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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von dem Gehorsamb.
biß auff ihre Widerkunfft zu warten. Sie aber verrichtet inzwischen ihr
aufferlegtes Werck mit freuden/ und eilet nach dessen Vollendung wiederum
zur Cellen; in deren Eröffnung ihren Augen ein so frembdes und hell-schei-
nendes Licht vorkommet/ daß sie selbiges kaum ertragen können; und sehet
das verlassene Knäblein nunmehr in die Gestalt eines überauß schönen/ und
ungefehr vier und zwantzig- jährigen Jünglings verändert; derhalben sie
mit grosser Verwunderung denselben anredet und fragt/ wie und warumb
er in so weniger Zeit auß einem kleinen Kindlein zu solcher Grösse gelangt
seye? er aber gibt zur Antwort/ und sagt: liebe Tochter/ die nidrige De-
mut deines geschwinden und unverdrossenen Gehorsambs hat mich in so
kurtzer Zeit so groß gemacht; derhalben solstu auß Liebe meiner allzeit gern ge-
horchen/ wann du mit mir ohne Mittel immer verlangest vereiniget zu seyn.
Das nun der Göttlichen Majestätein solcher Gehorsamb sehr gefalle/
kanstu dir/ mein Christliche Seel/ leichtlich einbilden/ wann du dich erin-
nerest/ daß Gott erstlich den guten Willen zum Werck gleich dem Werck
selbsten belohne/ und zum andern die Verleugnung deß eigenen Wil-
lens an einem Geistlichen über alles liebe; daß er also/ nach der jeni-
gen Versicherung/ so die glorwürdige Himmels- Königin der Heil.Revel. L.
4. c.
26.

Brigittä gegeben/ den Verdienst deß Wercks nicht allein nicht verliere;
sondern noch darzu einen andern Lohn deß Gehorsambs gewinne.
Weiters mustu wissen/ daß diese die vortreffliche Ubung deß Ge-
horsambs seye/ wann du nemblich dem Gebott/ so von der Obrigkeit
noch nicht würcklich gegeben worden; sondern wissest/ daß die Verrich-
tung desselben deinen Obern lieb seye/ durch deine Hurtigkeit vorkommest:
dann gleich wie der jenige/ so vor der bestimbten Zeit die Bezahlung leistet/
ein Werck der vollkommenen Gerechtigkeit übet; also verrichtet der Geist-
liche einen warhafften und vollkommenen Gehorsamb/ welcher den Befelch
seiner Obrigkeit vorkombt. Wann du nun die obgesetzte Lehr unsträfflich
gehalten hast/ so lese die dritte Eigenschafft deß Gehorsambs.

Der Vierdte Theil.

19. DRitte Eigenschafft bestehet darinn/ daß der Gehor-
samb starck und beständig seye/ und wegen immer vorfallen-
den Beschwärlichkeit zumahlen nicht geschwächet werde/ nach
dem Exempel unsers Erlösers/ der da gehorsamb worden ist biß zum Todt/
und zwarn biß zum Tod deß Creutzes; und der/ damit ich mich der Wor-
ten deß H. Bernardi gebrauche/ umb Erhaltung deß Gehorsambs/ das

Leben
K k 3

Von dem Gehorſamb.
biß auff ihre Widerkunfft zu warten. Sie aber verrichtet inzwiſchen ihr
aufferlegtes Werck mit freuden/ und eilet nach deſſen Vollendung wiederum
zur Cellen; in deren Eroͤffnung ihren Augen ein ſo frembdes und hell-ſchei-
nendes Licht vorkommet/ daß ſie ſelbiges kaum ertragen koͤnnen; und ſehet
das verlaſſene Knaͤblein nunmehr in die Geſtalt eines uͤberauß ſchoͤnen/ und
ungefehr vier und zwantzig- jaͤhrigen Juͤnglings veraͤndert; derhalben ſie
mit groſſer Verwunderung denſelben anredet und fragt/ wie und warumb
er in ſo weniger Zeit auß einem kleinen Kindlein zu ſolcher Groͤſſe gelangt
ſeye? er aber gibt zur Antwort/ und ſagt: liebe Tochter/ die nidrige De-
mut deines geſchwinden und unverdroſſenen Gehorſambs hat mich in ſo
kurtzer Zeit ſo groß gemacht; derhalben ſolſtu auß Liebe meiner allzeit gern ge-
horchen/ wann du mit mir ohne Mittel immer verlangeſt vereiniget zu ſeyn.
Das nun der Goͤttlichen Majeſtaͤtein ſolcher Gehorſamb ſehr gefalle/
kanſtu dir/ mein Chriſtliche Seel/ leichtlich einbilden/ wann du dich erin-
nereſt/ daß Gott erſtlich den guten Willen zum Werck gleich dem Werck
ſelbſten belohne/ und zum andern die Verleugnung deß eigenen Wil-
lens an einem Geiſtlichen uͤber alles liebe; daß er alſo/ nach der jeni-
gen Verſicherung/ ſo die glorwuͤrdige Himmels- Koͤnigin der Heil.Revel. L.
4. c.
26.

