Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680.[Spaltenumbruch] andere verachtet/ und sich gantz allein auf die Betrachtung Göttlicher Dinge begiebt: welches dann Anlaß zur Fabel gegeben/ daß unter der Regierung des Saturnus die güldne Zeit geblühet habe/ darinnen ein ungestört und geruhlich stilles Leben geführet worden; Dann also leben die jenigen/ welche/ nach abgelegter irrdisch-vergänglicher Last/ allein ihr einiges Verlangen nach der Betrachtung himmlischer Dinge haben. Dahero ich gänzlich davor halte/ es gebrauche sich Plato des Worts Saturnus nicht wenig/ wann er den ersten Geist oder das Gemüth bedeuten will/ welches allen Dingen ihre Währung/ Leben und Ordnung giebt. Wir übergehen aber alles dieses freywillig der Stillschweigen/ dieweil es zu den Bildnussen des Saturnus/ derer Beschreibung wir uns vorgenommen/ nichts zu dienen scheinet. Die Alten haben Ihn/ wie Macrobius erzehlet/ mit einem wüllenen Bande an Füssen gebunden abgebildet/ und ihn das gantze Jahr also verwahrt/ ausgenommen an ihren Fest-Tägen/ das ist/ im December/ zu welcher Zeit sie ihn aufgelöst; dardurch anzudeuten/ daß der Saame im Mutter-Leibe/ im zehnten Monat/ nachdem er eine lebendige Seele worden/ zum Leben erwachse/ und mit den zarten Banden der Natur angehalten werde/ bis er an das Tages-Liecht herausbreche. Und dannenhero ist auch das Sprichwort entstanden/ daß die Götter wüllene Füsse haben: welches von einigen also erkläret wird/ daß die Göttliche Allmacht nicht schnell oder geschwind/ noch mit grossem Geschrey/ zur Rache wider die jenige schreite/ die sie beleidigt haben/ sondern gantz gemächlich gehe/ und sie/ wann sie sich [Spaltenumbruch] dessen am wenigsten versehen/ zu überfallen pflege. Man hält davor/ Saturnus/ sey an den Füssen gebunden;entweder weil alle Dinge auf diesem Runde der Erden und des Himmels dergestalt unter einander verbunden/ daß eines in der Ordnung immer auf das andere folge; oder weil die Zeiten also an einander hangen/ daß sie immer auf einander folgen. Weil sie aber aufs allerschnellste dahin fliessen/ haben vielleicht die Poeten gedichtet/ daß Saturnus in das allerschnellste Pferd verwandelt worden sey/ als er von seiner Gemahlin bey der Nymphen Philyra liegend (von dem sie auch Chiron den Centaurum empfangen) angetroffen worden; Jedoch hat er/ als Er sich in ein Pferd verwandelt/ sich stracks seiner Gemahlin Augen entzogen. Dahero Virgilius im 3. Buch vom Feldbau und Ackerwerck/ wann er uns das schönste Pferd vorstellen will/ den Saturnus einführet/ indem er saget: Von dergleichen Art war auch der schnelle Saturnus/ als er/ bey Ankunfft seiner Gemahlin/ mit dem schönen von Halse abhangenden Mähne den hohen Berg Pelion hinauf flohe/ und denselben mit seinem hellthönenden Wiehern allenthalben erfüllete. Es dienet aber die Abhandlung dieser Sachen mehr für den/ der ihme der Alten Götter Fabeln zu erklären vorgesetzt/ als für uns/ die wir nur die Bildnussen zu entwerffen uns entschlossen haben. Und weil wir nunmehro vom Saturnus genug geredt zu haben vermeinen/ als achten wir für nützlich/ weiter/ und zwar zum Janus/ als seinem Mit-Regenten und Reichsgenossen/ fortzuschreiten. Von dem Janus.
