Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.

Bild:
<< vorherige Seite
Vorrede
über die continuirte Lebens - und Kunst-
Beschreibung der alten und neuen fürtreflichsten Mah-
ler in Griechenland/ Italien/ Teutsch- und
Niderland.
[Spaltenumbruch]

DIE künstliche Edle Wercke der berühmten Mahler alter Zeiten/ welche wir Antichen nennen/ und des Alterthums Misgunst längst so gar verzehrt hat/ daß nirgendwo etwas mehr darvon zu sehen ist/ solten uns nicht allein aus den Augen/ sondern auch aus dem Gedächtnus und der Erkäntnus verruckt/ entzogen und ausgetilgt seyn/ also daß man darvon auch nicht das gerinste wüste zu erzehlen; wofern die niemals-gnug-gepriesene Himmlische Schreib-kunst uns dieselbe nicht in unsterblichen Angedencken bewahrt und erhalten hätte.

Denen alten Scribenten hat mans zu danken/ daß man der alten Mahler und ihrer Werke noch Erkäntnus hat. Welches wir derer Scribenten Sorgfalt zu dancken/ die den folgenden Zeiten und Völckerschafften so viel darvon gönnen und mittheilen wollen: insonderheit dem Welt- berühmten Geschichtschreiber Plinius, als welcher in seiner Natur- Historie sehr viel darvon handelt/ dieser hat uns die Namen der Künstler/ nebst ihren besondern Wercken/ angezeigt/ und bey unsterblicher Gedächtnus gefristet: Nicht zwar/ wie er selbst bekennet/ in rechter Ordnung; sondern unter einander: weiln diese Materie zu behandeln seines vornehmens Endzweck eigentlich nicht gewesen.

[Spaltenumbruch]

Vom Alterthum der Mahlerkunst. Demnach habe ich sowol in seiner/ als in anderer Scribenten Schrifften mehr/ sehr genau nachgeforscht/ zu welcher Zeit unsere Mahler-Kunst ihren Anfang und Ursprung genommen. Da ich dann verschiedene/ und zuweilen unter sich selbsten strittige/ Meinungen hiervon gefunden. Als/ unter andern/ ob wol-benannten Plinius: wann er im fünfften Capittel seines sechs und dreissigsten Buchs schreibt: Man muß wissen/ daß die Kunst des Bildhauens aus Steinen/ lange Zeit/ vor der Mahler- und Bildgiesser- Kunst im Brauch gewest: Dann diese zwo letzte Künste erst/ zur Zeit des Phidias ans Tagliecht kommen: Welches war ohngefehr um die drey und achtzigste Olympias/ wol dreyhundert zwey und dreissig Jahre nach Erfindung der Bildhau - Kunst aus Steinen. Und zu Bekräfftigung dessen/ sagt er im Eingange dieses Capittels/ man werde befinden/ daß die Bildhau-Kunst ihren Anfang genommmen mit denen Olympiaden. Jetzt erzehlten Plinius verstösst sich über dem Alterthum der Mahlerkunst/ und schreibt wider sich selber. allem aber ist schnur gerade zu entgegen was er im achten Capittel seines sechs und dreissigsten Buchs vorbringt/ da er also redet: Es ist männiglich bekandt/ daß Candaules/ ehedessen König in Lydien/ und letzter Regent der Heracliden/ welchem man von seinem

Vorrede
über die continuirte Lebens - und Kunst-
Beschreibung der alten und neuen fürtreflichsten Mah-
ler in Griechenland/ Italien/ Teutsch- und
Niderland.
[Spaltenumbruch]

DIE künstliche Edle Wercke der berühmten Mahler alter Zeiten/ welche wir Antichen nennen/ und des Alterthums Misgunst längst so gar verzehrt hat/ daß nirgendwo etwas mehr darvon zu sehen ist/ solten uns nicht allein aus den Augen/ sondern auch aus dem Gedächtnus und der Erkäntnus verruckt/ entzogen und ausgetilgt seyn/ also daß man darvon auch nicht das gerinste wüste zu erzehlen; wofern die niemals-gnug-gepriesene Himmlische Schreib-kunst uns dieselbe nicht in unsterblichen Angedencken bewahrt und erhalten hätte.

Denen alten Scribenten hat mans zu danken/ daß man der alten Mahler und ihrer Werke noch Erkäntnus hat. Welches wir derer Scribenten Sorgfalt zu dancken/ die den folgenden Zeiten und Völckerschafften so viel darvon gönnen und mittheilen wollen: insonderheit dem Welt- berühmten Geschichtschreiber Plinius, als welcher in seiner Natur- Historie sehr viel darvon handelt/ dieser hat uns die Namen der Künstler/ nebst ihren besondern Wercken/ angezeigt/ und bey unsterblicher Gedächtnus gefristet: Nicht zwar/ wie er selbst bekennet/ in rechter Ordnung; sondern unter einander: weiln diese Materie zu behandeln seines vornehmens Endzweck eigentlich nicht gewesen.

