Was finden wir nun als Antwort auf unsre Frage in den Rechtsquellen? Das in den Digesten enthaltene Edict über die Infamen umgeht die Frauen, gerade da wo man sie zunächst erwartet, recht absichtlich und auf die merk- würdigste Weise. Wenn eine Wittwe zu frühe eine zweyte Ehe schließt, so sollen infam seyn: der Vater der Wittwe, wenn sie noch in dessen Gewalt steht, ferner der neue Ehe- mann, wenn er unabhängig ist, oder im entgegengesetzten Fall dessen Vater. Von der Wittwe selbst, die doch am stärksten und unmittelbarsten gefehlt hat, ist mit keinem Wort die Rede.
Möchte man nun geneigt seyn, in dieser Erscheinung eine unmittelbare Bestätigung einer oder der andern der oben erwähnten Ansichten von dem praktischen Wesen der Infamie zu finden, so wird wieder Alles zweifelhaft durch eine Anzahl von Stellen, worin als etwas Bekanntes und Gewisses angegeben wird, daß jene Wittwe dennoch infam werde (§ 77. y). Diese Stellen scheinen also sowohl mit dem Wesen der Infamie, als mit dem angegebenen In- halt des Edicts im Widerspruch zu stehen.
Wie sind diese Räthsel zu lösen?
II.
Die Lex Julia enthält nach Ulpian (XIII. § 1. 2) fol- gende Eheverbote, die ich der leichteren Übersicht wegen durch Zahlen bezeichnen will.
Lege Julia prohibentur uxores ducere senatores qui-
Infamie.
Was finden wir nun als Antwort auf unſre Frage in den Rechtsquellen? Das in den Digeſten enthaltene Edict über die Infamen umgeht die Frauen, gerade da wo man ſie zunächſt erwartet, recht abſichtlich und auf die merk- würdigſte Weiſe. Wenn eine Wittwe zu frühe eine zweyte Ehe ſchließt, ſo ſollen infam ſeyn: der Vater der Wittwe, wenn ſie noch in deſſen Gewalt ſteht, ferner der neue Ehe- mann, wenn er unabhängig iſt, oder im entgegengeſetzten Fall deſſen Vater. Von der Wittwe ſelbſt, die doch am ſtärkſten und unmittelbarſten gefehlt hat, iſt mit keinem Wort die Rede.
Möchte man nun geneigt ſeyn, in dieſer Erſcheinung eine unmittelbare Beſtätigung einer oder der andern der oben erwähnten Anſichten von dem praktiſchen Weſen der Infamie zu finden, ſo wird wieder Alles zweifelhaft durch eine Anzahl von Stellen, worin als etwas Bekanntes und Gewiſſes angegeben wird, daß jene Wittwe dennoch infam werde (§ 77. y). Dieſe Stellen ſcheinen alſo ſowohl mit dem Weſen der Infamie, als mit dem angegebenen In- halt des Edicts im Widerſpruch zu ſtehen.
Wie ſind dieſe Räthſel zu loͤſen?
II.
Die Lex Julia enthält nach Ulpian (XIII. § 1. 2) fol- gende Eheverbote, die ich der leichteren Überſicht wegen durch Zahlen bezeichnen will.
Lege Julia prohibentur uxores ducere senatores qui-
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Infamie.
Was finden wir nun als Antwort auf unſre Frage in
den Rechtsquellen? Das in den Digeſten enthaltene Edict
über die Infamen umgeht die Frauen, gerade da wo man
ſie zunächſt erwartet, recht abſichtlich und auf die merk-
würdigſte Weiſe. Wenn eine Wittwe zu frühe eine zweyte
Ehe ſchließt, ſo ſollen infam ſeyn: der Vater der Wittwe,
wenn ſie noch in deſſen Gewalt ſteht, ferner der neue Ehe-
mann, wenn er unabhängig iſt, oder im entgegengeſetzten
Fall deſſen Vater. Von der Wittwe ſelbſt, die doch am
ſtärkſten und unmittelbarſten gefehlt hat, iſt mit keinem
Wort die Rede.
Möchte man nun geneigt ſeyn, in dieſer Erſcheinung
eine unmittelbare Beſtätigung einer oder der andern der
oben erwähnten Anſichten von dem praktiſchen Weſen der
Infamie zu finden, ſo wird wieder Alles zweifelhaft durch
eine Anzahl von Stellen, worin als etwas Bekanntes und
Gewiſſes angegeben wird, daß jene Wittwe dennoch infam
werde (§ 77. y). Dieſe Stellen ſcheinen alſo ſowohl mit
dem Weſen der Infamie, als mit dem angegebenen In-
halt des Edicts im Widerſpruch zu ſtehen.
Wie ſind dieſe Räthſel zu loͤſen?
II.
Die Lex Julia enthält nach Ulpian (XIII. § 1. 2) fol-
gende Eheverbote, die ich der leichteren Überſicht wegen
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/531>, abgerufen am 21.11.2024.
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