Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 92. Juristische Personen. Rechte. (Fortsetzung.)

Die größte Meynungsverschiedenheit aber herrscht über
die Obligationen aus Delicten, insofern darin eine juri-
stische Person Schuldner werden soll; denn ihre Forderun-
gen aus Delicten sind weder zweifelhaft, noch von denen
der natürlichen Personen verschieden. Da aber diese Frage
mit der ganz ähnlichen Frage wegen eigentlicher Verbre-
chen der juristischen Personen unzertrennlich verbunden ist,
so soll sie auch in Verbindung mit dieser behandelt wer-
den (§ 94).

Auch bey den Obligationen bewährt sich wieder der
im § 90 aufgestellte allgemeine Grundsatz. Ihre Forde-
rungen und Schulden betreffen lediglich sie selbst als künst-
liche Einheit: die einzelnen Mitglieder werden davon gar
nicht berührt (e). Damit ist es aber wohl vereinbar, daß
die Corporation ihre eigenen Mitglieder nöthigen kann,
Beyträge zur Bezahlung der Corporationsschulden zu ge-
ben; ein solcher Anspruch gründet sich auf das innere Ver-
hältniß der Corporation zu ihren Mitgliedern, und ist von
dem nach außen gerichteten Schuldverhältniß ganz unab-
hängig.

V. Klagenrecht.

Die Rechtsfähigkeit der juristischen Personen würde
einen sehr unvollkommenen Erfolg haben, wenn ihnen nicht
die Fähigkeit mitgetheilt worden wäre, als Kläger und

(e) L. 7 § 1 quod cuj. un. (3. 4.).
"Si quid universitati debetur,
singulis non debetur: nec, quod
debet universitas, singuli de-
bent."
§. 92. Juriſtiſche Perſonen. Rechte. (Fortſetzung.)

Die größte Meynungsverſchiedenheit aber herrſcht über
die Obligationen aus Delicten, inſofern darin eine juri-
ſtiſche Perſon Schuldner werden ſoll; denn ihre Forderun-
gen aus Delicten ſind weder zweifelhaft, noch von denen
der natürlichen Perſonen verſchieden. Da aber dieſe Frage
mit der ganz ähnlichen Frage wegen eigentlicher Verbre-
chen der juriſtiſchen Perſonen unzertrennlich verbunden iſt,
ſo ſoll ſie auch in Verbindung mit dieſer behandelt wer-
den (§ 94).

Auch bey den Obligationen bewährt ſich wieder der
im § 90 aufgeſtellte allgemeine Grundſatz. Ihre Forde-
rungen und Schulden betreffen lediglich ſie ſelbſt als künſt-
liche Einheit: die einzelnen Mitglieder werden davon gar
nicht berührt (e). Damit iſt es aber wohl vereinbar, daß
die Corporation ihre eigenen Mitglieder noͤthigen kann,
Beyträge zur Bezahlung der Corporationsſchulden zu ge-
ben; ein ſolcher Anſpruch gründet ſich auf das innere Ver-
hältniß der Corporation zu ihren Mitgliedern, und iſt von
dem nach außen gerichteten Schuldverhältniß ganz unab-
hängig.

V. Klagenrecht.

Die Rechtsfähigkeit der juriſtiſchen Perſonen würde
einen ſehr unvollkommenen Erfolg haben, wenn ihnen nicht
die Fähigkeit mitgetheilt worden wäre, als Kläger und