[Spaltenumbruch]

Vom Alterthum der Mahlerkunst. Demnach habe ich sowol in seiner/ als in anderer Scribenten Schrifften mehr/ sehr genau nachgeforscht/ zu welcher Zeit unsere Mahler-Kunst ihren Anfang und Ursprung genommen. Da ich dann verschiedene/ und zuweilen unter sich selbsten strittige/ Meinungen hiervon gefunden. Als/ unter andern/ ob wol-benannten Plinius: wann er im fünfften Capittel seines sechs und dreissigsten Buchs schreibt: Man muß wissen/ daß die Kunst des Bildhauens aus Steinen/ lange Zeit/ vor der Mahler- und Bildgiesser- Kunst im Brauch gewest: Dann diese zwo letzte Künste erst/ zur Zeit des Phidias ans Tagliecht kommen: Welches war ohngefehr um die drey und achtzigste Olympias/ wol dreyhundert zwey und dreissig Jahre nach Erfindung der Bildhau - Kunst aus Steinen. Und zu Bekräfftigung dessen/ sagt er im Eingange dieses Capittels/ man werde befinden/ daß die Bildhau-Kunst ihren Anfang genommmen mit denen Olympiaden. Jetzt erzehlten Plinius verstösst sich über dem Alterthum der Mahlerkunst/ und schreibt wider sich selber. allem aber ist schnur gerade zu entgegen was er im achten Capittel seines sechs und dreissigsten Buchs vorbringt/ da er also redet: Es ist männiglich bekandt/ daß Candaules/ ehedessen König in Lydien/ und letzter Regent der Heracliden/ welchem man von seinem