[Spaltenumbruch]
ES ist aus den Historien bekannt/ daß Saturnus und Janus auf eine Zeit in Italien regiert haben. Macrobius setzet hinzu/ Janus habe daselbst den Göttern am ersten unter allen einige Tempel erbauet/ und den Gottesdienst angeordnet: Dannenhero er auch selbst für einen Gott gehalten worden; wie dann die Latiner/ auf der Alten Verordnung/ in den Opffern/ iederzeit von dem Janus den Anfang gemacht/ welches/ wie sie sagen/ auch darum geschehen/ dieweil sie geglaubt/ er stehe vor der Thür deß Himmels/ und könne unser Gebet dahin nicht dringen/ wofern er nicht einen [Spaltenumbruch] Zutritt machte: Ja/ es wäre nöhtig/ daß von ihme die Hände unterstützet würden/ damit Wie das Gebet beschaffen. es hinien gehen könte; Dann das Gebet an und für sich selbst/ wie der Poet Homerus will/ lahm ist: dessen Ursach man leichtlich diese geben könte/ weil wir vor dem jenigen/ den wir anbeten/ die Knie zu beugen pflegen/ oder/ weil wir/ wann wir umb etwas bitten wollen/ ungewiß sind/ ob wir dasselbe erlangen werden oder nicht. Es ist das Gebet auch betrübtes Angesichts und übersichtiger Augen/ weil es die/ so es beleidigt/ und um Verzeihung anruffen will/kaum/ oder doch mit wehmühtigen Himmels Thüren. Minen/ anzusehen pfleget. Der Himmels-Thüren sind zwo/ die eine gegen Morgen/ durch welche die Sonne/ wann sie den [Spaltenumbruch] andere verachtet/ und sich gantz allein auf die Betrachtung Göttlicher Dinge begiebt: welches dann Anlaß zur Fabel gegeben/ daß unter der Regierung des Saturnus die güldne Zeit geblühet habe/ darinnen ein ungestört und geruhlich stilles Leben geführet worden; Dann also leben die jenigen/ welche/ nach abgelegter irrdisch-vergänglicher Last/ allein ihr einiges Verlangen nach der Betrachtung himmlischer Dinge haben. Dahero ich gänzlich davor halte/ es gebrauche sich Plato des Worts Saturnus nicht wenig/ wann er den ersten Geist oder das Gemüth bedeuten will/ welches allen Dingen ihre Währung/ Leben und Ordnung giebt. Wir übergehen aber alles dieses freywillig der Stillschweigen/ dieweil es zu den Bildnussen des Saturnus/ derer Beschreibung wir uns vorgenommen/ nichts zu dienen scheinet. Die Alten haben Ihn/ wie Macrobius erzehlet/ mit einem wüllenen Bande an Füssen gebunden abgebildet/ und ihn das gantze Jahr also verwahrt/ ausgenommen an ihren Fest-Tägen/ das ist/ im December/ zu welcher Zeit sie ihn aufgelöst; dardurch anzudeuten/ daß der Saame im Mutter-Leibe/ im zehnten Monat/ nachdem er eine lebendige Seele worden/ zum Leben erwachse/ und mit den zarten Banden der Natur angehalten werde/ bis er an das Tages-Liecht herausbreche. Und dannenhero ist auch das Sprichwort entstanden/ daß die Götter wüllene Füsse haben: welches von einigen also erkläret wird/ daß die Göttliche Allmacht nicht schnell oder geschwind/ noch mit grossem Geschrey/ zur Rache wider die jenige schreite/ die sie beleidigt haben/ sondern gantz gemächlich gehe/ und sie/ wann sie sich [Spaltenumbruch] dessen am wenigsten versehen/ zu überfallen pflege. Man hält davor/ Saturnus/ sey an den Füssen gebunden;entweder weil alle Dinge auf diesem Runde der Erden und des Himmels dergestalt unter einander verbunden/ daß eines in der Ordnung immer auf das andere folge; oder weil die Zeiten also an einander hangen/ daß sie immer auf einander folgen. Weil sie aber aufs allerschnellste dahin fliessen/ haben vielleicht die Poeten gedichtet/ daß Saturnus in das allerschnellste Pferd verwandelt worden sey/ als er von seiner Gemahlin bey der Nymphen Philyra liegend (von dem sie auch Chiron den Centaurum empfangen) angetroffen worden; Jedoch hat er/ als Er sich in ein Pferd verwandelt/ sich stracks seiner Gemahlin Augen entzogen. Dahero Virgilius im 3. Buch vom Feldbau und Ackerwerck/ wann er uns das schönste Pferd vorstellen will/ den Saturnus einführet/ indem er saget: Von dergleichen Art war auch der schnelle Saturnus/ als er/ bey Ankunfft seiner Gemahlin/ mit dem schönen von Halse abhangenden Mähne den hohen Berg Pelion hinauf flohe/ und denselben mit seinem hellthönenden Wiehern allenthalben erfüllete. Es dienet aber die Abhandlung dieser Sachen mehr für den/ der ihme der Alten Götter Fabeln zu erklären vorgesetzt/ als für uns/ die wir nur die Bildnussen zu entwerffen uns entschlossen haben. Und weil wir nunmehro vom Saturnus genug geredt zu haben vermeinen/ als achten wir für nützlich/ weiter/ und zwar zum Janus/ als seinem Mit-Regenten und Reichsgenossen/ fortzuschreiten. Von dem Janus.
