Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

redet gewis niemand mehr in der Gesellschaft ein Wort
von dem Manne. Tantum sumus, quantum edi-
mus et consumimus,
heißt es hier!

Blumauers Travestirung des 2ten Buchs der
Aeneis, des Virgils, im Michaelis- und Scar-
ron
schen Geschmack wollte man hier für eine Satyre auf
den Pabst halten. Ich fand aber keinen ähnlichen Zug
darin, und auch bei weitem nicht die leichte Laune des
verstorbenen Michaelis, und seinen zärtlichen Geschmack
gar nicht. Der Dichter sagt vom Aeneas, als er die
Frau verloren: "Seine Seufzer knallen", und läßt ihn
endlich mit Verachtung von der verlornen Creusa spre-
chen, ihn, der sie immer so zärtlich regrettirte!

Den 26sten April.

Heute machte ich zuerst bei Sr. Gnaden, dem ver-
ehrungswürdigen Fürst von St. Blasien, der eben auch
hier war, meine Aufwartung. Dieser vortrefliche Prä-
lat bezeugte eine grosse Freude, mich hier wieder zu sehen,
und in seiner, des Hrn. von Mechel aus Basel und
Hrn. Baron von Gemmingen Gesellschaft besah ich
drauf die Kaiserl. Bildergallerie in Belvedere *). Hr.
von Mechel hat sie in Ordnung gebracht, Namen,
Nummer und Namen des Malers dazu zeichnen lassen. --
Eine Arbeit von 2. Jahren. Die erste Ordnung ward
durch den Tod des Prinzen Karls in Brüssel und andre
Erledigungen der Gemälde in Mähren und Ungarn ver-

nichtet.
*) Ein ausser Wien auf einer Anhöhe liegendes Kaiserl.
Lustschloß, das der Prinz Eugen 1724. zu seinem Som-
merpalaste erbaute, nach dessen Tode es an den Kaiserl.
Hof fiel. Herausgeber.

redet gewis niemand mehr in der Geſellſchaft ein Wort
von dem Manne. Tantum ſumus, quantum edi-
mus et conſumimus,
heißt es hier!

Blumauers Traveſtirung des 2ten Buchs der
Aeneis, des Virgils, im Michaelis- und Scar-
ron
ſchen Geſchmack wollte man hier fuͤr eine Satyre auf
den Pabſt halten. Ich fand aber keinen aͤhnlichen Zug
darin, und auch bei weitem nicht die leichte Laune des
verſtorbenen Michaelis, und ſeinen zaͤrtlichen Geſchmack
gar nicht. Der Dichter ſagt vom Aeneas, als er die
Frau verloren: „Seine Seufzer knallen“, und laͤßt ihn
endlich mit Verachtung von der verlornen Creuſa ſpre-
chen, ihn, der ſie immer ſo zaͤrtlich regrettirte!

Den 26ſten April.

Heute machte ich zuerſt bei Sr. Gnaden, dem ver-
ehrungswuͤrdigen Fuͤrſt von St. Blaſien, der eben auch
hier war, meine Aufwartung. Dieſer vortrefliche Praͤ-
lat bezeugte eine groſſe Freude, mich hier wieder zu ſehen,
und in ſeiner, des Hrn. von Mechel aus Baſel und
Hrn. Baron von Gemmingen Geſellſchaft beſah ich
drauf die Kaiſerl. Bildergallerie in Belvedere *). Hr.
von Mechel hat ſie in Ordnung gebracht, Namen,
Nummer und Namen des Malers dazu zeichnen laſſen. —
Eine Arbeit von 2. Jahren. Die erſte Ordnung ward
durch den Tod des Prinzen Karls in Bruͤſſel und andre
Erledigungen der Gemaͤlde in Maͤhren und Ungarn ver-