<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0005" xml:id="pb-989" n="[III (Malerei), S. 1]"/>
      <div type="preface">
        <head>  Vorrede<lb/>
über die continuirte Lebens - und Kunst-<lb/>
Beschreibung der alten und neuen fürtreflichsten Mah-<lb/>
ler in <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-336 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=1000074">Griechenland</placeName>/ <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-352 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=1000080">Italien</placeName>/ <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-257 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7000084">Teutsch-</placeName> und<lb/><placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-127 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7016845">Niderland</placeName>.<lb/></head><lb/>
        <cb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>IE künstliche Edle Wercke der berühmten Mahler alter Zeiten/ welche wir <hi rendition="#aq">Antich</hi>en nennen/ und des Alterthums Misgunst längst so gar verzehrt hat/ daß nirgendwo etwas mehr darvon zu sehen ist/ solten uns nicht allein aus den Augen/ sondern auch aus dem Gedächtnus und der Erkäntnus verruckt/ entzogen und ausgetilgt seyn/ also daß man darvon auch nicht das gerinste wüste zu erzehlen; wofern die niemals-gnug-gepriesene Himmlische Schreib-kunst uns dieselbe nicht in unsterblichen Angedencken bewahrt und erhalten hätte.</p>
        <p xml:id="p989.1"><note place="right">Denen alten Scribenten hat mans zu danken/ daß man der alten Mahler und ihrer Werke noch Erkäntnus hat.</note> Welches wir derer Scribenten Sorgfalt zu dancken/ die den folgenden Zeiten und Völckerschafften so viel darvon gönnen und mittheilen wollen: insonderheit dem Welt- berühmten Geschichtschreiber <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-326 http://d-nb.info/gnd/118595083 http://viaf.org/viaf/100219162"><hi rendition="#aq">Plinius</hi></persName>, als welcher in seiner Natur- Historie sehr viel darvon handelt/ dieser hat uns die Namen der Künstler/ nebst ihren besondern Wercken/ angezeigt/ und bey unsterblicher Gedächtnus gefristet: Nicht zwar/ wie er selbst bekennet/ in rechter Ordnung; sondern unter einander: weiln diese Materie zu behandeln seines vornehmens Endzweck eigentlich nicht gewesen.</p>
        <cb/>
        <p xml:id="p989.2"><note place="right">Vom Alterthum der Mahlerkunst.</note> Demnach habe <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">ich</persName> sowol in seiner/ als in anderer Scribenten Schrifften mehr/ sehr genau nachgeforscht/ zu welcher Zeit unsere Mahler-Kunst ihren Anfang und Ursprung genommen. Da <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">ich</persName> dann verschiedene/ und zuweilen unter sich selbsten strittige/ Meinungen hiervon gefunden. Als/ unter andern/ ob wol-benannten <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-326 http://d-nb.info/gnd/118595083 http://viaf.org/viaf/100219162"><hi rendition="#aq">Plinius</hi></persName>: wann er im <bibl><ref target="http://ta.sandrart.net/-bibliography-1348">fünfften Capittel seines sechs und dreissigsten Buchs</ref></bibl> schreibt: Man muß wissen/ daß die Kunst des Bildhauens aus Steinen/ lange Zeit/ vor der Mahler- und Bildgiesser- Kunst im Brauch gewest: Dann diese zwo letzte Künste erst/ zur Zeit des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-122 http://d-nb.info/gnd/118593765 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500010586">Phidias</persName> ans Tagliecht kommen: Welches war ohngefehr um die drey und achtzigste Olympias/ wol dreyhundert zwey und dreissig Jahre nach Erfindung der Bildhau - Kunst aus Steinen. Und zu Bekräfftigung dessen/ sagt er im Eingange dieses Capittels/ man werde befinden/ daß die Bildhau-Kunst ihren Anfang genommmen mit denen Olympiaden. Jetzt erzehlten <note place="right"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-326 http://d-nb.info/gnd/118595083 http://viaf.org/viaf/100219162"><hi rendition="#aq">Plinius</hi></persName> verstösst sich über dem Alterthum der Mahlerkunst/ und schreibt wider sich selber.</note> allem aber ist schnur gerade zu entgegen was er im <bibl><ref target="http://ta.sandrart.net/-bibliography-1348">achten Capittel seines sechs und dreissigsten Buchs</ref></bibl> vorbringt/ da er also redet: Es ist männiglich bekandt/ daß <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-312 http://d-nb.info/gnd/120810425 http://viaf.org/viaf/20521748">Candaules</persName>/ ehedessen König in <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-109 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7016631">Lydien</placeName>/ und letzter Regent der Heracliden/ welchem man von seinem
</p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[[III (Malerei), S. 1]/0005] Vorrede über die continuirte Lebens - und Kunst- Beschreibung der alten und neuen fürtreflichsten Mah- ler in Griechenland/ Italien/ Teutsch- und Niderland. DIE künstliche Edle Wercke der berühmten Mahler alter Zeiten/ welche wir Antichen nennen/ und des Alterthums Misgunst längst so gar verzehrt hat/ daß nirgendwo etwas mehr darvon zu sehen ist/ solten uns nicht allein aus den Augen/ sondern auch aus dem Gedächtnus und der Erkäntnus verruckt/ entzogen und ausgetilgt seyn/ also daß man darvon auch nicht das gerinste wüste zu erzehlen; wofern die niemals-gnug-gepriesene Himmlische Schreib-kunst uns dieselbe nicht in unsterblichen Angedencken bewahrt und erhalten hätte. Welches wir derer Scribenten Sorgfalt zu dancken/ die den folgenden Zeiten und Völckerschafften so viel darvon gönnen und mittheilen wollen: insonderheit dem Welt- berühmten Geschichtschreiber Plinius, als welcher in seiner Natur- Historie sehr viel darvon handelt/ dieser hat uns die Namen der Künstler/ nebst ihren besondern Wercken/ angezeigt/ und bey unsterblicher Gedächtnus gefristet: Nicht zwar/ wie er selbst bekennet/ in rechter Ordnung; sondern unter einander: weiln diese Materie zu behandeln seines vornehmens Endzweck eigentlich nicht gewesen. Denen alten Scribenten hat mans zu danken/ daß man der alten Mahler und ihrer Werke noch Erkäntnus hat. Demnach habe ich sowol in seiner/ als in anderer Scribenten Schrifften mehr/ sehr genau nachgeforscht/ zu welcher Zeit unsere Mahler-Kunst ihren Anfang und Ursprung genommen. Da ich dann verschiedene/ und zuweilen unter sich selbsten strittige/ Meinungen hiervon gefunden. Als/ unter andern/ ob wol-benannten Plinius: wann er im fünfften Capittel seines sechs und dreissigsten Buchs schreibt: Man muß wissen/ daß die Kunst des Bildhauens aus Steinen/ lange Zeit/ vor der Mahler- und Bildgiesser- Kunst im Brauch gewest: Dann diese zwo letzte Künste erst/ zur Zeit des Phidias ans Tagliecht kommen: Welches war ohngefehr um die drey und achtzigste Olympias/ wol dreyhundert zwey und dreissig Jahre nach Erfindung der Bildhau - Kunst aus Steinen. Und zu Bekräfftigung dessen/ sagt er im Eingange dieses Capittels/ man werde befinden/ daß die Bildhau-Kunst ihren Anfang genommmen mit denen Olympiaden. Jetzt erzehlten allem aber ist schnur gerade zu entgegen was er im achten Capittel seines sechs und dreissigsten Buchs vorbringt/ da er also redet: Es ist männiglich bekandt/ daß Candaules/ ehedessen König in Lydien/ und letzter Regent der Heracliden/ welchem man von seinem Vom Alterthum der Mahlerkunst. Plinius verstösst sich über dem Alterthum der Mahlerkunst/ und schreibt wider sich selber.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sandrart.net: Bereitstellung der Texttranskription in XML/TEI. (2013-05-21T09:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus sandrart.net entsprechen muss.
Sandrart.net: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-05-21T09:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-05-21T09:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Bei Worttrennungen am Spalten- oder Seitenumbruch, steht das gesamte Wort auf der vorhergehenden Spalte bzw. Seite.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/5
Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679, S. [III (Malerei), S. 1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/5>, abgerufen am 21.11.2024.