aber nicht gar breit, an den Mauern weg. Es ist auch eine fliegende Brücke hier. Die Schiffe, die da sind, bedeuten nicht viel; es sind Frachtschiffe, die nach Am- sterdam und nach Koblenz gehen. Wegen den bestän- digen Streitigkeiten der Spediteurs der Stadt, und der von Bonn, von Hessen etc. ist das kein so einträglicher Nahrungszweig, als ers sonst seyn könnte.
Einige wenige Bürgermeistershäuser abgerechnet, macht kein Haus Figur. Doch hat die Stadt mehr als alle alte Städte, die ich noch gesehen habe, breite Stras- sen, viele mit Bäumen besetzte Plätze, und scheint nicht ungesund zu seyn.
Bemerkungen.
In Absicht des Pfaffenwesens und der Menschen- religion ist freilich Cölln, das deutsche Rom,*) aber in Hinsicht der Gebäude und der Pracht gewis nicht.
Die Lebensart ist halb holländisch, halb deutsch. Hier sieht man noch alte deu[t]sche Bürger in langen Westen bis auf die Knie von geblümten Kalmank, den vielfaltigen Rock wie einen Umhang darüber, und über das alles einen grossen blauen Mantel. In diesem Aufzuge geht der Cöllner spazieren.
Auch hört man hier schon wieder Sonntag Abends das deutsche Fluchen und Juchzen der Besoffenen. Die alten Invaliden am Thore werden dann freilich nicht Meister.
Auch
*) Nur allein der vornemsten Kirchen hier sind 260, und ausser diesen noch 4. Abteien, 17. Mönchs- und 39. Nonnenklöster, 16. Spitäler, und 50. Kapellen. Herausgeber.
aber nicht gar breit, an den Mauern weg. Es iſt auch eine fliegende Bruͤcke hier. Die Schiffe, die da ſind, bedeuten nicht viel; es ſind Frachtſchiffe, die nach Am- ſterdam und nach Koblenz gehen. Wegen den beſtaͤn- digen Streitigkeiten der Spediteurs der Stadt, und der von Bonn, von Heſſen ꝛc. iſt das kein ſo eintraͤglicher Nahrungszweig, als ers ſonſt ſeyn koͤnnte.
Einige wenige Buͤrgermeiſtershaͤuſer abgerechnet, macht kein Haus Figur. Doch hat die Stadt mehr als alle alte Staͤdte, die ich noch geſehen habe, breite Straſ- ſen, viele mit Baͤumen beſetzte Plaͤtze, und ſcheint nicht ungeſund zu ſeyn.
Bemerkungen.
In Abſicht des Pfaffenweſens und der Menſchen- religion iſt freilich Coͤlln, das deutſche Rom,*) aber in Hinſicht der Gebaͤude und der Pracht gewis nicht.
Die Lebensart iſt halb hollaͤndiſch, halb deutſch. Hier ſieht man noch alte deu[t]ſche Buͤrger in langen Weſten bis auf die Knie von gebluͤmten Kalmank, den vielfaltigen Rock wie einen Umhang daruͤber, und uͤber das alles einen groſſen blauen Mantel. In dieſem Aufzuge geht der Coͤllner ſpazieren.
Auch hoͤrt man hier ſchon wieder Sonntag Abends das deutſche Fluchen und Juchzen der Beſoffenen. Die alten Invaliden am Thore werden dann freilich nicht Meiſter.
