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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Deß innerlichen Gebetts.
Untugend oder Laster herrühre: was für Wirckung selbige Tugend nach sich
führe: auff welche Weiß diese Tugend müsse erworben/ und das Laster ge-
bessert werden: Wo und Wann solches am fügligsten geschehen könne &c.
Jm Zweyten Punet/ wann du erwegest die Weiß und Manier/ durch wel-
the die Heilige GOttes/ da sie auff Erden lebten/ sich bemühet hatten/ die-
se Tugend zu pflantzen/ oder diese Uutngend außzurotten. Jm dritten
Punet solstu erwegen die Antriebe/ krafft deren du diese Tugend leichtlicher
erhalten mögest. Diese Puneten können nach Gelegenheit der Zeit ver-
längert werden durch folgende Diseürsen deß Gottseligen Vatters Jacobi
Alvarez.
Erstlich kanstu die Augen deines Hertzens auff dich selbsten
schlagen/ und reden deine Seel also an: O meine Seel/ siehe doch/ was für
dich undanckbare Creatur dein Heyland leide; was grausambe Sachen/ und
daß zwarn auß pur lauter Liebe? Wie schuldig bistu/ mit ihm ein Mitleiden
zu haben/ ihn wider zu lieben/ und ihm zu folgen. Zum anderen kanstu dich
zu deinem gegenwertigen GOtt wenden folgender Gestalt: O gütigster JE-
su/ der du bist ein König der Glory/ der du meiner Lieb/ meines Lobs und
aller meiner Wesenheit im geringsten nicht bedarffs; stehestu für deinen
allerunwürdigsten Diener so grosse Widerwärtigkeit auß? und daß zwarn
auß Liebe allein? Was bin ich elender Schlave nicht schüldig? &c. Zum
Dritten/ kanstu deinen GOtt dir also zusprechend anhören: siehe/ mein
Mensch/ ich dein Erschöffer und Erlöser leide für dich/ der du mir so un-
danckbar bist/ und daß zwarn/ auff daß ich dich von den Sünden und Pey-
nen der Höllen befreye; mir nach zufolgen/ dich einlade; und endlich/ der
allzeit währender Seeligkeit dich theilhafftig mache. Solstu dann nicht
billig mich wieder lieben/ und mir zu lieb auch etwas beschwerliches leyden?

Von der Neigung und Wirckung.

Durch diese vorhergegangene Wirckungen/ oder vielmehr Discursen muß
der Betrachtende sich untersichen/ gute und andächtige Affecten und Be-
wegungen deß Hertzens zu erwecken; deren einige/ ob wohl sie zum Stand
der Reinigung gehören (als da ist die Bewegung der Rew und Leid) einige
zum Stand der Erleuchtung (als da ist die Nachfolgung) und andere zum
Stand der Vereinigung (wie da ist die Liebe) so werden doch diese zehn Be-
wegungen und Affecten deß Hertzens in aller vorfallenden Materi zum
meisten gebraucht; denen alle andere leichtlich können zugesellet werden.
Nemblich/ die Bewegung oder Ubung deß Glaubens/ der Hoffnung/ der
Liebe/ der Forcht/ der Verwunderung/ der Danckbarkeit/ der Freude/ der

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Deß innerlichen Gebetts.
Untugend oder Laſter herruͤhre: was fuͤr Wirckung ſelbige Tugend nach ſich
fuͤhre: auff welche Weiß dieſe Tugend muͤſſe erworben/ und das Laſter ge-
beſſert werden: Wo und Wann ſolches am fuͤgligſten geſchehen koͤnne &c.
Jm Zweyten Punet/ wann du erwegeſt die Weiß und Manier/ durch wel-
the die Heilige GOttes/ da ſie auff Erden lebten/ ſich bemuͤhet hatten/ die-
ſe Tugend zu pflantzen/ oder dieſe Uutngend außzurotten. Jm dritten
Punet ſolſtu erwegen die Antriebe/ krafft deren du dieſe Tugend leichtlicher
erhalten moͤgeſt. Dieſe Puneten koͤnnen nach Gelegenheit der Zeit ver-
laͤngert werden durch folgende Diſeuͤrſen deß Gottſeligen Vatters Jacobi
Alvarez.
Erſtlich kanſtu die Augen deines Hertzens auff dich ſelbſten
ſchlagen/ und reden deine Seel alſo an: O meine Seel/ ſiehe doch/ was fuͤr
dich undanckbare Creatur dein Heyland leide; was grauſambe Sachen/ und
daß zwarn auß pur lauter Liebe? Wie ſchuldig biſtu/ mit ihm ein Mitleiden
zu haben/ ihn wider zu lieben/ und ihm zu folgen. Zum anderen kanſtu dich
zu deinem gegenwertigen GOtt wenden folgender Geſtalt: O guͤtigſter JE-
ſu/ der du biſt ein Koͤnig der Glory/ der du meiner Lieb/ meines Lobs und
aller meiner Weſenheit im geringſten nicht bedarffs; ſteheſtu fuͤr deinen
allerunwuͤrdigſten Diener ſo groſſe Widerwaͤrtigkeit auß? und daß zwarn
auß Liebe allein? Was bin ich elender Schlave nicht ſchuͤldig? &c. Zum
Dritten/ kanſtu deinen GOtt dir alſo zuſprechend anhoͤren: ſiehe/ mein
Menſch/ ich dein Erſchoͤffer und Erloͤſer leide fuͤr dich/ der du mir ſo un-
danckbar biſt/ und daß zwarn/ auff daß ich dich von den Suͤnden und Pey-
nen der Hoͤllen befreye; mir nach zufolgen/ dich einlade; und endlich/ der
allzeit waͤhrender Seeligkeit dich theilhafftig mache. Solſtu dann nicht
billig mich wieder lieben/ und mir zu lieb auch etwas beſchwerliches leyden?

