Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680.[Spaltenumbruch] Charon wird vor die Zeit genommen. anweiset/ so sagt er/ es werde Charon für die Zeit genommen/ wie auch Servius es verstanden hat. Er ist ein Sohn deß Herebus/ so deß Göttlichen Gemühts geheimen Raht vorbildet Erklärung der Bildnus deß Charons./ von welchem die Zeiten/ und alles andere entsprungen ist. Seine Mutter/ sagt man/ sey die Nacht; dann vor dem Uhrstande der Zeit/ war noch kein Liecht; darum er in Finsternus gezeuget/ und aus der Finsternus geboren worden. Er ist zu den Höllen-Inwohnern gewiesen worden: dann die Himmels-Burger der Zeit nicht wie wir/ die wir den Unteren Theil der Welt-Kugel bewohnen/ benöhtigt sind: daher wir/ wann wir mit ihnen verglichen werden/ in der Hölle zu wohnen scheinen. Die Seelen führet Charon hinüber auf die andere Seiten deß Flusses; dann sobald wir geboren und an das Tages-Liecht kommen/ führet uns die Zeit zum Tode/ und setzet uns über den Fluß Achaeron/ welcher eine Beraubung aller Freude bedeutet; Sintemal wir dieses gebrechliche/ flüchtige oder hinfällige und Elendvolle Leben in lauter Mühseligkeit verschliessen. Eben dieser ist zwar alt und begreist/ iedoch auch starck und bey Kräfften; weil die Zeit durch die Langwierigkeit ihre Kräfften niemals zu verliehren pfleget. Sein Gewand oder Kleid/ wormit er bedeckt/ ist kohlschwartz und beschmutzt; anzudeuten/ daß wir/ so lang wir der Zeit unterwürffig sind/ unsere Gedancken fast nirgend anders hinwenden/ als auf das Irrdische/ so doch/ wanns mit dem ewigen/ dem wir allein nachstreben solten/ verglichen wird/ allzu gering ist. Allein es pfleget die Decke dieses sterblichen Leibes/ wormit wir bekleidet sind/ uns das Vernunfft-Liecht dermassen zu verdunckeln/ daß wir blintzelende in der Eitelkeit umher daumelen/ und den Sinnen und verderbten Affecten/ als obs die besten Gleits-Leute und Führer wären/ getrost nachfolgen. Deßwegen wir uns nicht zu verwundern haben/ daß uns alles Ubel überfället/ so bald wir in diese Hölle gerahten/ das ist/ sobald unsere Gemühter oder Seelen diese sterbliche Leiber anziehen; dann hieher kan gezogen werden/ was Virgilius im VI. Buch Aeneidos von denen in der Höllen-Pforten sitzenden Ubeln dichtet/ wann er saget: Vestibulum ante ipsum, primisque in faucibus orci [Spaltenumbruch] Luctus, & ultrices posuere cubilia curae: Pallentesqve habitant Morbi, tristis- que senectus, Et metus, & malesvada fames, & turpis Egestas: (Terribiles visu formae) Lethumque, Laborque: Tum Consanguineus Lethi sopor, & mala mentis Gaudia, mortiferumque adverso in limine Bellum: Ferreique Eumenidum thalami, & Discordia demens, Vipereum crinem vittis innexa cruentis. = = = = = = Sobald sie waren
kommen in Vorhof/ hatten da ihr Lager eingenom- men/ in Hölen hin und her/ die schwehre Trau- rigkeit/ der Unmuth/ Sorge/ Gram und nagend Hertzenleid. Es hielten sich da auf die bleichen Kranck- heit-Schaaren/ das Alter und die Furcht: auch da zu fin- den waren der Hunger/ welcher offt zum Bösen rei- zet an/ die Armut/ dero man sich nicht erfreuen kan/ mit freyer Namens-Zier die schreckliche Gestalten/ der bittre Tod und Müh/ die grimmigen Gewalten/ dann auch der süsse Schlaf/ der mit dem Tod verwandt/ die Wollusts-Uppigkeit/ und eitler Le- bens-Tand. Von dem Mercurius.
