Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Auch ist hier schon wieder ander Geld und viel Ver-
wirrung dabei.

Den 1sten Sept.

Ich besah heute

Die Domkirche zu St. Peter. Sie ist so alt,
daß der Thurm keine Spitze mehr hat, ein Stück fällt
nach dem andern herab. Inwendig ist sie ungeheuer
weitläuftig, und hat weder Stühle noch Kanzel. Be-
ständig ertönt sie vom Pfaffengebrumme und Heiligenklin-
geln. Die dicken feisten Wänste laufen in unzählbaren
Schwärmen zwischen dem blinden Volke herum, und
denken nicht wie der, welcher des irrenden Hausens sich
erbarmte. -- In Kapellen rings an den Mauern des
Chors herum liegen die Bildsäulen der vergötterten Blöd-
sinnigen, die zuerst den Dom erbauten und zur Mästung
der Götzenpfaffen beschenkten. Alle Morgen um 9. Uhr
wird dem blinden Volke hinter einer goldnen prächtig ge-
arbeiteten und mit Licht erhellten Monstranz weis gemacht,
daß man die Leichname der sogenannten heil. drei Könige
aus Morgenland hier habe. -- Wer dann Geld zahlen will.
der bekommt den Schatz zu sehen. Da sieht man den
Stockknopf des Apostels Petri -- aus Kokosnus!! --
in einem prächtigen goldnen und silbernen Futteral. Das
mittelste Stück ist in Rom, das untere Stück in Trier,
der Knopf aber hier. -- Glieder von der Kette Petri
aus Apost. Gesch. 1. Sie sollen vom Glanz des En-
gels wie zerschmolzen seyn. Risum teneatis amici
etc.
-- Knochen von der Maria Magdalena, --
das Brustbein, und die Phalanges vom Stephanus,
Paulus, Petrus
etc. -- Ein Oberkleid, das die Mut-
ter Gottes auf ihrem heiligen Leibe getragen haben soll.

Es
Q q 4

Auch iſt hier ſchon wieder ander Geld und viel Ver-
wirrung dabei.

Den 1ſten Sept.

Ich beſah heute

Die Domkirche zu St. Peter. Sie iſt ſo alt,
daß der Thurm keine Spitze mehr hat, ein Stuͤck faͤllt
nach dem andern herab. Inwendig iſt ſie ungeheuer
weitlaͤuftig, und hat weder Stuͤhle noch Kanzel. Be-
ſtaͤndig ertoͤnt ſie vom Pfaffengebrumme und Heiligenklin-
geln. Die dicken feiſten Waͤnſte laufen in unzaͤhlbaren
Schwaͤrmen zwiſchen dem blinden Volke herum, und
denken nicht wie der, welcher des irrenden Hauſens ſich
erbarmte. — In Kapellen rings an den Mauern des
Chors herum liegen die Bildſaͤulen der vergoͤtterten Bloͤd-
ſinnigen, die zuerſt den Dom erbauten und zur Maͤſtung
der Goͤtzenpfaffen beſchenkten. Alle Morgen um 9. Uhr
wird dem blinden Volke hinter einer goldnen praͤchtig ge-
arbeiteten und mit Licht erhellten Monſtranz weis gemacht,
daß man die Leichname der ſogenannten heil. drei Koͤnige
aus Morgenland hier habe. — Wer dann Geld zahlen will.
der bekommt den Schatz zu ſehen. Da ſieht man den
Stockknopf des Apoſtels Petri — aus Kokosnus!! —
in einem praͤchtigen goldnen und ſilbernen Futteral. Das
mittelſte Stuͤck iſt in Rom, das untere Stuͤck in Trier,
der Knopf aber hier. — Glieder von der Kette Petri
aus Apoſt. Geſch. 1. Sie ſollen vom Glanz des En-
gels wie zerſchmolzen ſeyn. Riſum teneatis amici
etc.
— Knochen von der Maria Magdalena,
das Bruſtbein, und die Phalanges vom Stephanus,
Paulus, Petrus
ꝛc. — Ein Oberkleid, das die Mut-
ter Gottes auf ihrem heiligen Leibe getragen haben ſoll.

