Betrachten wir die juristischen Personen, wie sie in unsrem Rechtszustand wirklich vorkommen, so müssen wir unter denselben folgende Gegensätze anerkennen, deren Ver- schiedenheit nicht ohne Einfluß auf die juristische Natur derselben ist.
1) Einigen derselben können wir ein natürliches oder auch nothwendiges Daseyn zuschreiben, anderen ein künst- liches oder willkührliches. Ein natürliches Daseyn haben die Gemeinden, Städte und Dörfer, welche meist älter sind als der Staat selbst (nämlich in seiner gegenwärti- gen Einheit und Begränzung), und welche die Hauptbe- standtheile des Staates bilden. Das juristische Daseyn derselben ist fast nie zweifelhaft; eine willkührliche Grün- dung kommt zwar auch bey ihnen vor, aber nur als Aus- nahme, und nur als Nachbildung der ursprünglichen Ge- meinden. Solche willkührlich gegründete waren die Rö- mischen Colonieen (im Gegensatz der Municipien), mit de- ren Anzahl und Bedeutung in unsren neueren Staaten kein ähnlicher Fall zu vergleichen ist. Die Einheit der Ge- meinden ist eine geographische, da sie sich auf das örtliche Verhältniß der Wohnung und des Landeigenthums gründet.
Künstliche oder willkührliche juristische Personen sind alle Stiftungen und Gesellschaften, welchen diese Eigen-
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
§. 86. Juriſtiſche Perſonen. — Arten.
Betrachten wir die juriſtiſchen Perſonen, wie ſie in unſrem Rechtszuſtand wirklich vorkommen, ſo müſſen wir unter denſelben folgende Gegenſätze anerkennen, deren Ver- ſchiedenheit nicht ohne Einfluß auf die juriſtiſche Natur derſelben iſt.
1) Einigen derſelben können wir ein natürliches oder auch nothwendiges Daſeyn zuſchreiben, anderen ein künſt- liches oder willkührliches. Ein natürliches Daſeyn haben die Gemeinden, Städte und Dörfer, welche meiſt älter ſind als der Staat ſelbſt (nämlich in ſeiner gegenwärti- gen Einheit und Begränzung), und welche die Hauptbe- ſtandtheile des Staates bilden. Das juriſtiſche Daſeyn derſelben iſt faſt nie zweifelhaft; eine willkührliche Grün- dung kommt zwar auch bey ihnen vor, aber nur als Aus- nahme, und nur als Nachbildung der urſprünglichen Ge- meinden. Solche willkührlich gegründete waren die Rö- miſchen Colonieen (im Gegenſatz der Municipien), mit de- ren Anzahl und Bedeutung in unſren neueren Staaten kein ähnlicher Fall zu vergleichen iſt. Die Einheit der Ge- meinden iſt eine geographiſche, da ſie ſich auf das örtliche Verhältniß der Wohnung und des Landeigenthums gründet.
Künſtliche oder willkührliche juriſtiſche Perſonen ſind alle Stiftungen und Geſellſchaften, welchen dieſe Eigen-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0256"n="242"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hirendition="#aq">II.</hi> Perſonen.</fw><lb/><divn="3"><head>§. 86.<lb/><hirendition="#g">Juriſtiſche Perſonen. — Arten</hi>.</head><lb/><p>Betrachten wir die juriſtiſchen Perſonen, wie ſie in<lb/>
unſrem Rechtszuſtand wirklich vorkommen, ſo müſſen wir<lb/>
unter denſelben folgende Gegenſätze anerkennen, deren Ver-<lb/>ſchiedenheit nicht ohne Einfluß auf die juriſtiſche Natur<lb/>
derſelben iſt.</p><lb/><p>1) Einigen derſelben können wir ein natürliches oder<lb/>
auch nothwendiges Daſeyn zuſchreiben, anderen ein künſt-<lb/>
liches oder willkührliches. Ein natürliches Daſeyn haben<lb/>
die <hirendition="#g">Gemeinden</hi>, Städte und Dörfer, welche meiſt älter<lb/>ſind als der Staat ſelbſt (nämlich in ſeiner gegenwärti-<lb/>
gen Einheit und Begränzung), und welche die Hauptbe-<lb/>ſtandtheile des Staates bilden. Das juriſtiſche Daſeyn<lb/>
derſelben iſt faſt nie zweifelhaft; eine willkührliche Grün-<lb/>
dung kommt zwar auch bey ihnen vor, aber nur als Aus-<lb/>
nahme, und nur als Nachbildung der urſprünglichen Ge-<lb/>
meinden. Solche willkührlich gegründete waren die Rö-<lb/>
miſchen Colonieen (im Gegenſatz der Municipien), mit de-<lb/>
ren Anzahl und Bedeutung in unſren neueren Staaten kein<lb/>
ähnlicher Fall zu vergleichen iſt. Die Einheit der Ge-<lb/>
meinden iſt eine geographiſche, da ſie ſich auf das örtliche<lb/>
Verhältniß der Wohnung und des Landeigenthums gründet.</p><lb/><p>Künſtliche oder willkührliche juriſtiſche Perſonen ſind<lb/>
alle Stiftungen und Geſellſchaften, welchen dieſe Eigen-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[242/0256]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
§. 86.
Juriſtiſche Perſonen. — Arten.
Betrachten wir die juriſtiſchen Perſonen, wie ſie in
unſrem Rechtszuſtand wirklich vorkommen, ſo müſſen wir
unter denſelben folgende Gegenſätze anerkennen, deren Ver-
ſchiedenheit nicht ohne Einfluß auf die juriſtiſche Natur
derſelben iſt.
1) Einigen derſelben können wir ein natürliches oder
auch nothwendiges Daſeyn zuſchreiben, anderen ein künſt-
liches oder willkührliches. Ein natürliches Daſeyn haben
die Gemeinden, Städte und Dörfer, welche meiſt älter
ſind als der Staat ſelbſt (nämlich in ſeiner gegenwärti-
gen Einheit und Begränzung), und welche die Hauptbe-
ſtandtheile des Staates bilden. Das juriſtiſche Daſeyn
derſelben iſt faſt nie zweifelhaft; eine willkührliche Grün-
dung kommt zwar auch bey ihnen vor, aber nur als Aus-
nahme, und nur als Nachbildung der urſprünglichen Ge-
meinden. Solche willkührlich gegründete waren die Rö-
miſchen Colonieen (im Gegenſatz der Municipien), mit de-
ren Anzahl und Bedeutung in unſren neueren Staaten kein
ähnlicher Fall zu vergleichen iſt. Die Einheit der Ge-
meinden iſt eine geographiſche, da ſie ſich auf das örtliche
Verhältniß der Wohnung und des Landeigenthums gründet.
Künſtliche oder willkührliche juriſtiſche Perſonen ſind
alle Stiftungen und Geſellſchaften, welchen dieſe Eigen-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/256>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.