Von der Neigung und Wirckung.

Durch dieſe vorhergegangene Wirckungen/ oder vielmehr Diſcurſen muß
der Betrachtende ſich unterſichen/ gute und andaͤchtige Affecten und Be-
wegungen deß Hertzens zu erwecken; deren einige/ ob wohl ſie zum Stand
der Reinigung gehoͤren (als da iſt die Bewegung der Rew und Leid) einige
zum Stand der Erleuchtung (als da iſt die Nachfolgung) und andere zum
Stand der Vereinigung (wie da iſt die Liebe) ſo werden doch dieſe zehn Be-
wegungen und Affecten deß Hertzens in aller vorfallenden Materi zum
meiſten gebraucht; denen alle andere leichtlich koͤnnen zugeſellet werden.
Nemblich/ die Bewegung oder Ubung deß Glaubens/ der Hoffnung/ der
Liebe/ der Forcht/ der Verwunderung/ der Danckbarkeit/ der Freude/ der

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[469/0497] Deß innerlichen Gebetts. Untugend oder Laſter herruͤhre: was fuͤr Wirckung ſelbige Tugend nach ſich fuͤhre: auff welche Weiß dieſe Tugend muͤſſe erworben/ und das Laſter ge- beſſert werden: Wo und Wann ſolches am fuͤgligſten geſchehen koͤnne &c. Jm Zweyten Punet/ wann du erwegeſt die Weiß und Manier/ durch wel- the die Heilige GOttes/ da ſie auff Erden lebten/ ſich bemuͤhet hatten/ die- ſe Tugend zu pflantzen/ oder dieſe Uutngend außzurotten. Jm dritten Punet ſolſtu erwegen die Antriebe/ krafft deren du dieſe Tugend leichtlicher erhalten moͤgeſt. Dieſe Puneten koͤnnen nach Gelegenheit der Zeit ver- laͤngert werden durch folgende Diſeuͤrſen deß Gottſeligen Vatters Jacobi Alvarez. Erſtlich kanſtu die Augen deines Hertzens auff dich ſelbſten ſchlagen/ und reden deine Seel alſo an: O meine Seel/ ſiehe doch/ was fuͤr dich undanckbare Creatur dein Heyland leide; was grauſambe Sachen/ und daß zwarn auß pur lauter Liebe? Wie ſchuldig biſtu/ mit ihm ein Mitleiden zu haben/ ihn wider zu lieben/ und ihm zu folgen. Zum anderen kanſtu dich zu deinem gegenwertigen GOtt wenden folgender Geſtalt: O guͤtigſter JE- ſu/ der du biſt ein Koͤnig der Glory/ der du meiner Lieb/ meines Lobs und aller meiner Weſenheit im geringſten nicht bedarffs; ſteheſtu fuͤr deinen allerunwuͤrdigſten Diener ſo groſſe Widerwaͤrtigkeit auß? und daß zwarn auß Liebe allein? Was bin ich elender Schlave nicht ſchuͤldig? &c. Zum Dritten/ kanſtu deinen GOtt dir alſo zuſprechend anhoͤren: ſiehe/ mein Menſch/ ich dein Erſchoͤffer und Erloͤſer leide fuͤr dich/ der du mir ſo un- danckbar biſt/ und daß zwarn/ auff daß ich dich von den Suͤnden und Pey- nen der Hoͤllen befreye; mir nach zufolgen/ dich einlade; und endlich/ der allzeit waͤhrender Seeligkeit dich theilhafftig mache. Solſtu dann nicht billig mich wieder lieben/ und mir zu lieb auch etwas beſchwerliches leyden? Von der Neigung und Wirckung. Durch dieſe vorhergegangene Wirckungen/ oder vielmehr Diſcurſen muß der Betrachtende ſich unterſichen/ gute und andaͤchtige Affecten und Be- wegungen deß Hertzens zu erwecken; deren einige/ ob wohl ſie zum Stand der Reinigung gehoͤren (als da iſt die Bewegung der Rew und Leid) einige zum Stand der Erleuchtung (als da iſt die Nachfolgung) und andere zum Stand der Vereinigung (wie da iſt die Liebe) ſo werden doch dieſe zehn Be- wegungen und Affecten deß Hertzens in aller vorfallenden Materi zum meiſten gebraucht; denen alle andere leichtlich koͤnnen zugeſellet werden. Nemblich/ die Bewegung oder Ubung deß Glaubens/ der Hoffnung/ der Liebe/ der Forcht/ der Verwunderung/ der Danckbarkeit/ der Freude/ der Zer- N n n 3

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/497>, abgerufen am 21.11.2024.