Die Stadt Reutlingen versieht sich ganz mit Holz von dieser Alp, dort ist keins, und ist doch wohlfeil. Man haut aber auch junge Waldungen um. Bis 7. Klaftern Holz bekömmt ein Bürger aus den Gemeinde- Waldungen. Wer einen Zug hat, kauft Holz, und verführts im Winter, das ist alsdann die meiste Be- schäftigung. Die Leute fahrens bis nach Tübingen, und bringen dafür Wein zurück.
Die Schaafzucht ist hier herum sehr beträchtlich, daher auch so grosser Handel mit Schaafkäsen getrieben wird, daß sie oft den Leuten selbst ausgehen.
Hanf wird auch viel gebaut. Dagegen ist Man- gel an Wasser zwischen den Bergen. Die Bauern tränken daher ihr Vieh mit Regenwasser, oder mit Lache. Oft schmelzen sie Schnee. Oft ist in einem Dorfe nur Ein Brunnen, der im Sommer nicht versiegt. In der Erndte muß man oft zwei Leute mehr halten, um das Wasser für das Vieh weit her zu hohlen. Es sind Pfar- ren hier, wo die Gemeinde der Frau Pfarrerin allemahl im Kindbette ein Faß Wasser schenken muß.
Man säet im April, wenns die Witterung erlaubt, und erndtet doch oft erst 10-14. Tage nach Jakobi. Es hat schon in den zeitigen Haber, den sie abmähen, ge- schneiet, dieser war zur Saat unbrauchbar, und zum Füttern war er nicht viel.
Von Hauingen geht der Weg wieder herab in die Gauen, so nennt der Bauer das Thal.
Den 2ten April.
Kloster Zwyfalten. Da war ich heute. Und wenn man alle Tage im Jahre einen Wagen voll Korn
auf
Die Stadt Reutlingen verſieht ſich ganz mit Holz von dieſer Alp, dort iſt keins, und iſt doch wohlfeil. Man haut aber auch junge Waldungen um. Bis 7. Klaftern Holz bekoͤmmt ein Buͤrger aus den Gemeinde- Waldungen. Wer einen Zug hat, kauft Holz, und verfuͤhrts im Winter, das iſt alsdann die meiſte Be- ſchaͤftigung. Die Leute fahrens bis nach Tuͤbingen, und bringen dafuͤr Wein zuruͤck.
Die Schaafzucht iſt hier herum ſehr betraͤchtlich, daher auch ſo groſſer Handel mit Schaafkaͤſen getrieben wird, daß ſie oft den Leuten ſelbſt ausgehen.
Hanf wird auch viel gebaut. Dagegen iſt Man- gel an Waſſer zwiſchen den Bergen. Die Bauern traͤnken daher ihr Vieh mit Regenwaſſer, oder mit Lache. Oft ſchmelzen ſie Schnee. Oft iſt in einem Dorfe nur Ein Brunnen, der im Sommer nicht verſiegt. In der Erndte muß man oft zwei Leute mehr halten, um das Waſſer fuͤr das Vieh weit her zu hohlen. Es ſind Pfar- ren hier, wo die Gemeinde der Frau Pfarrerin allemahl im Kindbette ein Faß Waſſer ſchenken muß.
Man ſaͤet im April, wenns die Witterung erlaubt, und erndtet doch oft erſt 10-14. Tage nach Jakobi. Es hat ſchon in den zeitigen Haber, den ſie abmaͤhen, ge- ſchneiet, dieſer war zur Saat unbrauchbar, und zum Fuͤttern war er nicht viel.
Von Hauingen geht der Weg wieder herab in die Gauen, ſo nennt der Bauer das Thal.
Den 2ten April.
