Beylage VII. Über einige zweifelhafte Punkte in der Lehre von der Infamie. (Zu § 77 und § 82.)
I.
Findet das Rechtsinstitut der Infamie auch Anwen- dung auf Frauen?
Wer bey der Infamie die Ausschließung vom Postuli- ren als das Einzige, oder doch als die Hauptsache, an- sieht, muß diese Anwendung zwar nicht unmöglich, wohl aber völlig überflüssig finden. Denn da der Prätor schon in seinem zweyten Edict allen Frauen überhaupt unbe- dingt untersagt hatte, für Andere postulirend vor ihm zu erscheinen, so war es ganz unnöthig, für einige Frauen (die ehrlosen) im dritten Edict dasselbe Verbot, und zwar sogar durch Ausnahmen gemildert, zu wiederholen (§ 78).
Betrachtet man dagegen die Infamie, wie ich es zu beweisen versucht habe, als Verlust der politischen Rechte (§ 79--81), so hat sie für Frauen durchaus keinen Sinn, weil dieselben ohnehin niemals politische Rechte hatten. Hieraus erklärt es sich unmittelbar, warum die Tafel von Heraklea (Lex Julia municipalis), die nur von der Fähig- keit zu gewissen politischen Rechten handelt, in ihrem Ver- zeichniß der Ehrlosen die Frauen gar nicht erwähnen kann (§ 80).
Beylage VII.
Beylage VII. Über einige zweifelhafte Punkte in der Lehre von der Infamie. (Zu § 77 und § 82.)
I.
Findet das Rechtsinſtitut der Infamie auch Anwen- dung auf Frauen?
Wer bey der Infamie die Ausſchließung vom Poſtuli- ren als das Einzige, oder doch als die Hauptſache, an- ſieht, muß dieſe Anwendung zwar nicht unmöglich, wohl aber völlig überflüſſig finden. Denn da der Prätor ſchon in ſeinem zweyten Edict allen Frauen überhaupt unbe- dingt unterſagt hatte, für Andere poſtulirend vor ihm zu erſcheinen, ſo war es ganz unnöthig, für einige Frauen (die ehrloſen) im dritten Edict daſſelbe Verbot, und zwar ſogar durch Ausnahmen gemildert, zu wiederholen (§ 78).
Betrachtet man dagegen die Infamie, wie ich es zu beweiſen verſucht habe, als Verluſt der politiſchen Rechte (§ 79—81), ſo hat ſie für Frauen durchaus keinen Sinn, weil dieſelben ohnehin niemals politiſche Rechte hatten. Hieraus erklärt es ſich unmittelbar, warum die Tafel von Heraklea (Lex Julia municipalis), die nur von der Fähig- keit zu gewiſſen politiſchen Rechten handelt, in ihrem Ver- zeichniß der Ehrloſen die Frauen gar nicht erwähnen kann (§ 80).
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Beylage VII.
Beylage VII.
Über einige zweifelhafte Punkte in der
Lehre von der Infamie.
(Zu § 77 und § 82.)
I.
Findet das Rechtsinſtitut der Infamie auch Anwen-
dung auf Frauen?
Wer bey der Infamie die Ausſchließung vom Poſtuli-
ren als das Einzige, oder doch als die Hauptſache, an-
ſieht, muß dieſe Anwendung zwar nicht unmöglich, wohl
aber völlig überflüſſig finden. Denn da der Prätor ſchon
in ſeinem zweyten Edict allen Frauen überhaupt unbe-
dingt unterſagt hatte, für Andere poſtulirend vor ihm zu
erſcheinen, ſo war es ganz unnöthig, für einige Frauen
(die ehrloſen) im dritten Edict daſſelbe Verbot, und zwar
ſogar durch Ausnahmen gemildert, zu wiederholen (§ 78).
Betrachtet man dagegen die Infamie, wie ich es zu
beweiſen verſucht habe, als Verluſt der politiſchen Rechte
(§ 79—81), ſo hat ſie für Frauen durchaus keinen Sinn,
weil dieſelben ohnehin niemals politiſche Rechte hatten.
Hieraus erklärt es ſich unmittelbar, warum die Tafel von
Heraklea (Lex Julia municipalis), die nur von der Fähig-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/530>, abgerufen am 21.11.2024.
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