lb/> rechnen iſt. Die Subſumtion nämlich iſt in einfachen Fäl-<lb/> len ſo leicht, daß in derſelben ein Irrthum kaum vorkom-<lb/> men kann. Sobald aber ein Rechtsfall in verwickelter<lb/> Geſtalt erſcheint, wird oft die Subſumtion ſo ſchwierig<lb/> ſeyn, daß ſelbſt Diejenigen, die über die einſchlagenden<lb/> Rechtsregeln ganz einig und im Klaren ſind, dennoch den<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [338/0350]
Beylage VIII.
ausdrücklich anerkannt (c). Indem wir alſo hier eine mil-
dere Behandlung des Rechtsirrthums für die heutige Zeit
in Anſpruch nehmen, ſo liegt darin keinesweges eine will-
kührliche Abweichung von den Grundſätzen des Römiſchen
Rechts, die wir vielmehr ganz in ihrem Sinn auf die
veränderten Umſtände anwenden wollen. So verwandelt
ſich von ſelbſt der eine bloße Thatſache ausdrückende Satz
des Paulus: quod raro accipiendum est (Num. III. k)
in den etwas veränderten Satz: quod minus raro hodie
accipiendum est.
V.
Aus der hier entwickelten Natur des Rechtsirrthums
folgt nun zugleich die ſchon oben (Num. I.) angekündigte
praktiſche Beſtätigung des Satzes, daß der Irrthum über
die Subſumtion der Thatſachen unter die Rechtsregel zu
den Fällen des factiſchen, nicht des Rechtsirrthums, zu
rechnen iſt. Die Subſumtion nämlich iſt in einfachen Fäl-
len ſo leicht, daß in derſelben ein Irrthum kaum vorkom-
men kann. Sobald aber ein Rechtsfall in verwickelter
Geſtalt erſcheint, wird oft die Subſumtion ſo ſchwierig
ſeyn, daß ſelbſt Diejenigen, die über die einſchlagenden
Rechtsregeln ganz einig und im Klaren ſind, dennoch den
(c) C. 1 de constitut. in VI.
(1. 2.). „Romanus pontifex …
locorum specialium et perso-
narum singularium consuetudi-
nes et statuta, cum sint facti
et in facto consistant, potest
probabiliter ignorare.” Was
hier dem Pabſt nachgeſehen wird,
muß doch wohl jeder andern Per-
ſon nicht weniger zugeſtanden
werden.
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Zitationshilfe: | Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/350>, abgerufen am 22.02.2025. |