Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Beylage VI.
nahe, daß derselbe gewiß nicht unausgesprochen bleiben
konnte, wenn in der That jene tria als drey feststehende
Arten des Status gedacht worden wären. Aber nicht blos
die Voraussetzung der Allgemeinheit ist hier ohne Grund,
sondern auch bey Paulus selbst erscheint jene Ansicht gar
nicht als eine so feste, tief durchdachte Lehre, wie sie von
den Neueren auf die Autorität dieser Stelle angenommen
zu werden pflegt. Es war bey ihm ein hingeworfener
Gedanke, ein augenblicklicher Versuch, die uralte dreyfache
capitis deminutio durch umschreibende Ausdrücke faßlich
darzustellen, allerdings ausgehend von der Erklärung der
minima c. d. als einer familiae mutatio. Diese war ihm
eigenthümlich; aber wie wenig er auch sie für gewiß, un-
anfechtbar und anerkannt ausgeben wollte, zeigt deutlich
der Umstand, daß er bey Erklärung der in der Emanci-
pation liegenden c. d. (L. 3 § 1 de c. m.) von seiner An-
sicht wieder keinen Gebrauch machte, sondern die übliche
Herleitung aus der servilis causa vorzog.

XX.

Die hier versuchte Kritik der Lehre von der c. d. mag
zugleich hinreichen zur Beurtheilung fremder Arbeiten über
diesen Gegenstand, wie sie oben (Num. I.) zusammengestellt
worden sind. Anstatt einer Zergliederung ihres Inhalts
mögen hier nur wenige literarische Bemerkungen stehen.

Conradi, dessen Meynungen überall Anspruch auf be-
sondere Aufmerksamkeit haben, legt als das Gewisse zum

Beylage VI.
nahe, daß derſelbe gewiß nicht unausgeſprochen bleiben
konnte, wenn in der That jene tria als drey feſtſtehende
Arten des Status gedacht worden wären. Aber nicht blos
die Vorausſetzung der Allgemeinheit iſt hier ohne Grund,
ſondern auch bey Paulus ſelbſt erſcheint jene Anſicht gar
nicht als eine ſo feſte, tief durchdachte Lehre, wie ſie von
den Neueren auf die Autorität dieſer Stelle angenommen
zu werden pflegt. Es war bey ihm ein hingeworfener
Gedanke, ein augenblicklicher Verſuch, die uralte dreyfache
capitis deminutio durch umſchreibende Ausdrücke faßlich
darzuſtellen, allerdings ausgehend von der Erklärung der
minima c. d. als einer familiae mutatio. Dieſe war ihm
eigenthümlich; aber wie wenig er auch ſie für gewiß, un-
anfechtbar und anerkannt ausgeben wollte, zeigt deutlich
der Umſtand, daß er bey Erklärung der in der Emanci-
pation liegenden c. d. (L. 3 § 1 de c. m.) von ſeiner An-
ſicht wieder keinen Gebrauch machte, ſondern die übliche
Herleitung aus der servilis causa vorzog.

XX.

Die hier verſuchte Kritik der Lehre von der c. d. mag
zugleich hinreichen zur Beurtheilung fremder Arbeiten über
dieſen Gegenſtand, wie ſie oben (Num. I.) zuſammengeſtellt
worden ſind. Anſtatt einer Zergliederung ihres Inhalts
mögen hier nur wenige literariſche Bemerkungen ſtehen.