[Spaltenumbruch]
Mercurius PI.M. UNter die von den Alten erdichtete Götter waren die Ampts-Verrichtungen also ausgetheilet/ daß einem iedweden sein eignes durchs Loß zugeeignet wurde. Zween derselben wurden Götter-Botten [Spaltenumbruch] Botten der Götter. genennet/ deren einer Mercurius/ so dem Jupiter diente/ die andere Iris/ so der Juno aufwartete; iedoch ihr nicht allein/ dann man lieset/ daß sie auch dem Jupiter Dienst geleistet habe/ doch nur allein zu der Zeit/ wann er den Menschen Krieg/ Pest/ Hunger und ander grosses Unglück ankünden liesse. Deß [Spaltenumbruch] Charon wird vor die Zeit genommen. anweiset/ so sagt er/ es werde Charon für die Zeit genommen/ wie auch Servius es verstanden hat. Er ist ein Sohn deß Herebus/ so deß Göttlichen Gemühts geheimen Raht vorbildet Erklärung der Bildnus deß Charons./ von welchem die Zeiten/ und alles andere entsprungen ist. Seine Mutter/ sagt man/ sey die Nacht; dann vor dem Uhrstande der Zeit/ war noch kein Liecht; darum er in Finsternus gezeuget/ und aus der Finsternus geboren worden. Er ist zu den Höllen-Inwohnern gewiesen worden: dann die Himmels-Burger der Zeit nicht wie wir/ die wir den Unteren Theil der Welt-Kugel bewohnen/ benöhtigt sind: daher wir/ wann wir mit ihnen verglichen werden/ in der Hölle zu wohnen scheinen. Die Seelen führet Charon hinüber auf die andere Seiten deß Flusses; dann sobald wir geboren und an das Tages-Liecht kommen/ führet uns die Zeit zum Tode/ und setzet uns über den Fluß Achaeron/ welcher eine Beraubung aller Freude bedeutet; Sintemal wir dieses gebrechliche/ flüchtige oder hinfällige und Elendvolle Leben in lauter Mühseligkeit verschliessen. Eben dieser ist zwar alt und begreist/ iedoch auch starck und bey Kräfften; weil die Zeit durch die Langwierigkeit ihre Kräfften niemals zu verliehren pfleget. Sein Gewand oder Kleid/ wormit er bedeckt/ ist kohlschwartz und beschmutzt; anzudeuten/ daß wir/ so lang wir der Zeit unterwürffig sind/ unsere Gedancken fast nirgend anders hinwenden/ als auf das Irrdische/ so doch/ wanns mit dem ewigen/ dem wir allein nachstreben solten/ verglichen wird/ allzu gering ist. Allein es pfleget die Decke dieses sterblichen Leibes/ wormit wir bekleidet sind/ uns das Vernunfft-Liecht dermassen zu verdunckeln/ daß wir blintzelende in der Eitelkeit umher daumelen/ und den Sinnen und verderbten Affecten/ als obs die besten Gleits-Leute und Führer wären/ getrost nachfolgen. Deßwegen wir uns nicht zu verwundern haben/ daß uns alles Ubel überfället/ so bald wir in diese Hölle gerahten/ das ist/ sobald unsere Gemühter oder Seelen diese sterbliche Leiber anziehen; dann hieher kan gezogen werden/ was Virgilius im VI. Buch Aeneidos von denen in der Höllen-Pforten sitzenden Ubeln dichtet/ wann er saget: Vestibulum ante ipsum, primisque in faucibus orci [Spaltenumbruch] Luctus, & ultrices posuere cubilia curae: Pallentesqve habitant Morbi, tristis- que senectus, Et metus, & malesvada fames, & turpis Egestas: (Terribiles visu formae) Lethumque, Laborque: Tum Consanguineus Lethi sopor, & mala mentis Gaudia, mortiferumque adverso in limine Bellum: Ferreique Eumenidum thalami, & Discordia demens, Vipereum crinem vittis innexa cruentis. = = = = = = Sobald sie waren
kommen in Vorhof/ hatten da ihr Lager eingenom- men/ in Hölen hin und her/ die schwehre Trau- rigkeit/ der Unmuth/ Sorge/ Gram und nagend Hertzenleid. Es hielten sich da auf die bleichen Kranck- heit-Schaaren/ das Alter und die Furcht: auch da zu fin- den waren der Hunger/ welcher offt zum Bösen rei- zet an/ die Armut/ dero man sich nicht erfreuen kan/ mit freyer Namens-Zier die schreckliche Gestalten/ der bittre Tod und Müh/ die grimmigen Gewalten/ dann auch der süsse Schlaf/ der mit dem Tod verwandt/ die Wollusts-Uppigkeit/ und eitler Le- bens-Tand. Von dem Mercurius.
