Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sanders, Daniel: Brief an Berthold Auerbach. Altstrelitz, 30. Dezember 1878.

Bild:
erste Seite
Verehrter Freund,


Ihnen und den Ihrigen möge das kommende Jahr ein gutes, ein
frohes und gesegnetes werden! Das wünsche ich so recht von Herzens
Grund und ein solcher Herzenswunsch wird wohl auch nicht ohne Erfüllung
bleiben. Fühle ich das doch schon bestätigt durch den Schluß Ihres Briefs,
welcher mich in der That erfrischt und gestärkt hat. "Die Menschen,
die es gut und treu meinen, sollen einander erfrischen und stärken,
so lang es tagt. So wollen wir's halten."
Ja, so wollen wir's hal-
ten! und lassen Sie mich mit meinem Lieblingswort aus un-
serm Goethe fortfahren: "Schenken Sie mir ein kleines Vertrauen und
lassen Sie uns auch in der Ferne verbunden bleiben. Die Welt
ist so leer, wenn man nur Berge, Flüsse und Städte darin denkt; aber
hie und da Jemand zu wissen, der mit uns übereinstimmt,
mit dem wir auch stillschweigend fortleben, das macht uns
dieses Erdenrund recht zu einem bewohnten Garten."

Dies Jahr hat in dem Garten für mich freilich schlimm
gehaust. Von den Männern, mit denen ich im Januar in Berlin
zur orthographischen Konferenz zusammen war, sind bereits zwei dahin
gegangen, die ich mir trotz entgegenstehender Ansichten in
unserer Berathung doch freundschaftlich geneigt wusste: Bertram
und Raumer. Dann starb mir am 18. März (auch das Datum
ist bedeutsam!) unser Freiligrath, dem, als es noch in der
Verbannung weilte, ich mein Wörterb. gewidmet hatte; dann
am 25. September Glaßbrenner, mit dem ich hier der Jahre 48 und 49

Verehrter Freund,


Ihnen und den Ihrigen möge das kom̃ende Jahr ein gutes, ein
frohes und gesegnetes werden! Das wünsche ich so recht von Herzens
Grund und ein solcher Herzenswunsch wird wohl auch nicht ohne Erfüllung
bleiben. Fühle ich das doch schon bestätigt durch den Schluß Ihres Briefs,
welcher mich in der That erfrischt und gestärkt hat. „Die Menschen,
die es gut und treu meinen, sollen einander erfrischen und stärken,
so lang es tagt. So wollen wir’s halten.“
Ja, so wollen wir’s hal-
ten! und lassen Sie mich mit meinem Lieblingswort aus un-
serm Goethe fortfahren: „Schenken Sie mir ein kleines Vertrauen und
lassen Sie uns auch in der Ferne verbunden bleiben. Die Welt
ist so leer, weñ man nur Berge, Flüsse und Städte darin denkt; aber
hie und da Jemand zu wissen, der mit uns übereinstim̃t,
mit dem wir auch stillschweigend fortleben, das macht uns
dieses Erdenrund recht zu einem bewohnten Garten.“

Dies Jahr hat in dem Garten für mich freilich schlim̃
gehaust. Von den Mäñern, mit denen ich im Januar in Berlin
zur orthographischen Konferenz zusam̃en war, sind bereits zwei dahin
gegangen, die ich mir trotz entgegenstehender Ansichten in
unserer Berathung doch freundschaftlich geneigt wusste: Bertram
und Raumer. Dañ starb mir am 18. März (auch das Datum
ist bedeutsam!) unser Freiligrath, dem, als es noch in der
Verbañung weilte, ich mein Wörterb. gewidmet hatte; dañ
am 25. September Glaßbreñer, mit dem ich hier der Jahre 48 und 49