Auch
*) Nur allein der vornemſten Kirchen hier ſind 260, und auſſer dieſen noch 4. Abteien, 17. Moͤnchs- und 39. Nonnenkloͤſter, 16. Spitaͤler, und 50. Kapellen. Herausgeber.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0638"n="614"/>
aber nicht gar breit, an den Mauern weg. Es iſt auch<lb/>
eine fliegende Bruͤcke hier. Die Schiffe, die da ſind,<lb/>
bedeuten nicht viel; es ſind Frachtſchiffe, die nach <hirendition="#fr">Am-<lb/>ſterdam</hi> und nach <hirendition="#fr">Koblenz</hi> gehen. Wegen den beſtaͤn-<lb/>
digen Streitigkeiten der Spediteurs der Stadt, und der<lb/>
von <hirendition="#fr">Bonn,</hi> von <hirendition="#fr">Heſſen</hi>ꝛc. iſt das kein ſo eintraͤglicher<lb/>
Nahrungszweig, als ers ſonſt ſeyn koͤnnte.</p><lb/><p>Einige wenige Buͤrgermeiſtershaͤuſer abgerechnet,<lb/>
macht kein Haus Figur. Doch hat die Stadt mehr als<lb/>
alle alte Staͤdte, die ich noch geſehen habe, breite Straſ-<lb/>ſen, viele mit Baͤumen beſetzte Plaͤtze, und ſcheint nicht<lb/>
ungeſund zu ſeyn.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#fr">Bemerkungen.</hi></head><lb/><p>In Abſicht des <hirendition="#fr">Pfaffenweſens</hi> und der Menſchen-<lb/>
religion iſt freilich <hirendition="#fr">Coͤlln,</hi> das <hirendition="#fr">deutſche Rom,</hi><noteplace="foot"n="*)">Nur allein der vornemſten Kirchen hier ſind 260,<lb/>
und auſſer dieſen noch 4. Abteien, 17. Moͤnchs- und 39.<lb/>
Nonnenkloͤſter, 16. Spitaͤler, und 50. Kapellen.<lb/><hirendition="#et"><hirendition="#fr">Herausgeber.</hi></hi></note> aber<lb/>
in Hinſicht der Gebaͤude und der Pracht gewis nicht.</p><lb/><p>Die <hirendition="#fr">Lebensart</hi> iſt halb hollaͤndiſch, halb deutſch.<lb/>
Hier ſieht man noch <hirendition="#fr">alte deu<supplied>t</supplied>ſche Buͤrger</hi> in langen<lb/>
Weſten bis auf die Knie von gebluͤmten Kalmank, den<lb/>
vielfaltigen Rock wie einen Umhang daruͤber, und uͤber das<lb/>
alles einen groſſen blauen Mantel. In dieſem Aufzuge<lb/>
geht der <hirendition="#fr">Coͤllner</hi>ſpazieren.</p><lb/><p>Auch hoͤrt man hier ſchon wieder Sonntag Abends<lb/>
das <hirendition="#fr">deutſche Fluchen</hi> und Juchzen der Beſoffenen. Die<lb/>
alten Invaliden am Thore werden dann freilich nicht<lb/>
Meiſter.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Auch</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[614/0638]
aber nicht gar breit, an den Mauern weg. Es iſt auch
eine fliegende Bruͤcke hier. Die Schiffe, die da ſind,
bedeuten nicht viel; es ſind Frachtſchiffe, die nach Am-
ſterdam und nach Koblenz gehen. Wegen den beſtaͤn-
digen Streitigkeiten der Spediteurs der Stadt, und der
von Bonn, von Heſſen ꝛc. iſt das kein ſo eintraͤglicher
Nahrungszweig, als ers ſonſt ſeyn koͤnnte.
Einige wenige Buͤrgermeiſtershaͤuſer abgerechnet,
macht kein Haus Figur. Doch hat die Stadt mehr als
alle alte Staͤdte, die ich noch geſehen habe, breite Straſ-
ſen, viele mit Baͤumen beſetzte Plaͤtze, und ſcheint nicht
ungeſund zu ſeyn.
Bemerkungen.
In Abſicht des Pfaffenweſens und der Menſchen-
religion iſt freilich Coͤlln, das deutſche Rom, *) aber
in Hinſicht der Gebaͤude und der Pracht gewis nicht.
Die Lebensart iſt halb hollaͤndiſch, halb deutſch.
Hier ſieht man noch alte deutſche Buͤrger in langen
Weſten bis auf die Knie von gebluͤmten Kalmank, den
vielfaltigen Rock wie einen Umhang daruͤber, und uͤber das
alles einen groſſen blauen Mantel. In dieſem Aufzuge
geht der Coͤllner ſpazieren.
Auch hoͤrt man hier ſchon wieder Sonntag Abends
das deutſche Fluchen und Juchzen der Beſoffenen. Die
alten Invaliden am Thore werden dann freilich nicht
Meiſter.
Auch
*) Nur allein der vornemſten Kirchen hier ſind 260,
und auſſer dieſen noch 4. Abteien, 17. Moͤnchs- und 39.
Nonnenkloͤſter, 16. Spitaͤler, und 50. Kapellen.
Herausgeber.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 614. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/638>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.