(e) L. 7 § 1 quod cuj. un. (3. 4.).
„Si quid universitati debetur,
singulis non debetur: nec, quod
debet universitas, singuli de-
bent.”
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0309" n="295"/>
              <fw place="top" type="header">§. 92. Juri&#x017F;ti&#x017F;che Per&#x017F;onen. Rechte. (Fort&#x017F;etzung.)</fw><lb/>
              <p>Die größte Meynungsver&#x017F;chiedenheit aber herr&#x017F;cht über<lb/>
die Obligationen aus Delicten, in&#x017F;ofern darin eine juri-<lb/>
&#x017F;ti&#x017F;che Per&#x017F;on Schuldner werden &#x017F;oll; denn ihre Forderun-<lb/>
gen aus Delicten &#x017F;ind weder zweifelhaft, noch von denen<lb/>
der natürlichen Per&#x017F;onen ver&#x017F;chieden. Da aber die&#x017F;e Frage<lb/>
mit der ganz ähnlichen Frage wegen eigentlicher Verbre-<lb/>
chen der juri&#x017F;ti&#x017F;chen Per&#x017F;onen unzertrennlich verbunden i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;oll &#x017F;ie auch in Verbindung mit die&#x017F;er behandelt wer-<lb/>
den (§ 94).</p><lb/>
              <p>Auch bey den Obligationen bewährt &#x017F;ich wieder der<lb/>
im § 90 aufge&#x017F;tellte allgemeine Grund&#x017F;atz. Ihre Forde-<lb/>
rungen und Schulden betreffen lediglich &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t als kün&#x017F;t-<lb/>
liche Einheit: die einzelnen Mitglieder werden davon gar<lb/>
nicht berührt <note place="foot" n="(e)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L</hi>. 7 § 1 <hi rendition="#i">quod cuj. un</hi>. (3. 4.).<lb/>
&#x201E;Si quid universitati debetur,<lb/>
singulis non debetur: nec, quod<lb/>
debet universitas, singuli de-<lb/>
bent.&#x201D;</hi></note>. Damit i&#x017F;t es aber wohl vereinbar, daß<lb/>
die Corporation ihre eigenen Mitglieder no&#x0364;thigen kann,<lb/>
Beyträge zur Bezahlung der Corporations&#x017F;chulden zu ge-<lb/>
ben; ein &#x017F;olcher An&#x017F;pruch gründet &#x017F;ich auf das innere Ver-<lb/>
hältniß der Corporation zu ihren Mitgliedern, und i&#x017F;t von<lb/>
dem nach außen gerichteten Schuldverhältniß ganz unab-<lb/>
hängig.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#aq">V.</hi><hi rendition="#g">Klagenrecht</hi>.</head><lb/>
              <p>Die Rechtsfähigkeit der juri&#x017F;ti&#x017F;chen Per&#x017F;onen würde<lb/>
einen &#x017F;ehr unvollkommenen Erfolg haben, wenn ihnen nicht<lb/>
die Fähigkeit mitgetheilt worden wäre, als Kläger und<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0309] §. 92. Juriſtiſche Perſonen. Rechte. (Fortſetzung.) Die größte Meynungsverſchiedenheit aber herrſcht über die Obligationen aus Delicten, inſofern darin eine juri- ſtiſche Perſon Schuldner werden ſoll; denn ihre Forderun- gen aus Delicten ſind weder zweifelhaft, noch von denen der natürlichen Perſonen verſchieden. Da aber dieſe Frage mit der ganz ähnlichen Frage wegen eigentlicher Verbre- chen der juriſtiſchen Perſonen unzertrennlich verbunden iſt, ſo ſoll ſie auch in Verbindung mit dieſer behandelt wer- den (§ 94). Auch bey den Obligationen bewährt ſich wieder der im § 90 aufgeſtellte allgemeine Grundſatz. Ihre Forde- rungen und Schulden betreffen lediglich ſie ſelbſt als künſt- liche Einheit: die einzelnen Mitglieder werden davon gar nicht berührt (e). Damit iſt es aber wohl vereinbar, daß die Corporation ihre eigenen Mitglieder noͤthigen kann, Beyträge zur Bezahlung der Corporationsſchulden zu ge- ben; ein ſolcher Anſpruch gründet ſich auf das innere Ver- hältniß der Corporation zu ihren Mitgliedern, und iſt von dem nach außen gerichteten Schuldverhältniß ganz unab- hängig. V. Klagenrecht. Die Rechtsfähigkeit der juriſtiſchen Perſonen würde einen ſehr unvollkommenen Erfolg haben, wenn ihnen nicht die Fähigkeit mitgetheilt worden wäre, als Kläger und (e) L. 7 § 1 quod cuj. un. (3. 4.). „Si quid universitati debetur, singulis non debetur: nec, quod debet universitas, singuli de- bent.”

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/309
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/309>, abgerufen am 22.12.2024.