Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Gesetze.

Ist nun also der specielle Gesetzgrund zur Berichtigung
des Ausdrucks zulässig, der generelle unzulässig, so muß
zugleich daran erinnert werden, daß es zwischen diesen
beiden Arten von Gründen keine scharfe Gränze giebt
(§ 34). Durch die mancherley allmäligen Übergänge, die
sich hierin bilden, wird oft die Möglichkeit wahrer Aus-
legung zweifelhaft, und die Unterscheidung derselben von
Fortbildung des Rechts schwierig werden.

Dagegen ist es durchaus keinem Zweifel unterworfen,
daß das dritte oben angegebene Hülfsmittel, der innere
Werth des Resultats (§ 35), auf die Erkenntniß und Ver-
besserung des unrichtigen Ausdrucks niemals angewendet
werden darf. Denn es ist einleuchtend, daß darin nicht
eine Ausgleichung des Ausdrucks mit dem Gedanken, son-
dern eine versuchte Verbesserung des Gedankens selbst,
enthalten seyn würde. Dieses kann als Fortbildung des
Rechts heilsam seyn, von einer Auslegung kann es nur
den Namen an sich tragen.

§. 38.
Auslegung der Justinianischen Gesetze (Kritik).

Die aufgestellten allgemeinen Grundsätze der Ausle-
gung sollen nunmehr auf die Justinianische Gesetzgebung
insbesondere angewendet werden, deren Auslegung wieder
neue Schwierigkeiten mit sich führt, und neue Regeln
des Verfahrens nöthig macht. Dabey wird hier die
geschichtliche Kenntniß dieser Gesetzgebung vollständig

Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze.

Iſt nun alſo der ſpecielle Geſetzgrund zur Berichtigung
des Ausdrucks zuläſſig, der generelle unzuläſſig, ſo muß
zugleich daran erinnert werden, daß es zwiſchen dieſen
beiden Arten von Gründen keine ſcharfe Gränze giebt
(§ 34). Durch die mancherley allmäligen Übergänge, die
ſich hierin bilden, wird oft die Möglichkeit wahrer Aus-
legung zweifelhaft, und die Unterſcheidung derſelben von
Fortbildung des Rechts ſchwierig werden.

Dagegen iſt es durchaus keinem Zweifel unterworfen,
daß das dritte oben angegebene Hülfsmittel, der innere
Werth des Reſultats (§ 35), auf die Erkenntniß und Ver-
beſſerung des unrichtigen Ausdrucks niemals angewendet
werden darf. Denn es iſt einleuchtend, daß darin nicht
eine Ausgleichung des Ausdrucks mit dem Gedanken, ſon-
dern eine verſuchte Verbeſſerung des Gedankens ſelbſt,
enthalten ſeyn würde. Dieſes kann als Fortbildung des
Rechts heilſam ſeyn, von einer Auslegung kann es nur
den Namen an ſich tragen.

§. 38.
Auslegung der Juſtinianiſchen Geſetze (Kritik).

Die aufgeſtellten allgemeinen Grundſätze der Ausle-
gung ſollen nunmehr auf die Juſtinianiſche Geſetzgebung
insbeſondere angewendet werden, deren Auslegung wieder
neue Schwierigkeiten mit ſich führt, und neue Regeln
des Verfahrens nöthig macht. Dabey wird hier die
geſchichtliche Kenntniß dieſer Geſetzgebung vollſtändig

