Heute machte ich Bekanntschaft mit dem Hausarzt des Hrn. von Stockmaier, dem Dr. Schreiber, der sich schon einen tüchtigen Bauch an seiner Patienten Ta- fel gegessen und gewis in vielen Jahren kein Buch mehr angesehen hat; ein Mann, der nach seiner langen Routi- ne fortschreibt. Aber ganz ein andrer Mann ist der Leib- chirurgus des Herzogs von Würtemberg. Hr. Klein. Der Herzog gab ihm 5000. Gulden, -- denn er selbst hatte nichts -- davon studirte er in Strasburg, Pa- ris, Havre de Grace und London; Er war 7. Jahr auf Reisen, und kam nachher noch mit dem Herzoge an manchen Ort hin. Preis und Ehre dem Fürsten, der das Genie pflegt, und die Wissenschaften fördert! Schimpf und Schande dem geizigen Regenten, dem der stumpfe Kopf wie der mittelmässige, und der halbgute wie der vorzügliche ist, der gleich erschrickt, wenn er von dem Vermögen des Landes wieder zum Besten seiner Bürger herausgeben soll. Es sind wenigstens 600. Doktores Medic. hier. Ueber alle diese ist Baron von Störk Präsident. Aber die Fakultät hält keine wöchentliche oder monatliche Zusammenkünfte; daher kömmts, daß hier in Praxi die allerwidersprechendsten Grundsätze herr- schen.
Bemerkungen.
Die Ausgelassenheit der Wiener Damen geht so weit, daß heute eine bei der Tafel vom Stuhle fiel, weil sie sich von den benachbarten Chapeatur so sehr kützeln lies. Der Ton der hiesigen Damen im Reden ist meistens schreiend, strudlend und unverständlich.
Hier
als die Launen und Kapricen der Menschen darin er- kennen.
Heute machte ich Bekanntſchaft mit dem Hausarzt des Hrn. von Stockmaier, dem Dr. Schreiber, der ſich ſchon einen tuͤchtigen Bauch an ſeiner Patienten Ta- fel gegeſſen und gewis in vielen Jahren kein Buch mehr angeſehen hat; ein Mann, der nach ſeiner langen Routi- ne fortſchreibt. Aber ganz ein andrer Mann iſt der Leib- chirurgus des Herzogs von Wuͤrtemberg. Hr. Klein. Der Herzog gab ihm 5000. Gulden, — denn er ſelbſt hatte nichts — davon ſtudirte er in Strasburg, Pa- ris, Havre de Grace und London; Er war 7. Jahr auf Reiſen, und kam nachher noch mit dem Herzoge an manchen Ort hin. Preis und Ehre dem Fuͤrſten, der das Genie pflegt, und die Wiſſenſchaften foͤrdert! Schimpf und Schande dem geizigen Regenten, dem der ſtumpfe Kopf wie der mittelmaͤſſige, und der halbgute wie der vorzuͤgliche iſt, der gleich erſchrickt, wenn er von dem Vermoͤgen des Landes wieder zum Beſten ſeiner Buͤrger herausgeben ſoll. Es ſind wenigſtens 600. Doktores Medic. hier. Ueber alle dieſe iſt Baron von Stoͤrk Praͤſident. Aber die Fakultaͤt haͤlt keine woͤchentliche oder monatliche Zuſammenkuͤnfte; daher koͤmmts, daß hier in Praxi die allerwiderſprechendſten Grundſaͤtze herr- ſchen.
Bemerkungen.
Die Ausgelaſſenheit der Wiener Damen geht ſo weit, daß heute eine bei der Tafel vom Stuhle fiel, weil ſie ſich von den benachbarten Chapeatur ſo ſehr kuͤtzeln lies. Der Ton der hieſigen Damen im Reden iſt meiſtens ſchreiend, ſtrudlend und unverſtaͤndlich.
Hier
als die Launen und Kapricen der Menſchen darin er- kennen.
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Heute machte ich Bekanntſchaft mit dem Hausarzt
des Hrn. von Stockmaier, dem Dr. Schreiber, der
ſich ſchon einen tuͤchtigen Bauch an ſeiner Patienten Ta-
fel gegeſſen und gewis in vielen Jahren kein Buch mehr
angeſehen hat; ein Mann, der nach ſeiner langen Routi-
ne fortſchreibt. Aber ganz ein andrer Mann iſt der Leib-
chirurgus des Herzogs von Wuͤrtemberg. Hr. Klein.
Der Herzog gab ihm 5000. Gulden, — denn er ſelbſt
hatte nichts — davon ſtudirte er in Strasburg, Pa-
ris, Havre de Grace und London; Er war 7. Jahr
auf Reiſen, und kam nachher noch mit dem Herzoge an
manchen Ort hin. Preis und Ehre dem Fuͤrſten, der
das Genie pflegt, und die Wiſſenſchaften foͤrdert! Schimpf
und Schande dem geizigen Regenten, dem der ſtumpfe
Kopf wie der mittelmaͤſſige, und der halbgute wie der
vorzuͤgliche iſt, der gleich erſchrickt, wenn er von dem
Vermoͤgen des Landes wieder zum Beſten ſeiner Buͤrger
herausgeben ſoll. Es ſind wenigſtens 600. Doktores
Medic. hier. Ueber alle dieſe iſt Baron von Stoͤrk
Praͤſident. Aber die Fakultaͤt haͤlt keine woͤchentliche
oder monatliche Zuſammenkuͤnfte; daher koͤmmts, daß
hier in Praxi die allerwiderſprechendſten Grundſaͤtze herr-
ſchen.
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Die Ausgelaſſenheit der Wiener Damen geht ſo
weit, daß heute eine bei der Tafel vom Stuhle fiel, weil
ſie ſich von den benachbarten Chapeatur ſo ſehr kuͤtzeln lies.
Der Ton der hieſigen Damen im Reden iſt meiſtens
ſchreiend, ſtrudlend und unverſtaͤndlich.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/642>, abgerufen am 21.11.2024.
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