Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.Hofrath von Ziegler nennt, ist der Geistliche. Er lebt Den 2ten Jun. Weil es heute Sonntag war -- der hier lange ich zu kurz, es der Ordnung nach durch das ganze Kapi-
tel zur Anfrage kommen zu lassen, indessen fragte ein Vorsteher einen von den Obersten bei der Regierung, ob man's dem Prinzen gestatten dürfe? Allerdings, sagte dieser, es wäre ein grosser Fehler es dem Prin- zen abzuschlagen. Indessen dürfen die Protestanten doch ihre Kinder nicht selber taufen, sondern der ka- tholische Pfarrer, in dessen Parochie sie wohnen, tauft sie. Sie dürfen nicht einmahl lauter lutherische Ge- vattern haben, es muß wenigstens Ein Katholick da- bei seyn. In einer Handelsstadt erwartete man mehr allgemeine Religionsfreiheit. Daher fragte einmahl ein Fremder einen Nobile hier, warum sie den Evan- gelischen keine öffentliche Kirche gestatteten, da sie sie doch den Juden, Armeniern, Türken, Griechen etc. erlaubten? "Ja", sagte dieser, "erlaubten wir euch "eine Kirche, so würden unsre eigne bald leer stehen". Hofrath von Ziegler nennt, iſt der Geiſtliche. Er lebt Den 2ten Jun. Weil es heute Sonntag war — der hier lange ich zu kurz, es der Ordnung nach durch das ganze Kapi-
tel zur Anfrage kommen zu laſſen, indeſſen fragte ein Vorſteher einen von den Oberſten bei der Regierung, ob man’s dem Prinzen geſtatten duͤrfe? Allerdings, ſagte dieſer, es waͤre ein groſſer Fehler es dem Prin- zen abzuſchlagen. Indeſſen duͤrfen die Proteſtanten doch ihre Kinder nicht ſelber taufen, ſondern der ka- tholiſche Pfarrer, in deſſen Parochie ſie wohnen, tauft ſie. Sie duͤrfen nicht einmahl lauter lutheriſche Ge- vattern haben, es muß wenigſtens Ein Katholick da- bei ſeyn. In einer Handelsſtadt erwartete man mehr allgemeine Religionsfreiheit. Daher fragte einmahl ein Fremder einen Nobile hier, warum ſie den Evan- geliſchen keine oͤffentliche Kirche geſtatteten, da ſie ſie doch den Juden, Armeniern, Tuͤrken, Griechen ꝛc. erlaubten? „Ja“, ſagte dieſer, „erlaubten wir euch „eine Kirche, ſo wuͤrden unſre eigne bald leer ſtehen“. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0666" n="628"/> Hofrath <hi rendition="#fr">von Ziegler</hi> nennt, iſt der Geiſtliche. Er lebt<lb/> aber uͤbrigens wie ein Kaufmann, und treibt Handlung,<lb/> damit man ihn nicht kenne. Hr. <hi rendition="#fr">Algoͤwer</hi> findet ſeine<lb/> Arbeit ſchlecht — und viele meinen, daß es unnoͤthig<lb/> ſei, ſo ein tiefes Geheimnis aus der Sache zu machen.<lb/> Sie kommen im ſogenannten <hi rendition="#fr">deutſchen Hauſe</hi> beim<lb/><hi rendition="#aq">Rialto</hi> zuſammen, geſungen wird nicht, ſondern nur<lb/> gepredigt und gebetet. Wenn der Prediger krank wird,<lb/> lieſt einer von den Kirchenvorſtehern eher etwas aus einer<lb/> Poſtille ab, als daß ſie einen von ihren Inſtruktoren oder<lb/> Informatoren predigen lieſſen, deren es hier aus <hi rendition="#fr">Ulm,<lb/> Augſpurg</hi> ꝛc. gibt.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>Den 2ten Jun.