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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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silberne Haarnadel durch, die aber breiter ist, als ein Löf-
felstiel, und vorne, wo sie aus den Haaren heraussteht,
ist ein silbernes rundes Plättchen daran, das mit Grana-
ten, und mit Edelgesteinen besetzt, und daher theuer ist.

Zur deutschen Sprachkunst muß ich Ihnen doch auch
einen kleinen Beitrag liefern. Die Aussprache ist nicht
immer schön, und richtig. Olfe sagt man statt Eilfe;
klone
sagt man statt kleine; Hiri heist ein Huhn, (bei
Frankfurt sagt man: ein Hinkel, statt eine Henne!)
Aber viele gute sonst nicht mehr übliche Wörter haben die
Schwaben noch erhalten, z. B. ein handsamer Mensch
heist ein schöner artiger Mensch, den man brauchen kan.
Ist dieses nicht das englische handsome? -- Ein be-
haltsames
Gedächtnis. Sagt da der Schwabe nicht
mit Einem Worte, was sonst umschrieben werden muß?
Aber ein ganz besondrer Provincialismus ist es, wenn
Schaffen in diesen Gegenden so viel heist als Fragen,
verlangen,
demander: was schaffen Sie? das heist:
Was befehlen, was wollen Sie? Es ist aber un-
möglich, daß das gemeine Volk Richtigkeit und Reinig-
keit der Sprache lerne, da selbst in Befehlen, öffentlichen
Nachrichten, Anschlägen und Verordnungen, die von der
Kanzlei ausgehen, die gröbsten Fehler gegen die Regeln
der Konstruktion und der Ortographie vorkommen, wo-
von ich Ihnen viele Beispiele geben könnte.

Ausser Hamburg ist wohl keine alte Stadt, die so
schön wäre, als Augspurg. Sie hat die ganze Magni-
ficenz des vorigen Jahrhunderts, und übertrift von dieser
Seite Ulm unendlich. Die Strassen sind hell, einige
sehr breit, grade und lang, die Häuser alle hoch, aber
nach einem mannichfaltigen, doch regelmässigen Geschmack

gebaut;

ſilberne Haarnadel durch, die aber breiter iſt, als ein Loͤf-
felſtiel, und vorne, wo ſie aus den Haaren herausſteht,
iſt ein ſilbernes rundes Plaͤttchen daran, das mit Grana-
ten, und mit Edelgeſteinen beſetzt, und daher theuer iſt.

Zur deutſchen Sprachkunſt muß ich Ihnen doch auch
einen kleinen Beitrag liefern. Die Ausſprache iſt nicht
immer ſchoͤn, und richtig. Olfe ſagt man ſtatt Eilfe;
klone
ſagt man ſtatt kleine; Hiri heiſt ein Huhn, (bei
Frankfurt ſagt man: ein Hinkel, ſtatt eine Henne!)
Aber viele gute ſonſt nicht mehr uͤbliche Woͤrter haben die
Schwaben noch erhalten, z. B. ein handſamer Menſch
heiſt ein ſchoͤner artiger Menſch, den man brauchen kan.
Iſt dieſes nicht das engliſche handſome? — Ein be-
haltſames
Gedaͤchtnis. Sagt da der Schwabe nicht
mit Einem Worte, was ſonſt umſchrieben werden muß?
Aber ein ganz beſondrer Provincialismus iſt es, wenn
Schaffen in dieſen Gegenden ſo viel heiſt als Fragen,
verlangen,
demander: was ſchaffen Sie? das heiſt:
Was befehlen, was wollen Sie? Es iſt aber un-
moͤglich, daß das gemeine Volk Richtigkeit und Reinig-
keit der Sprache lerne, da ſelbſt in Befehlen, oͤffentlichen
Nachrichten, Anſchlaͤgen und Verordnungen, die von der
Kanzlei ausgehen, die groͤbſten Fehler gegen die Regeln
der Konſtruktion und der Ortographie vorkommen, wo-
von ich Ihnen viele Beiſpiele geben koͤnnte.

Auſſer Hamburg iſt wohl keine alte Stadt, die ſo
ſchoͤn waͤre, als Augſpurg. Sie hat die ganze Magni-
ficenz des vorigen Jahrhunderts, und uͤbertrift von dieſer
Seite Ulm unendlich. Die Straſſen ſind hell, einige
ſehr breit, grade und lang, die Haͤuſer alle hoch, aber
nach einem mannichfaltigen, doch regelmaͤſſigen Geſchmack

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[20/0058] ſilberne Haarnadel durch, die aber breiter iſt, als ein Loͤf- felſtiel, und vorne, wo ſie aus den Haaren herausſteht, iſt ein ſilbernes rundes Plaͤttchen daran, das mit Grana- ten, und mit Edelgeſteinen beſetzt, und daher theuer iſt. Zur deutſchen Sprachkunſt muß ich Ihnen doch auch einen kleinen Beitrag liefern. Die Ausſprache iſt nicht immer ſchoͤn, und richtig. Olfe ſagt man ſtatt Eilfe; klone ſagt man ſtatt kleine; Hiri heiſt ein Huhn, (bei Frankfurt ſagt man: ein Hinkel, ſtatt eine Henne!) Aber viele gute ſonſt nicht mehr uͤbliche Woͤrter haben die Schwaben noch erhalten, z. B. ein handſamer Menſch heiſt ein ſchoͤner artiger Menſch, den man brauchen kan. Iſt dieſes nicht das engliſche handſome? — Ein be- haltſames Gedaͤchtnis. Sagt da der Schwabe nicht mit Einem Worte, was ſonſt umſchrieben werden muß? Aber ein ganz beſondrer Provincialismus iſt es, wenn Schaffen in dieſen Gegenden ſo viel heiſt als Fragen, verlangen, demander: was ſchaffen Sie? das heiſt: Was befehlen, was wollen Sie? Es iſt aber un- moͤglich, daß das gemeine Volk Richtigkeit und Reinig- keit der Sprache lerne, da ſelbſt in Befehlen, oͤffentlichen Nachrichten, Anſchlaͤgen und Verordnungen, die von der Kanzlei ausgehen, die groͤbſten Fehler gegen die Regeln der Konſtruktion und der Ortographie vorkommen, wo- von ich Ihnen viele Beiſpiele geben koͤnnte. Auſſer Hamburg iſt wohl keine alte Stadt, die ſo ſchoͤn waͤre, als Augſpurg. Sie hat die ganze Magni- ficenz des vorigen Jahrhunderts, und uͤbertrift von dieſer Seite Ulm unendlich. Die Straſſen ſind hell, einige ſehr breit, grade und lang, die Haͤuſer alle hoch, aber nach einem mannichfaltigen, doch regelmaͤſſigen Geſchmack gebaut;

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/58>, abgerufen am 27.04.2024.