nichtet.
*) Ein auſſer Wien auf einer Anhoͤhe liegendes Kaiſerl.
Luſtſchloß, das der Prinz Eugen 1724. zu ſeinem Som-
merpalaſte erbaute, nach deſſen Tode es an den Kaiſerl.
Hof fiel. Herausgeber.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <p><pb facs="#f0549" n="511"/>
redet gewis niemand mehr in der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ein Wort<lb/>
von dem Manne. <hi rendition="#aq">Tantum &#x017F;umus, quantum edi-<lb/>
mus et con&#x017F;umimus,</hi> heißt es hier!</p><lb/>
              <p><hi rendition="#fr">Blumauers Trave&#x017F;tirung</hi> des 2ten Buchs der<lb/><hi rendition="#fr">Aeneis,</hi> des <hi rendition="#fr">Virgils,</hi> im <hi rendition="#fr">Michaelis-</hi> und <hi rendition="#fr">Scar-<lb/>
ron</hi>&#x017F;chen Ge&#x017F;chmack wollte man hier fu&#x0364;r eine Satyre auf<lb/>
den <hi rendition="#fr">Pab&#x017F;t</hi> halten. Ich fand aber keinen a&#x0364;hnlichen Zug<lb/>
darin, und auch bei weitem nicht die leichte Laune des<lb/>
ver&#x017F;torbenen <hi rendition="#fr">Michaelis,</hi> und &#x017F;einen za&#x0364;rtlichen Ge&#x017F;chmack<lb/>
gar nicht. Der Dichter &#x017F;agt vom <hi rendition="#fr">Aeneas,</hi> als er die<lb/>
Frau verloren: &#x201E;Seine Seufzer knallen&#x201C;, und la&#x0364;ßt ihn<lb/>
endlich mit Verachtung von der verlornen <hi rendition="#fr">Creu&#x017F;a</hi> &#x017F;pre-<lb/>
chen, ihn, der &#x017F;ie immer &#x017F;o za&#x0364;rtlich regrettirte!</p>
            </div><lb/>
            <div n="3">
              <head>Den 26&#x017F;ten April.</head><lb/>
              <p>Heute machte ich zuer&#x017F;t bei Sr. Gnaden, dem ver-<lb/>
ehrungswu&#x0364;rdigen <hi rendition="#fr">Fu&#x0364;r&#x017F;t von St. Bla&#x017F;ien,</hi> der eben auch<lb/>
hier war, meine Aufwartung. Die&#x017F;er vortrefliche Pra&#x0364;-<lb/>
lat bezeugte eine gro&#x017F;&#x017F;e Freude, mich hier wieder zu &#x017F;ehen,<lb/>
und in &#x017F;einer, des Hrn. <hi rendition="#fr">von Mechel</hi> aus <hi rendition="#fr">Ba&#x017F;el</hi> und<lb/>
Hrn. Baron <hi rendition="#fr">von Gemmingen</hi> Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft be&#x017F;ah ich<lb/>
drauf die Kai&#x017F;erl. <hi rendition="#fr">Bildergallerie</hi> in <hi rendition="#fr">Belvedere</hi> <note place="foot" n="*)">Ein au&#x017F;&#x017F;er <hi rendition="#fr">Wien</hi> auf einer Anho&#x0364;he liegendes Kai&#x017F;erl.<lb/>
Lu&#x017F;t&#x017F;chloß, das der Prinz <hi rendition="#fr">Eugen</hi> 1724. zu &#x017F;einem Som-<lb/>
merpala&#x017F;te erbaute, nach de&#x017F;&#x017F;en Tode es an den Kai&#x017F;erl.<lb/>
Hof fiel. <hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Herausgeber.</hi></hi></note>. Hr.<lb/><hi rendition="#fr">von Mechel</hi> hat &#x017F;ie in Ordnung gebracht, Namen,<lb/>
Nummer und Namen des Malers dazu zeichnen la&#x017F;&#x017F;en. &#x2014;<lb/>
Eine Arbeit von 2. Jahren. Die <hi rendition="#fr">er&#x017F;te Ordnung</hi> ward<lb/>
durch den Tod des Prinzen <hi rendition="#fr">Karls</hi> in <hi rendition="#fr">Bru&#x0364;&#x017F;&#x017F;el</hi> und andre<lb/>
Erledigungen der Gema&#x0364;lde in <hi rendition="#fr">Ma&#x0364;hren</hi> und <hi rendition="#fr">Ungarn</hi> ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nichtet.</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[511/0549] redet gewis niemand mehr in der Geſellſchaft ein Wort von dem Manne. Tantum ſumus, quantum edi- mus et conſumimus, heißt es hier! Blumauers Traveſtirung des 2ten Buchs der Aeneis, des Virgils, im Michaelis- und Scar- ronſchen Geſchmack wollte man hier fuͤr eine Satyre auf den Pabſt halten. Ich fand aber keinen aͤhnlichen Zug darin, und auch bei weitem nicht die leichte Laune des verſtorbenen Michaelis, und ſeinen zaͤrtlichen Geſchmack gar nicht. Der Dichter ſagt vom Aeneas, als er die Frau verloren: „Seine Seufzer knallen“, und laͤßt ihn endlich mit Verachtung von der verlornen Creuſa ſpre- chen, ihn, der ſie immer ſo zaͤrtlich regrettirte! Den 26ſten April. Heute machte ich zuerſt bei Sr. Gnaden, dem ver- ehrungswuͤrdigen Fuͤrſt von St. Blaſien, der eben auch hier war, meine Aufwartung. Dieſer vortrefliche Praͤ- lat bezeugte eine groſſe Freude, mich hier wieder zu ſehen, und in ſeiner, des Hrn. von Mechel aus Baſel und Hrn. Baron von Gemmingen Geſellſchaft beſah ich drauf die Kaiſerl. Bildergallerie in Belvedere *). Hr. von Mechel hat ſie in Ordnung gebracht, Namen, Nummer und Namen des Malers dazu zeichnen laſſen. — Eine Arbeit von 2. Jahren. Die erſte Ordnung ward durch den Tod des Prinzen Karls in Bruͤſſel und andre Erledigungen der Gemaͤlde in Maͤhren und Ungarn ver- nichtet. *) Ein auſſer Wien auf einer Anhoͤhe liegendes Kaiſerl. Luſtſchloß, das der Prinz Eugen 1724. zu ſeinem Som- merpalaſte erbaute, nach deſſen Tode es an den Kaiſerl. Hof fiel. Herausgeber.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/549
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/549>, abgerufen am 30.12.2024.