</head><lb/> <p>Weil es heute <hi rendition="#fr">Sonntag</hi> war — der hier lange<lb/> nicht ſo heilig als ein <hi rendition="#fr">Marientag</hi> gefeiert wird — machte<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/><note xml:id="nfn12" prev="#fn12" place="foot" n="**)">zu kurz, es der Ordnung nach durch das ganze Kapi-<lb/> tel zur Anfrage kommen zu laſſen, indeſſen fragte ein<lb/> Vorſteher einen von den Oberſten bei der Regierung,<lb/> ob man’s dem Prinzen geſtatten duͤrfe? Allerdings,<lb/> ſagte dieſer, es waͤre ein groſſer Fehler es dem Prin-<lb/> zen abzuſchlagen. Indeſſen duͤrfen die Proteſtanten<lb/> doch ihre Kinder nicht ſelber taufen, ſondern der ka-<lb/> tholiſche Pfarrer, in deſſen Parochie ſie wohnen, tauft<lb/> ſie. Sie duͤrfen nicht einmahl lauter lutheriſche <hi rendition="#fr">Ge-<lb/> vattern</hi> haben, es muß wenigſtens Ein Katholick da-<lb/> bei ſeyn. In einer Handelsſtadt erwartete man mehr<lb/> allgemeine Religionsfreiheit. Daher fragte einmahl<lb/> ein Fremder einen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Nobile</hi></hi> hier, warum ſie den Evan-<lb/> geliſchen keine oͤffentliche Kirche geſtatteten, da ſie ſie<lb/> doch den <hi rendition="#fr">Juden, Armeniern, Tuͤrken, Griechen</hi> ꝛc.<lb/> erlaubten? „Ja“, ſagte dieſer, „erlaubten wir euch<lb/> „eine Kirche, ſo wuͤrden unſre eigne bald leer ſtehen“.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [628/0666]
Hofrath von Ziegler nennt, iſt der Geiſtliche. Er lebt
aber uͤbrigens wie ein Kaufmann, und treibt Handlung,
damit man ihn nicht kenne. Hr. Algoͤwer findet ſeine
Arbeit ſchlecht — und viele meinen, daß es unnoͤthig
ſei, ſo ein tiefes Geheimnis aus der Sache zu machen.
Sie kommen im ſogenannten deutſchen Hauſe beim
Rialto zuſammen, geſungen wird nicht, ſondern nur
gepredigt und gebetet. Wenn der Prediger krank wird,
lieſt einer von den Kirchenvorſtehern eher etwas aus einer
Poſtille ab, als daß ſie einen von ihren Inſtruktoren oder
Informatoren predigen lieſſen, deren es hier aus Ulm,
Augſpurg ꝛc. gibt.
Den 2ten Jun.
Weil es heute Sonntag war — der hier lange
nicht ſo heilig als ein Marientag gefeiert wird — machte
ich
**)
**) zu kurz, es der Ordnung nach durch das ganze Kapi-
tel zur Anfrage kommen zu laſſen, indeſſen fragte ein
Vorſteher einen von den Oberſten bei der Regierung,
ob man’s dem Prinzen geſtatten duͤrfe? Allerdings,
ſagte dieſer, es waͤre ein groſſer Fehler es dem Prin-
zen abzuſchlagen. Indeſſen duͤrfen die Proteſtanten
doch ihre Kinder nicht ſelber taufen, ſondern der ka-
tholiſche Pfarrer, in deſſen Parochie ſie wohnen, tauft
ſie. Sie duͤrfen nicht einmahl lauter lutheriſche Ge-
vattern haben, es muß wenigſtens Ein Katholick da-
bei ſeyn. In einer Handelsſtadt erwartete man mehr
allgemeine Religionsfreiheit. Daher fragte einmahl
ein Fremder einen Nobile hier, warum ſie den Evan-
geliſchen keine oͤffentliche Kirche geſtatteten, da ſie ſie
doch den Juden, Armeniern, Tuͤrken, Griechen ꝛc.
erlaubten? „Ja“, ſagte dieſer, „erlaubten wir euch
„eine Kirche, ſo wuͤrden unſre eigne bald leer ſtehen“.
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