Conradi, deſſen Meynungen überall Anſpruch auf be-
ſondere Aufmerkſamkeit haben, legt als das Gewiſſe zum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0526" n="512"/><fw place="top" type="header">Beylage <hi rendition="#aq">VI.</hi></fw><lb/>
nahe, daß der&#x017F;elbe gewiß nicht unausge&#x017F;prochen bleiben<lb/>
konnte, wenn in der That jene <hi rendition="#aq">tria</hi> als drey fe&#x017F;t&#x017F;tehende<lb/>
Arten des <hi rendition="#aq">Status</hi> gedacht worden wären. Aber nicht blos<lb/>
die Voraus&#x017F;etzung der Allgemeinheit i&#x017F;t hier ohne Grund,<lb/>
&#x017F;ondern auch bey Paulus &#x017F;elb&#x017F;t er&#x017F;cheint jene An&#x017F;icht gar<lb/>
nicht als eine &#x017F;o fe&#x017F;te, tief durchdachte Lehre, wie &#x017F;ie von<lb/>
den Neueren auf die Autorität die&#x017F;er Stelle angenommen<lb/>
zu werden pflegt. Es war bey ihm ein hingeworfener<lb/>
Gedanke, ein augenblicklicher Ver&#x017F;uch, die uralte dreyfache<lb/><hi rendition="#aq">capitis deminutio</hi> durch um&#x017F;chreibende Ausdrücke faßlich<lb/>
darzu&#x017F;tellen, allerdings ausgehend von der Erklärung der<lb/><hi rendition="#aq">minima c. d.</hi> als einer <hi rendition="#aq">familiae mutatio.</hi> Die&#x017F;e war ihm<lb/>
eigenthümlich; aber wie wenig er auch &#x017F;ie für gewiß, un-<lb/>
anfechtbar und anerkannt ausgeben wollte, zeigt deutlich<lb/>
der Um&#x017F;tand, daß er bey Erklärung der in der Emanci-<lb/>
pation liegenden <hi rendition="#aq">c. d. (L. 3 § 1 de c. m.)</hi> von &#x017F;einer An-<lb/>
&#x017F;icht wieder keinen Gebrauch machte, &#x017F;ondern die übliche<lb/>
Herleitung aus der <hi rendition="#aq">servilis causa</hi> vorzog.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">XX.</hi> </hi> </head><lb/>
            <p>Die hier ver&#x017F;uchte Kritik der Lehre von der <hi rendition="#aq">c. d.</hi> mag<lb/>
zugleich hinreichen zur Beurtheilung fremder Arbeiten über<lb/>
die&#x017F;en Gegen&#x017F;tand, wie &#x017F;ie oben (Num. <hi rendition="#aq">I.</hi>) zu&#x017F;ammenge&#x017F;tellt<lb/>
worden &#x017F;ind. An&#x017F;tatt einer Zergliederung ihres Inhalts<lb/>
mögen hier nur wenige literari&#x017F;che Bemerkungen &#x017F;tehen.</p><lb/>
            <p>Conradi, de&#x017F;&#x017F;en Meynungen überall An&#x017F;pruch auf be-<lb/>
&#x017F;ondere Aufmerk&#x017F;amkeit haben, legt als das Gewi&#x017F;&#x017F;e zum<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[512/0526] Beylage VI. nahe, daß derſelbe gewiß nicht unausgeſprochen bleiben konnte, wenn in der That jene tria als drey feſtſtehende Arten des Status gedacht worden wären. Aber nicht blos die Vorausſetzung der Allgemeinheit iſt hier ohne Grund, ſondern auch bey Paulus ſelbſt erſcheint jene Anſicht gar nicht als eine ſo feſte, tief durchdachte Lehre, wie ſie von den Neueren auf die Autorität dieſer Stelle angenommen zu werden pflegt. Es war bey ihm ein hingeworfener Gedanke, ein augenblicklicher Verſuch, die uralte dreyfache capitis deminutio durch umſchreibende Ausdrücke faßlich darzuſtellen, allerdings ausgehend von der Erklärung der minima c. d. als einer familiae mutatio. Dieſe war ihm eigenthümlich; aber wie wenig er auch ſie für gewiß, un- anfechtbar und anerkannt ausgeben wollte, zeigt deutlich der Umſtand, daß er bey Erklärung der in der Emanci- pation liegenden c. d. (L. 3 § 1 de c. m.) von ſeiner An- ſicht wieder keinen Gebrauch machte, ſondern die übliche Herleitung aus der servilis causa vorzog. XX. Die hier verſuchte Kritik der Lehre von der c. d. mag zugleich hinreichen zur Beurtheilung fremder Arbeiten über dieſen Gegenſtand, wie ſie oben (Num. I.) zuſammengeſtellt worden ſind. Anſtatt einer Zergliederung ihres Inhalts mögen hier nur wenige literariſche Bemerkungen ſtehen. Conradi, deſſen Meynungen überall Anſpruch auf be- ſondere Aufmerkſamkeit haben, legt als das Gewiſſe zum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/526
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/526>, abgerufen am 21.11.2024.