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0296" n="240"/>
            <fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Auslegung der Ge&#x017F;etze.</fw><lb/>
            <p>I&#x017F;t nun al&#x017F;o der &#x017F;pecielle Ge&#x017F;etzgrund zur Berichtigung<lb/>
des Ausdrucks zulä&#x017F;&#x017F;ig, der generelle unzulä&#x017F;&#x017F;ig, &#x017F;o muß<lb/>
zugleich daran erinnert werden, daß es zwi&#x017F;chen die&#x017F;en<lb/>
beiden Arten von Gründen keine &#x017F;charfe Gränze giebt<lb/>
(§ 34). Durch die mancherley allmäligen Übergänge, die<lb/>
&#x017F;ich hierin bilden, wird oft die Möglichkeit wahrer Aus-<lb/>
legung zweifelhaft, und die Unter&#x017F;cheidung der&#x017F;elben von<lb/>
Fortbildung des Rechts &#x017F;chwierig werden.</p><lb/>
            <p>Dagegen i&#x017F;t es durchaus keinem Zweifel unterworfen,<lb/>
daß das dritte oben angegebene Hülfsmittel, der innere<lb/>
Werth des Re&#x017F;ultats (§ 35), auf die Erkenntniß und Ver-<lb/>
be&#x017F;&#x017F;erung des unrichtigen Ausdrucks niemals angewendet<lb/>
werden darf. Denn es i&#x017F;t einleuchtend, daß darin nicht<lb/>
eine Ausgleichung des Ausdrucks mit dem Gedanken, &#x017F;on-<lb/>
dern eine ver&#x017F;uchte Verbe&#x017F;&#x017F;erung des Gedankens &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
enthalten &#x017F;eyn würde. Die&#x017F;es kann als Fortbildung des<lb/>
Rechts heil&#x017F;am &#x017F;eyn, von einer Auslegung kann es nur<lb/>
den Namen an &#x017F;ich tragen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 38.<lb/><hi rendition="#g">Auslegung der Ju&#x017F;tiniani&#x017F;chen Ge&#x017F;etze</hi> (Kritik).</head><lb/>
            <p>Die aufge&#x017F;tellten allgemeinen Grund&#x017F;ätze der Ausle-<lb/>
gung &#x017F;ollen nunmehr auf die Ju&#x017F;tiniani&#x017F;che Ge&#x017F;etzgebung<lb/>
insbe&#x017F;ondere angewendet werden, deren Auslegung wieder<lb/>
neue Schwierigkeiten mit &#x017F;ich führt, und neue Regeln<lb/>
des Verfahrens nöthig macht. Dabey wird hier die<lb/>
ge&#x017F;chichtliche Kenntniß die&#x017F;er Ge&#x017F;etzgebung voll&#x017F;tändig<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[240/0296] Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze. Iſt nun alſo der ſpecielle Geſetzgrund zur Berichtigung des Ausdrucks zuläſſig, der generelle unzuläſſig, ſo muß zugleich daran erinnert werden, daß es zwiſchen dieſen beiden Arten von Gründen keine ſcharfe Gränze giebt (§ 34). Durch die mancherley allmäligen Übergänge, die ſich hierin bilden, wird oft die Möglichkeit wahrer Aus- legung zweifelhaft, und die Unterſcheidung derſelben von Fortbildung des Rechts ſchwierig werden. Dagegen iſt es durchaus keinem Zweifel unterworfen, daß das dritte oben angegebene Hülfsmittel, der innere Werth des Reſultats (§ 35), auf die Erkenntniß und Ver- beſſerung des unrichtigen Ausdrucks niemals angewendet werden darf. Denn es iſt einleuchtend, daß darin nicht eine Ausgleichung des Ausdrucks mit dem Gedanken, ſon- dern eine verſuchte Verbeſſerung des Gedankens ſelbſt, enthalten ſeyn würde. Dieſes kann als Fortbildung des Rechts heilſam ſeyn, von einer Auslegung kann es nur den Namen an ſich tragen. §. 38. Auslegung der Juſtinianiſchen Geſetze (Kritik). Die aufgeſtellten allgemeinen Grundſätze der Ausle- gung ſollen nunmehr auf die Juſtinianiſche Geſetzgebung insbeſondere angewendet werden, deren Auslegung wieder neue Schwierigkeiten mit ſich führt, und neue Regeln des Verfahrens nöthig macht. Dabey wird hier die geſchichtliche Kenntniß dieſer Geſetzgebung vollſtändig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/296
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/296>, abgerufen am 22.12.2024.