Brigittaͤ gegeben/ den Verdienſt deß Wercks nicht allein nicht verliere;
ſondern noch darzu einen andern Lohn deß Gehorſambs gewinne.
Weiters muſtu wiſſen/ daß dieſe die vortreffliche Ubung deß Ge-
horſambs ſeye/ wann du nemblich dem Gebott/ ſo von der Obrigkeit
noch nicht wuͤrcklich gegeben worden; ſondern wiſſeſt/ daß die Verrich-
tung deſſelben deinen Obern lieb ſeye/ durch deine Hurtigkeit vorkommeſt:
dann gleich wie der jenige/ ſo vor der beſtimbten Zeit die Bezahlung leiſtet/
ein Werck der vollkommenen Gerechtigkeit uͤbet; alſo verrichtet der Geiſt-
liche einen warhafften und vollkommenen Gehorſamb/ welcher den Befelch
ſeiner Obrigkeit vorkombt. Wann du nun die obgeſetzte Lehr unſtraͤfflich
gehalten haſt/ ſo leſe die dritte Eigenſchafft deß Gehorſambs.

Der Vierdte Theil.

19. DRitte Eigenſchafft beſtehet darinn/ daß der Gehor-
ſamb ſtarck und beſtaͤndig ſeye/ und wegen immer vorfallen-
den Beſchwaͤrlichkeit zumahlen nicht geſchwaͤchet werde/ nach
dem Exempel unſers Erloͤſers/ der da gehorſamb worden iſt biß zum Todt/
und zwarn biß zum Tod deß Creutzes; und der/ damit ich mich der Wor-
ten deß H. Bernardi gebrauche/ umb Erhaltung deß Gehorſambs/ das

Leben
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[261/0289] Von dem Gehorſamb. biß auff ihre Widerkunfft zu warten. Sie aber verrichtet inzwiſchen ihr aufferlegtes Werck mit freuden/ und eilet nach deſſen Vollendung wiederum zur Cellen; in deren Eroͤffnung ihren Augen ein ſo frembdes und hell-ſchei- nendes Licht vorkommet/ daß ſie ſelbiges kaum ertragen koͤnnen; und ſehet das verlaſſene Knaͤblein nunmehr in die Geſtalt eines uͤberauß ſchoͤnen/ und ungefehr vier und zwantzig- jaͤhrigen Juͤnglings veraͤndert; derhalben ſie mit groſſer Verwunderung denſelben anredet und fragt/ wie und warumb er in ſo weniger Zeit auß einem kleinen Kindlein zu ſolcher Groͤſſe gelangt ſeye? er aber gibt zur Antwort/ und ſagt: liebe Tochter/ die nidrige De- mut deines geſchwinden und unverdroſſenen Gehorſambs hat mich in ſo kurtzer Zeit ſo groß gemacht; derhalben ſolſtu auß Liebe meiner allzeit gern ge- horchen/ wann du mit mir ohne Mittel immer verlangeſt vereiniget zu ſeyn. Das nun der Goͤttlichen Majeſtaͤtein ſolcher Gehorſamb ſehr gefalle/ kanſtu dir/ mein Chriſtliche Seel/ leichtlich einbilden/ wann du dich erin- nereſt/ daß Gott erſtlich den guten Willen zum Werck gleich dem Werck ſelbſten belohne/ und zum andern die Verleugnung deß eigenen Wil- lens an einem Geiſtlichen uͤber alles liebe; daß er alſo/ nach der jeni- gen Verſicherung/ ſo die glorwuͤrdige Himmels- Koͤnigin der Heil. Brigittaͤ gegeben/ den Verdienſt deß Wercks nicht allein nicht verliere; ſondern noch darzu einen andern Lohn deß Gehorſambs gewinne. Weiters muſtu wiſſen/ daß dieſe die vortreffliche Ubung deß Ge- horſambs ſeye/ wann du nemblich dem Gebott/ ſo von der Obrigkeit noch nicht wuͤrcklich gegeben worden; ſondern wiſſeſt/ daß die Verrich- tung deſſelben deinen Obern lieb ſeye/ durch deine Hurtigkeit vorkommeſt: dann gleich wie der jenige/ ſo vor der beſtimbten Zeit die Bezahlung leiſtet/ ein Werck der vollkommenen Gerechtigkeit uͤbet; alſo verrichtet der Geiſt- liche einen warhafften und vollkommenen Gehorſamb/ welcher den Befelch ſeiner Obrigkeit vorkombt. Wann du nun die obgeſetzte Lehr unſtraͤfflich gehalten haſt/ ſo leſe die dritte Eigenſchafft deß Gehorſambs. Revel. L. 4. c. 26. Der Vierdte Theil. 19. DRitte Eigenſchafft beſtehet darinn/ daß der Gehor- ſamb ſtarck und beſtaͤndig ſeye/ und wegen immer vorfallen- den Beſchwaͤrlichkeit zumahlen nicht geſchwaͤchet werde/ nach dem Exempel unſers Erloͤſers/ der da gehorſamb worden iſt biß zum Todt/ und zwarn biß zum Tod deß Creutzes; und der/ damit ich mich der Wor- ten deß H. Bernardi gebrauche/ umb Erhaltung deß Gehorſambs/ das Leben K k 3

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/289>, abgerufen am 21.11.2024.