Inwendig ist er prächtig meublirt. In dem einen Saa- le ist ein Plafond, erst kürzlich von Oeser gemahlt, der hier Professor bei der Churfürstl. Akademie der bildenden Künste ist. In vielen Zimmern hängen vortrefliche Kupferstiche, besonders Bildnisse, unter Glas. Auch steht in einem eignen Zimmer eine herrliche Sammlung von Dichtern, die das Glück des Landlebens besungen haben, in prächtigen Bänden. Man geht durchs Ro- senthal dahin. Das ist ein ungemein reizendes Lust- wäldchen, gleich vor dem einen Thore der Stadt. Die Pleisse schleicht sehr angenehm hindurch. Tiefer im Gehölze sind Alleen durchgehauen, in deren einer sich Goh- lis über der Pleisse drüben, herrlich präsentirt.
Den 18ten Aug.
Heute besuchte ich zuerst des Direktor Heinicken's Institut zur Bildung der Stummen. Er ist eigentlich ein Schulmeister aus Hamburg, der vom Pastor Gö- tze beschuldigt ward, er wolle durch seinen Unterricht die Wunder Jesu zu Schanden machen. etc. Der Chur- fürst bot ihm sein Land, -- weil er doch ein Sachse ist, -- und 300. Thaler Gehalt an. Wie Hr. Heinicke unterrichtet, läst er nicht sehen. Die Zöglinge lernen durch Artikulation die Sprache, daher, sagt er, können sie sie auch nicht vergessen, dahingegen, wer das Gehör einbüßt, auch die Sprache verliert. Das sonderbarste aber ist, daß sie auch hören. Man muß nur langsam, laut und deutlich reden. Ein gewisser junger von Moh- renschild war sehr weit, las mir alle Residenzen von Europa laut von der Tafel ab, las den Glauben vor, schrieb was ich haben wolte, gab auf alles Acht, behielt
alles
Inwendig iſt er praͤchtig meublirt. In dem einen Saa- le iſt ein Plafond, erſt kuͤrzlich von Oeſer gemahlt, der hier Profeſſor bei der Churfuͤrſtl. Akademie der bildenden Kuͤnſte iſt. In vielen Zimmern haͤngen vortrefliche Kupferſtiche, beſonders Bildniſſe, unter Glas. Auch ſteht in einem eignen Zimmer eine herrliche Sammlung von Dichtern, die das Gluͤck des Landlebens beſungen haben, in praͤchtigen Baͤnden. Man geht durchs Ro- ſenthal dahin. Das iſt ein ungemein reizendes Luſt- waͤldchen, gleich vor dem einen Thore der Stadt. Die Pleiſſe ſchleicht ſehr angenehm hindurch. Tiefer im Gehoͤlze ſind Alleen durchgehauen, in deren einer ſich Goh- lis uͤber der Pleiſſe druͤben, herrlich praͤſentirt.
Den 18ten Aug.
Heute beſuchte ich zuerſt des Direktor Heinicken’s Inſtitut zur Bildung der Stummen. Er iſt eigentlich ein Schulmeiſter aus Hamburg, der vom Paſtor Goͤ- tze beſchuldigt ward, er wolle durch ſeinen Unterricht die Wunder Jeſu zu Schanden machen. ꝛc. Der Chur- fuͤrſt bot ihm ſein Land, — weil er doch ein Sachſe iſt, — und 300. Thaler Gehalt an. Wie Hr. Heinicke unterrichtet, laͤſt er nicht ſehen. Die Zoͤglinge lernen durch Artikulation die Sprache, daher, ſagt er, koͤnnen ſie ſie auch nicht vergeſſen, dahingegen, wer das Gehoͤr einbuͤßt, auch die Sprache verliert. Das ſonderbarſte aber iſt, daß ſie auch hoͤren. Man muß nur langſam, laut und deutlich reden. Ein gewiſſer junger von Moh- renſchild war ſehr weit, las mir alle Reſidenzen von Europa laut von der Tafel ab, las den Glauben vor, ſchrieb was ich haben wolte, gab auf alles Acht, behielt
alles
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0170"n="132"/>
Inwendig iſt er praͤchtig meublirt. In dem einen Saa-<lb/>
le iſt ein Plafond, erſt kuͤrzlich von <hirendition="#fr">Oeſer</hi> gemahlt, der<lb/>
hier Profeſſor bei der Churfuͤrſtl. Akademie der bildenden<lb/>
Kuͤnſte iſt. In vielen Zimmern haͤngen vortrefliche<lb/>
