Schlosse kan man sagen, daß man ein Fremder sei, und man kommt wieder einige Schritte weiter.
Es geht auch eine Klapperpost durch die Stadt, die in 3. Stunden herumkömmt.
Den 22sten April.
Heute machte ich verschiedene Besuche, als
bei Hrn. Vogel, und frühstückte bei ihm auf Wie- ner Porzellan, -- wobei er mir sagte, daß man vor ei- niger Zeit vorgegeben habe, eine weisse Erde, wie die Sächsische, gefunden zu haben. -- Da er schon lange hier ist; so kennt er die Wiener sehr genau und erzählte mir so allerhand von ihnen, als unter andern: Es wä- ren eine Menge lediger Leute hier, die des Luxus wegen das Heirathen scheuen. -- Es sei unglaublich, mit wel- chen dummen und unwissenden Leuten der Kaiser zu thun habe, die besten und arbeitenden Leute wären Konvertiten. Die meisten Adelichen lernten auch hier nichts, als essen, trinken, huren, spielen, reiten, jagen etc. Doch gebe es auch noch Leute und Kaiserliche Beamte, die mit 600, 800, 1000. Gulden eine artige Haushaltung führen. -- Aber im Ganzen sei es nirgends nöthiger als hier, daß die Obrigkeit das Volk Oekonomie lehre. --
bei Hrn. von Jakobi, dem Königl. Preuß. Resi- denten an hiesigem Hofe. Er sagte mir, daß der Hr. Reichshofrath von Heß ein Kabinet habe, es aber selber, und deswegen niemals anders zeige, als wenn eine starke Gesellschaft beisammen ist, (wo insgemein keiner etwas recht sieht); doch versprach er, zu sorgen, daß ichs zu se- hen bekäme.
beim
Schloſſe kan man ſagen, daß man ein Fremder ſei, und man kommt wieder einige Schritte weiter.
Es geht auch eine Klapperpoſt durch die Stadt, die in 3. Stunden herumkoͤmmt.
Den 22ſten April.
Heute machte ich verſchiedene Beſuche, als
bei Hrn. Vogel, und fruͤhſtuͤckte bei ihm auf Wie- ner Porzellan, — wobei er mir ſagte, daß man vor ei- niger Zeit vorgegeben habe, eine weiſſe Erde, wie die Saͤchſiſche, gefunden zu haben. — Da er ſchon lange hier iſt; ſo kennt er die Wiener ſehr genau und erzaͤhlte mir ſo allerhand von ihnen, als unter andern: Es waͤ- ren eine Menge lediger Leute hier, die des Luxus wegen das Heirathen ſcheuen. — Es ſei unglaublich, mit wel- chen dummen und unwiſſenden Leuten der Kaiſer zu thun habe, die beſten und arbeitenden Leute waͤren Konvertiten. Die meiſten Adelichen lernten auch hier nichts, als eſſen, trinken, huren, ſpielen, reiten, jagen ꝛc. Doch gebe es auch noch Leute und Kaiſerliche Beamte, die mit 600, 800, 1000. Gulden eine artige Haushaltung fuͤhren. — Aber im Ganzen ſei es nirgends noͤthiger als hier, daß die Obrigkeit das Volk Oekonomie lehre. —
bei Hrn. von Jakobi, dem Koͤnigl. Preuß. Reſi- denten an hieſigem Hofe. Er ſagte mir, daß der Hr. Reichshofrath von Heß ein Kabinet habe, es aber ſelber, und deswegen niemals anders zeige, als wenn eine ſtarke Geſellſchaft beiſammen iſt, (wo insgemein keiner etwas recht ſieht); doch verſprach er, zu ſorgen, daß ichs zu ſe- hen bekaͤme.
beim
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Schloſſe kan man ſagen, daß man ein Fremder ſei, und
man kommt wieder einige Schritte weiter.
Es geht auch eine Klapperpoſt durch die Stadt,
die in 3. Stunden herumkoͤmmt.
Den 22ſten April.
Heute machte ich verſchiedene Beſuche, als
bei Hrn. Vogel, und fruͤhſtuͤckte bei ihm auf Wie-
ner Porzellan, — wobei er mir ſagte, daß man vor ei-
niger Zeit vorgegeben habe, eine weiſſe Erde, wie die
Saͤchſiſche, gefunden zu haben. — Da er ſchon lange
hier iſt; ſo kennt er die Wiener ſehr genau und erzaͤhlte
mir ſo allerhand von ihnen, als unter andern: Es waͤ-
ren eine Menge lediger Leute hier, die des Luxus wegen
das Heirathen ſcheuen. — Es ſei unglaublich, mit wel-
chen dummen und unwiſſenden Leuten der Kaiſer zu thun
habe, die beſten und arbeitenden Leute waͤren Konvertiten.
Die meiſten Adelichen lernten auch hier nichts, als eſſen,
trinken, huren, ſpielen, reiten, jagen ꝛc. Doch gebe es
auch noch Leute und Kaiſerliche Beamte, die mit 600,
800, 1000. Gulden eine artige Haushaltung fuͤhren. —
Aber im Ganzen ſei es nirgends noͤthiger als hier, daß
die Obrigkeit das Volk Oekonomie lehre. —
bei Hrn. von Jakobi, dem Koͤnigl. Preuß. Reſi-
denten an hieſigem Hofe. Er ſagte mir, daß der Hr.
Reichshofrath von Heß ein Kabinet habe, es aber ſelber,
und deswegen niemals anders zeige, als wenn eine ſtarke
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/530>, abgerufen am 21.11.2024.
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