[Spaltenumbruch]
ES ist aus den Historien bekannt/ daß Saturnus und Janus auf eine Zeit in Italien regiert haben. Macrobius setzet hinzu/ Janus habe daselbst den Göttern am ersten unter allen einige Tempel erbauet/ und den Gottesdienst angeordnet: Dannenhero er auch selbst für einen Gott gehalten worden; wie dann die Latiner/ auf der Alten Verordnung/ in den Opffern/ iederzeit von dem Janus den Anfang gemacht/ welches/ wie sie sagen/ auch darum geschehen/ dieweil sie geglaubt/ er stehe vor der Thür deß Himmels/ und könne unser Gebet dahin nicht dringen/ wofern er nicht einen [Spaltenumbruch] Zutritt machte: Ja/ es wäre nöhtig/ daß von ihme die Hände unterstützet würden/ damit Wie das Gebet beschaffen. es hinien gehen könte; Dann das Gebet an und für sich selbst/ wie der Poet Homerus will/ lahm ist: dessen Ursach man leichtlich diese geben könte/ weil wir vor dem jenigen/ den wir anbeten/ die Knie zu beugen pflegen/ oder/ weil wir/ wann wir umb etwas bitten wollen/ ungewiß sind/ ob wir dasselbe erlangen werden oder nicht. Es ist das Gebet auch betrübtes Angesichts und übersichtiger Augen/ weil es die/ so es beleidigt/ und um Verzeihung anruffen will/kaum/ oder doch mit wehmühtigen Himmels Thüren. Minen/ anzusehen pfleget. Der Himmels-Thüren sind zwo/ die eine gegen Morgen/ durch welche die Sonne/ wann sie den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="d1360.1"> <p><pb facs="#f0072" xml:id="pb-1363" n="TA 1680, Iconologia Deorum, S. 16"/><cb/> andere verachtet/ und sich gantz allein auf die Betrachtung Göttlicher Dinge begiebt: welches dann Anlaß zur Fabel gegeben/ daß unter der Regierung des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-98 http://d-nb.info/gnd/118804758 http://viaf.org/viaf/67261976">Saturnus</persName> die güldne Zeit geblühet habe/ darinnen ein ungestört und geruhlich stilles Leben geführet worden; Dann also leben die jenigen/ welche/ nach abgelegter irrdisch-vergänglicher Last/ allein ihr einiges Verlangen nach der Betrachtung himmlischer Dinge haben. 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andere verachtet/ und sich gantz allein auf die Betrachtung Göttlicher Dinge begiebt: welches dann Anlaß zur Fabel gegeben/ daß unter der Regierung des Saturnus die güldne Zeit geblühet habe/ darinnen ein ungestört und geruhlich stilles Leben geführet worden; Dann also leben die jenigen/ welche/ nach abgelegter irrdisch-vergänglicher Last/ allein ihr einiges Verlangen nach der Betrachtung himmlischer Dinge haben. Dahero ich gänzlich davor halte/ es gebrauche sich Plato des Worts Saturnus nicht wenig/ wann er den ersten Geist oder das Gemüth bedeuten will/ welches allen Dingen ihre Währung/ Leben und Ordnung giebt.