<TEI>
  <text>
    <pb facs="#f0001" n="[1r]"/>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <opener>
          <salute>Verehrter Freund,</salute>
        </opener><lb/>
        <space dim="vertical"/>
        <p>Ihnen und den Ihrigen möge das kom&#x0303;ende Jahr ein gutes, ein<lb/>
frohes und gesegnetes werden! Das wünsche ich so recht von Herzens<lb/>
Grund und ein solcher Herzenswunsch wird wohl auch nicht ohne Erfüllung<lb/>
bleiben. Fühle ich das doch schon bestätigt durch den Schluß Ihres Briefs,<lb/>
welcher mich in der That erfrischt und gestärkt hat. <cit><quote>&#x201E;Die Menschen,<lb/>
die es gut und treu meinen, sollen einander erfrischen und stärken,<lb/>
so lang es tagt. So wollen wir&#x2019;s halten.&#x201C;</quote></cit> Ja, so wollen wir&#x2019;s hal-<lb/>
ten! und lassen Sie mich mit meinem Lieblingswort aus un-<lb/>
serm <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118540238">Goethe</persName> fortfahren: <cit><quote>&#x201E;Schenken Sie mir ein kleines Vertrauen und<lb/>
lassen Sie uns auch in der Ferne verbunden bleiben. Die Welt<lb/>
ist so leer, wen&#x0303; man nur Berge, Flüsse und Städte darin denkt; aber<lb/>
hie und da Jemand zu wissen, der mit uns übereinstim&#x0303;t,<lb/>
mit dem wir auch stillschweigend fortleben, das macht uns<lb/>
dieses Erdenrund recht zu einem bewohnten Garten.&#x201C;</quote></cit></p><lb/>
        <p>Dies Jahr hat in dem Garten für mich freilich schlim&#x0303;<lb/>
gehaust. Von den Män&#x0303;ern, mit denen ich im Januar in Berlin<lb/>
zur orthographischen Konferenz zusam&#x0303;en war, sind bereits zwei dahin<lb/>
gegangen, die ich mir trotz entgegenstehender Ansichten in<lb/>
unserer Berathung doch freundschaftlich geneigt wusste: <hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/116149949">Bertram</persName></hi><lb/><choice><abbr>u<supplied>.</supplied></abbr><expan>und</expan></choice> <hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118787969">Raumer</persName></hi>. Dan&#x0303; starb mir am 18. März (auch das Datum<lb/>
ist bedeutsam!) unser <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118535196">Freiligrath</persName>, dem, als es noch in der<lb/>
Verban&#x0303;ung weilte, ich mein Wörterb. gewidmet hatte; dan&#x0303;<lb/>
am 25. <choice><abbr>Sept.</abbr><expan>September</expan></choice> <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118539698">Glaßbren&#x0303;er</persName>, mit dem ich hier der Jahre 48 und 49<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[1r]/0001] Verehrter Freund, Ihnen und den Ihrigen möge das kom̃ende Jahr ein gutes, ein frohes und gesegnetes werden! Das wünsche ich so recht von Herzens Grund und ein solcher Herzenswunsch wird wohl auch nicht ohne Erfüllung bleiben. Fühle ich das doch schon bestätigt durch den Schluß Ihres Briefs, welcher mich in der That erfrischt und gestärkt hat. „Die Menschen, die es gut und treu meinen, sollen einander erfrischen und stärken, so lang es tagt. So wollen wir’s halten.“ Ja, so wollen wir’s hal- ten! und lassen Sie mich mit meinem Lieblingswort aus un- serm Goethe fortfahren: „Schenken Sie mir ein kleines Vertrauen und lassen Sie uns auch in der Ferne verbunden bleiben. Die Welt ist so leer, weñ man nur Berge, Flüsse und Städte darin denkt; aber hie und da Jemand zu wissen, der mit uns übereinstim̃t, mit dem wir auch stillschweigend fortleben, das macht uns dieses Erdenrund recht zu einem bewohnten Garten.“ Dies Jahr hat in dem Garten für mich freilich schlim̃ gehaust. Von den Mäñern, mit denen ich im Januar in Berlin zur orthographischen Konferenz zusam̃en war, sind bereits zwei dahin gegangen, die ich mir trotz entgegenstehender Ansichten in unserer Berathung doch freundschaftlich geneigt wusste: Bertram u. Raumer. Dañ starb mir am 18. März (auch das Datum ist bedeutsam!) unser Freiligrath, dem, als es noch in der Verbañung weilte, ich mein Wörterb. gewidmet hatte; dañ am 25. Sept. Glaßbreñer, mit dem ich hier der Jahre 48 und 49

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sebastian Göttel: Herausgeber.
Linda Martin: Transkription und TEI-Textannotation.
Linda Martin: Bearbeitung und Finalisierung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_auerbach3_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_auerbach3_1876/1
Zitationshilfe: Sanders, Daniel: Brief an Berthold Auerbach. Altstrelitz, 30. Dezember 1878, S. [1r]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_auerbach3_1876/1>, abgerufen am 30.12.2024.