[Spaltenumbruch]
Mercurius PI.M. UNter die von den Alten erdichtete Götter waren die Ampts-Verrichtungen also ausgetheilet/ daß einem iedweden sein eignes durchs Loß zugeeignet wurde. Zween derselben wurden Götter-Botten [Spaltenumbruch] Botten der Götter. genennet/ deren einer Mercurius/ so dem Jupiter diente/ die andere Iris/ so der Juno aufwartete; iedoch ihr nicht allein/ dann man lieset/ daß sie auch dem Jupiter Dienst geleistet habe/ doch nur allein zu der Zeit/ wann er den Menschen Krieg/ Pest/ Hunger und ander grosses Unglück ankünden liesse. 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Sein Gewand oder Kleid/ wormit er bedeckt/ ist kohlschwartz und beschmutzt; anzudeuten/ daß wir/ so lang wir der Zeit unterwürffig sind/ unsere Gedancken fast nirgend anders hinwenden/ als auf das Irrdische/ so doch/ wanns mit dem ewigen/ dem wir allein nachstreben solten/ verglichen wird/ allzu gering ist. Allein es pfleget die Decke dieses sterblichen Leibes/ wormit wir bekleidet sind/ uns das Vernunfft-Liecht dermassen zu verdunckeln/ daß wir blintzelende in der Eitelkeit umher daumelen/ und den Sinnen und verderbten Affecten/ als obs die besten Gleits-Leute und Führer wären/ getrost nachfolgen. 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Deß </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [TA 1680, Iconologia Deorum, S. 110/0182]
anweiset/ so sagt er/ es werde Charon für die Zeit genommen/ wie auch Servius es verstanden hat. Er ist ein Sohn deß Herebus/ so deß Göttlichen Gemühts geheimen Raht vorbildet / von welchem die Zeiten/ und alles andere entsprungen ist. Seine Mutter/ sagt man/ sey die Nacht; dann vor dem Uhrstande der Zeit/ war noch kein Liecht; darum er in Finsternus gezeuget/ und aus der Finsternus geboren worden. Er ist zu den Höllen-Inwohnern gewiesen worden: dann die Himmels-Burger der Zeit nicht wie wir/ die wir den Unteren Theil der Welt-Kugel bewohnen/ benöhtigt sind: daher wir/ wann wir mit ihnen verglichen werden/ in der Hölle zu wohnen scheinen. Die Seelen führet Charon hinüber auf die andere Seiten deß Flusses; dann sobald wir geboren und an das Tages-Liecht kommen/ führet uns die Zeit zum Tode/ und setzet uns über den Fluß Achaeron/ welcher eine Beraubung aller Freude bedeutet; Sintemal wir dieses gebrechliche/ flüchtige oder hinfällige und Elendvolle Leben in lauter Mühseligkeit verschliessen. Eben dieser ist zwar alt und begreist/ iedoch auch starck und bey Kräfften; weil die Zeit durch die Langwierigkeit ihre Kräfften niemals zu verliehren pfleget. Sein Gewand oder Kleid/ wormit er bedeckt/ ist kohlschwartz und beschmutzt; anzudeuten/ daß wir/ so lang wir der Zeit unterwürffig sind/ unsere Gedancken fast nirgend anders hinwenden/ als auf das Irrdische/ so doch/ wanns mit dem ewigen/ dem wir allein nachstreben solten/ verglichen wird/ allzu gering ist. Allein es pfleget die Decke dieses sterblichen Leibes/ wormit wir bekleidet sind/ uns das Vernunfft-Liecht dermassen zu verdunckeln/ daß wir blintzelende in der Eitelkeit umher daumelen/ und den Sinnen und verderbten Affecten/ als obs die besten Gleits-Leute und Führer wären/ getrost nachfolgen. Deßwegen wir uns nicht zu verwundern haben/ daß uns alles Ubel überfället/ so bald wir in diese Hölle gerahten/ das ist/ sobald unsere Gemühter oder Seelen diese sterbliche Leiber anziehen; dann hieher kan gezogen werden/ was Virgilius im VI. Buch Aeneidos von denen in der Höllen-Pforten sitzenden Ubeln dichtet/ wann er saget:
Charon wird vor die Zeit genommen.
Erklärung der Bildnus deß Charons. Vestibulum ante ipsum, primisque
in faucibus orci
Luctus, & ultrices posuere cubilia
curae:
Pallentesqve habitant Morbi, tristis-
que senectus,
Et metus, & malesvada fames, &
turpis Egestas:
(Terribiles visu formae) Lethumque,
Laborque:
Tum Consanguineus Lethi sopor,
& mala mentis
Gaudia, mortiferumque adverso in
limine Bellum:
Ferreique Eumenidum thalami, &
Discordia demens,
Vipereum crinem vittis innexa
cruentis.
= = = = = = Sobald sie waren
kommen
in Vorhof/ hatten da ihr Lager eingenom-
men/
in Hölen hin und her/ die schwehre Trau-
rigkeit/
der Unmuth/ Sorge/ Gram und nagend
Hertzenleid.
Es hielten sich da auf die bleichen Kranck-
heit-Schaaren/
das Alter und die Furcht: auch da zu fin-
den waren
der Hunger/ welcher offt zum Bösen rei-
zet an/
die Armut/ dero man sich nicht erfreuen
kan/
mit freyer Namens-Zier die schreckliche
Gestalten/
der bittre Tod und Müh/ die grimmigen
Gewalten/
dann auch der süsse Schlaf/ der mit dem
Tod verwandt/
die Wollusts-Uppigkeit/ und eitler Le-
bens-Tand.
Von dem Mercurius.
UNter die von den Alten erdichtete Götter waren die Ampts-Verrichtungen also ausgetheilet/ daß einem iedweden sein eignes durchs Loß zugeeignet wurde. Zween derselben wurden Götter-Botten
genennet/ deren einer Mercurius/ so dem Jupiter diente/ die andere Iris/ so der Juno aufwartete; iedoch ihr nicht allein/ dann man lieset/ daß sie auch dem Jupiter Dienst geleistet habe/ doch nur allein zu der Zeit/ wann er den Menschen Krieg/ Pest/ Hunger und ander grosses Unglück ankünden liesse. Deß
Mercurius PI.M.
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Zitationshilfe: | Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680, S. TA 1680, Iconologia Deorum, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_iconologia_1680/182>, abgerufen am 22.02.2025. |