Wir übergehen aber alles dieses freywillig der Stillschweigen/ dieweil es zu den Bildnussen des Saturnus/ derer Beschreibung wir uns vorgenommen/ nichts zu dienen scheinet. Die Alten haben Ihn/ wie Macrobius erzehlet/ mit einem wüllenen Bande an Füssen gebunden abgebildet/ und ihn das gantze Jahr also verwahrt/ ausgenommen an ihren Fest-Tägen/ das ist/ im December/ zu welcher Zeit sie ihn aufgelöst; dardurch anzudeuten/ daß der Saame im Mutter-Leibe/ im zehnten Monat/ nachdem er eine lebendige Seele worden/ zum Leben erwachse/ und mit den zarten Banden der Natur angehalten werde/ bis er an das Tages-Liecht herausbreche. Und dannenhero ist auch das Sprichwort entstanden/ daß die Götter wüllene Füsse haben: welches von einigen also erkläret wird/ daß die Göttliche Allmacht nicht schnell oder geschwind/ noch mit grossem Geschrey/ zur Rache wider die jenige schreite/ die sie beleidigt haben/ sondern gantz gemächlich gehe/ und sie/ wann sie sich
dessen am wenigsten versehen/ zu überfallen pflege. Man hält davor/ Saturnus/ sey an den Füssen gebunden;entweder weil alle Dinge auf diesem Runde der Erden und des Himmels dergestalt unter einander verbunden/ daß eines in der Ordnung immer auf das andere folge; oder weil die Zeiten also an einander hangen/ daß sie immer auf einander folgen. Weil sie aber aufs allerschnellste dahin fliessen/ haben vielleicht die Poeten gedichtet/ daß Saturnus in das allerschnellste Pferd verwandelt worden sey/ als er von seiner Gemahlin bey der Nymphen Philyra liegend (von dem sie auch Chiron den Centaurum empfangen) angetroffen worden; Jedoch hat er/ als Er sich in ein Pferd verwandelt/ sich stracks seiner Gemahlin Augen entzogen. Dahero Virgilius im 3. Buch vom Feldbau und Ackerwerck/ wann er uns das schönste Pferd vorstellen will/ den Saturnus einführet/ indem er saget: Von dergleichen Art war auch der schnelle Saturnus/ als er/ bey Ankunfft seiner Gemahlin/ mit dem schönen von Halse abhangenden Mähne den hohen Berg Pelion hinauf flohe/ und denselben mit seinem hellthönenden Wiehern allenthalben erfüllete. Es dienet aber die Abhandlung dieser Sachen mehr für den/ der ihme der Alten Götter Fabeln zu erklären vorgesetzt/ als für uns/ die wir nur die Bildnussen zu entwerffen uns entschlossen haben. Und weil wir nunmehro vom Saturnus genug geredt zu haben vermeinen/ als achten wir für nützlich/ weiter/ und zwar zum Janus/ als seinem Mit-Regenten und Reichsgenossen/ fortzuschreiten.
Von dem Janus.
ES ist aus den Historien bekannt/ daß Saturnus und Janus auf eine Zeit in Italien regiert haben. Macrobius setzet hinzu/ Janus habe daselbst den Göttern am ersten unter allen einige Tempel erbauet/ und den Gottesdienst angeordnet: Dannenhero er auch selbst für einen Gott gehalten worden; wie dann die Latiner/ auf der Alten Verordnung/ in den Opffern/ iederzeit von dem Janus den Anfang gemacht/ welches/ wie sie sagen/ auch darum geschehen/ dieweil sie geglaubt/ er stehe vor der Thür deß Himmels/ und könne unser Gebet dahin nicht dringen/ wofern er nicht einen
Zutritt machte: Ja/ es wäre nöhtig/ daß von ihme die Hände unterstützet würden/ damit es hinien gehen könte; Dann das Gebet an und für sich selbst/ wie der Poet Homerus will/ lahm ist: dessen Ursach man leichtlich diese geben könte/ weil wir vor dem jenigen/ den wir anbeten/ die Knie zu beugen pflegen/ oder/ weil wir/ wann wir umb etwas bitten wollen/ ungewiß sind/ ob wir dasselbe erlangen werden oder nicht. Es ist das Gebet auch betrübtes Angesichts und übersichtiger Augen/ weil es die/ so es beleidigt/ und um Verzeihung anruffen will/kaum/ oder doch mit wehmühtigen Minen/ anzusehen pfleget. Der Himmels-Thüren sind zwo/ die eine gegen Morgen/ durch welche die Sonne/ wann sie den
Wie das Gebet beschaffen.
Himmels Thüren.
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Zitationshilfe: | Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680, S. TA 1680, Iconologia Deorum, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_iconologia_1680/72>, abgerufen am 22.02.2025. |