Kupferſtiche, beſonders Bildniſſe, unter Glas. Auch<lb/>ſteht in einem eignen Zimmer eine herrliche Sammlung<lb/>
von Dichtern, die das Gluͤck des Landlebens beſungen<lb/>
haben, in praͤchtigen Baͤnden. Man geht durchs <hirendition="#fr">Ro-<lb/>ſenthal</hi> dahin. Das iſt ein ungemein reizendes Luſt-<lb/>
waͤldchen, gleich vor dem einen Thore der Stadt. Die<lb/><hirendition="#fr">Pleiſſe</hi>ſchleicht ſehr angenehm hindurch. Tiefer im<lb/>
Gehoͤlze ſind Alleen durchgehauen, in deren einer ſich <hirendition="#fr">Goh-<lb/>
lis</hi> uͤber der <hirendition="#fr">Pleiſſe</hi> druͤben, herrlich praͤſentirt.</p></div><lb/><divn="3"><head>Den 18ten Aug.</head><lb/><p>Heute beſuchte ich zuerſt des Direktor <hirendition="#fr">Heinicken’s</hi><lb/>
Inſtitut zur Bildung der Stummen. Er iſt eigentlich<lb/>
ein Schulmeiſter aus <hirendition="#fr">Hamburg,</hi> der vom Paſtor <hirendition="#fr">Goͤ-<lb/>
tze</hi> beſchuldigt ward, er wolle durch ſeinen Unterricht die<lb/>
Wunder Jeſu zu Schanden machen. ꝛc. Der Chur-<lb/>
fuͤrſt bot ihm ſein Land, — weil er doch ein <hirendition="#fr">Sachſe</hi> iſt,<lb/>— und 300. Thaler Gehalt an. Wie Hr. <hirendition="#fr">Heinicke</hi><lb/>
unterrichtet, laͤſt er nicht ſehen. Die Zoͤglinge lernen<lb/>
durch Artikulation die Sprache, daher, ſagt er, koͤnnen<lb/>ſie ſie auch nicht vergeſſen, dahingegen, wer das Gehoͤr<lb/>
einbuͤßt, auch die Sprache verliert. Das ſonderbarſte<lb/>
aber iſt, daß ſie auch hoͤren. Man muß nur langſam,<lb/>
laut und deutlich reden. Ein gewiſſer junger von <hirendition="#fr">Moh-<lb/>
renſchild</hi> war ſehr weit, las mir alle Reſidenzen von<lb/><hirendition="#fr">Europa</hi> laut von der Tafel ab, las den Glauben vor,<lb/>ſchrieb was ich haben wolte, gab auf alles Acht, behielt<lb/><fwplace="bottom"type="catch">alles</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[132/0170]
Inwendig iſt er praͤchtig meublirt. In dem einen Saa-
le iſt ein Plafond, erſt kuͤrzlich von Oeſer gemahlt, der
hier Profeſſor bei der Churfuͤrſtl. Akademie der bildenden
Kuͤnſte iſt. In vielen Zimmern haͤngen vortrefliche
Kupferſtiche, beſonders Bildniſſe, unter Glas. Auch
ſteht in einem eignen Zimmer eine herrliche Sammlung
von Dichtern, die das Gluͤck des Landlebens beſungen
haben, in praͤchtigen Baͤnden. Man geht durchs Ro-
ſenthal dahin. Das iſt ein ungemein reizendes Luſt-
waͤldchen, gleich vor dem einen Thore der Stadt. Die
Pleiſſe ſchleicht ſehr angenehm hindurch. Tiefer im
Gehoͤlze ſind Alleen durchgehauen, in deren einer ſich Goh-
lis uͤber der Pleiſſe druͤben, herrlich praͤſentirt.
Den 18ten Aug.
Heute beſuchte ich zuerſt des Direktor Heinicken’s
Inſtitut zur Bildung der Stummen. Er iſt eigentlich
ein Schulmeiſter aus Hamburg, der vom Paſtor Goͤ-
tze beſchuldigt ward, er wolle durch ſeinen Unterricht die
Wunder Jeſu zu Schanden machen. ꝛc. Der Chur-
fuͤrſt bot ihm ſein Land, — weil er doch ein Sachſe iſt,
— und 300. Thaler Gehalt an. Wie Hr. Heinicke
unterrichtet, laͤſt er nicht ſehen. Die Zoͤglinge lernen
durch Artikulation die Sprache, daher, ſagt er, koͤnnen
ſie ſie auch nicht vergeſſen, dahingegen, wer das Gehoͤr
einbuͤßt, auch die Sprache verliert. Das ſonderbarſte
aber iſt, daß ſie auch hoͤren. Man muß nur langſam,
laut und deutlich reden. Ein gewiſſer junger von Moh-
renſchild war ſehr weit, las mir alle Reſidenzen von
Europa laut von der Tafel ab, las den Glauben vor,
ſchrieb was ich haben wolte, gab auf alles Acht, behielt
alles
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/170>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.