Kloſter Zwyfalten. Da war ich heute. Und wenn man alle Tage im Jahre einen Wagen voll Korn
auf
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0466"n="428"/><p>Die Stadt <hirendition="#fr">Reutlingen</hi> verſieht ſich ganz mit Holz<lb/>
von dieſer Alp, dort iſt keins, und iſt doch wohlfeil.<lb/>
Man haut aber auch junge Waldungen um. Bis 7.<lb/>
Klaftern <hirendition="#fr">Holz</hi> bekoͤmmt ein Buͤrger aus den Gemeinde-<lb/>
Waldungen. Wer einen Zug hat, kauft Holz, und<lb/>
verfuͤhrts im <hirendition="#fr">Winter,</hi> das iſt alsdann die meiſte Be-<lb/>ſchaͤftigung. Die Leute fahrens bis nach <hirendition="#fr">Tuͤbingen,</hi><lb/>
und bringen dafuͤr <hirendition="#fr">Wein</hi> zuruͤck.</p><lb/><p>Die <hirendition="#fr">Schaafzucht</hi> iſt hier herum ſehr betraͤchtlich,<lb/>
daher auch ſo groſſer Handel mit Schaafkaͤſen getrieben<lb/>
wird, daß ſie oft den Leuten ſelbſt ausgehen.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Hanf</hi> wird auch viel gebaut. Dagegen iſt Man-<lb/>
gel an <hirendition="#fr">Waſſer</hi> zwiſchen den Bergen. Die Bauern<lb/>
traͤnken daher ihr Vieh mit Regenwaſſer, oder mit Lache.<lb/>
Oft ſchmelzen ſie Schnee. Oft iſt in einem Dorfe nur<lb/>
Ein Brunnen, der im Sommer nicht verſiegt. In der<lb/>
Erndte muß man oft zwei Leute mehr halten, um das<lb/>
Waſſer fuͤr das Vieh weit her zu hohlen. Es ſind Pfar-<lb/>
ren hier, wo die Gemeinde der Frau Pfarrerin allemahl<lb/>
im Kindbette ein Faß Waſſer ſchenken muß.</p><lb/><p>Man ſaͤet im April, wenns die Witterung erlaubt,<lb/>
und erndtet doch oft erſt 10-14. Tage nach <hirendition="#fr">Jakobi.</hi> Es<lb/>
hat ſchon in den zeitigen Haber, den ſie abmaͤhen, ge-<lb/>ſchneiet, dieſer war zur Saat unbrauchbar, und zum<lb/>
Fuͤttern war er nicht viel.</p><lb/><p>Von <hirendition="#fr">Hauingen</hi> geht der Weg wieder herab in die<lb/><hirendition="#fr">Gauen,</hi>ſo nennt der Bauer das Thal.</p></div><lb/><divn="3"><head>Den 2ten April.</head><lb/><p><hirendition="#fr">Kloſter Zwyfalten.</hi> Da war ich heute. Und<lb/>
wenn man alle Tage im Jahre einen Wagen voll <hirendition="#fr">Korn</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch">auf</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[428/0466]
Die Stadt Reutlingen verſieht ſich ganz mit Holz
von dieſer Alp, dort iſt keins, und iſt doch wohlfeil.
Man haut aber auch junge Waldungen um. Bis 7.
Klaftern Holz bekoͤmmt ein Buͤrger aus den Gemeinde-
Waldungen. Wer einen Zug hat, kauft Holz, und
verfuͤhrts im Winter, das iſt alsdann die meiſte Be-
ſchaͤftigung. Die Leute fahrens bis nach Tuͤbingen,
und bringen dafuͤr Wein zuruͤck.
Die Schaafzucht iſt hier herum ſehr betraͤchtlich,
daher auch ſo groſſer Handel mit Schaafkaͤſen getrieben
wird, daß ſie oft den Leuten ſelbſt ausgehen.
Hanf wird auch viel gebaut. Dagegen iſt Man-
gel an Waſſer zwiſchen den Bergen. Die Bauern
traͤnken daher ihr Vieh mit Regenwaſſer, oder mit Lache.
Oft ſchmelzen ſie Schnee. Oft iſt in einem Dorfe nur
Ein Brunnen, der im Sommer nicht verſiegt. In der
Erndte muß man oft zwei Leute mehr halten, um das
Waſſer fuͤr das Vieh weit her zu hohlen. Es ſind Pfar-
ren hier, wo die Gemeinde der Frau Pfarrerin allemahl
im Kindbette ein Faß Waſſer ſchenken muß.
Man ſaͤet im April, wenns die Witterung erlaubt,
und erndtet doch oft erſt 10-14. Tage nach Jakobi. Es
hat ſchon in den zeitigen Haber, den ſie abmaͤhen, ge-
ſchneiet, dieſer war zur Saat unbrauchbar, und zum
Fuͤttern war er nicht viel.
Von Hauingen geht der Weg wieder herab in die
Gauen, ſo nennt der Bauer das Thal.
Den 2ten April.
Kloſter Zwyfalten. Da war ich heute. Und
wenn man alle Tage im Jahre einen Wagen voll Korn
auf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/466>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.