Es
Q q 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0639" n="615"/>
            <p>Auch i&#x017F;t hier &#x017F;chon wieder <hi rendition="#fr">ander Geld</hi> und viel Ver-<lb/>
wirrung dabei.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Den 1&#x017F;ten Sept.</head><lb/>
            <p>Ich be&#x017F;ah heute</p><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#fr">Domkirche</hi> zu St. <hi rendition="#fr">Peter.</hi> Sie i&#x017F;t &#x017F;o alt,<lb/>
daß der Thurm keine Spitze mehr hat, ein Stu&#x0364;ck fa&#x0364;llt<lb/>
nach dem andern herab. Inwendig i&#x017F;t &#x017F;ie ungeheuer<lb/>
weitla&#x0364;uftig, und hat weder Stu&#x0364;hle noch Kanzel. Be-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndig erto&#x0364;nt &#x017F;ie vom Pfaffengebrumme und Heiligenklin-<lb/>
geln. Die dicken fei&#x017F;ten Wa&#x0364;n&#x017F;te laufen in unza&#x0364;hlbaren<lb/>
Schwa&#x0364;rmen zwi&#x017F;chen dem blinden Volke herum, und<lb/>
denken nicht wie <hi rendition="#fr">der,</hi> welcher des irrenden Hau&#x017F;ens &#x017F;ich<lb/>
erbarmte. &#x2014; In Kapellen rings an den Mauern des<lb/>
Chors herum liegen die Bild&#x017F;a&#x0364;ulen der vergo&#x0364;tterten Blo&#x0364;d-<lb/>
&#x017F;innigen, die zuer&#x017F;t den Dom erbauten und zur Ma&#x0364;&#x017F;tung<lb/>
der Go&#x0364;tzenpfaffen be&#x017F;chenkten. Alle Morgen um 9. Uhr<lb/>
wird dem blinden Volke hinter einer goldnen pra&#x0364;chtig ge-<lb/>
arbeiteten und mit Licht erhellten Mon&#x017F;tranz weis gemacht,<lb/>
daß man die Leichname der &#x017F;ogenannten heil. drei Ko&#x0364;nige<lb/>
aus Morgenland hier habe. &#x2014; Wer dann Geld zahlen will.<lb/>
der bekommt den <hi rendition="#fr">Schatz</hi> zu &#x017F;ehen. Da &#x017F;ieht man den<lb/><hi rendition="#fr">Stockknopf</hi> des Apo&#x017F;tels <hi rendition="#fr">Petri</hi> &#x2014; aus Kokosnus!! &#x2014;<lb/>
in einem pra&#x0364;chtigen goldnen und &#x017F;ilbernen Futteral. Das<lb/>
mittel&#x017F;te Stu&#x0364;ck i&#x017F;t in <hi rendition="#fr">Rom,</hi> das untere Stu&#x0364;ck in <hi rendition="#fr">Trier,</hi><lb/>
der Knopf aber hier. &#x2014; Glieder von der Kette Petri<lb/>
aus Apo&#x017F;t. Ge&#x017F;ch. 1. Sie &#x017F;ollen vom Glanz des En-<lb/>
gels wie zer&#x017F;chmolzen &#x017F;eyn. <hi rendition="#aq">Ri&#x017F;um teneatis amici<lb/>
etc.</hi> &#x2014; Knochen von der <hi rendition="#fr">Maria Magdalena,</hi> &#x2014;<lb/>
das Bru&#x017F;tbein, und die <hi rendition="#aq">Phalanges</hi> vom <hi rendition="#fr">Stephanus,<lb/>
Paulus, Petrus</hi> &#xA75B;c. &#x2014; Ein Oberkleid, das die Mut-<lb/>
ter Gottes auf ihrem heiligen Leibe getragen haben &#x017F;oll.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q q 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[615/0639] Auch iſt hier ſchon wieder ander Geld und viel Ver- wirrung dabei. Den 1ſten Sept. Ich beſah heute Die Domkirche zu St. Peter. Sie iſt ſo alt, daß der Thurm keine Spitze mehr hat, ein Stuͤck faͤllt nach dem andern herab. Inwendig iſt ſie ungeheuer weitlaͤuftig, und hat weder Stuͤhle noch Kanzel. Be- ſtaͤndig ertoͤnt ſie vom Pfaffengebrumme und Heiligenklin- geln. Die dicken feiſten Waͤnſte laufen in unzaͤhlbaren Schwaͤrmen zwiſchen dem blinden Volke herum, und denken nicht wie der, welcher des irrenden Hauſens ſich erbarmte. — In Kapellen rings an den Mauern des Chors herum liegen die Bildſaͤulen der vergoͤtterten Bloͤd- ſinnigen, die zuerſt den Dom erbauten und zur Maͤſtung der Goͤtzenpfaffen beſchenkten. Alle Morgen um 9. Uhr wird dem blinden Volke hinter einer goldnen praͤchtig ge- arbeiteten und mit Licht erhellten Monſtranz weis gemacht, daß man die Leichname der ſogenannten heil. drei Koͤnige aus Morgenland hier habe. — Wer dann Geld zahlen will. der bekommt den Schatz zu ſehen. Da ſieht man den Stockknopf des Apoſtels Petri — aus Kokosnus!! — in einem praͤchtigen goldnen und ſilbernen Futteral. Das mittelſte Stuͤck iſt in Rom, das untere Stuͤck in Trier, der Knopf aber hier. — Glieder von der Kette Petri aus Apoſt. Geſch. 1. Sie ſollen vom Glanz des En- gels wie zerſchmolzen ſeyn. Riſum teneatis amici etc. — Knochen von der Maria Magdalena, — das Bruſtbein, und die Phalanges vom Stephanus, Paulus, Petrus ꝛc. — Ein Oberkleid, das die Mut- ter Gottes auf ihrem heiligen Leibe getragen haben ſoll. Es Q q 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/639
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 615. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/639>, abgerufen am 21.11.2024.