Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite
Reise nach Cölln.
Den 30sten Aug.

Diesen Abend kam ich in Cölln an, nachdem ich
vorher Jülich und Bergen, 2. kleine Landstädtchen pas-
sirt hatte. Nichts ist so lächerlich, als die wichtige Mi-
ne, die sich die Besatzung in solchen kleinen Plätzen zu
geben pflegt. Da gehen sie so fürchterlich vor den Frem-
den auf den Posten am Thor herum, als wenn sie den
Schlüssel von ganz Deutschland zu bewahren hätten.
Die Gegend hier herum ist ganz unvergleichlich fruchtbar,
abwechselnd, und war für mich eine grosse Erquickung.

Im Thore muß man absteigen, und soll visitirt wer-
den, und diese Visitation muß man noch am Thor und
auf dem Zimmer dem hungrigen Soldaten bezahlen. Ein
wahres Spielwerk ists, ein Schatten, ein lahmes We-
sen, ohne Ernst.

Eine der besten Aubergen hier ist der Geist am
Rheinthore.

Den 31sten Aug.

Heute war Sonntag. -- Ich ruhte aus, bestellte
die Post, schrieb Briefe, sprach mit dänischen Offiziers,
die hier auf der Werbung lagen, und ging dann

Um die Stadt herum. Sie ist so gros, daß
man 2. volle Stunden braucht, wenn man sie ganz um-
gehen will. Sie hat eine Menge grosser und kleiner
Thore, und 500. Mann Stadtsoldaten, die alle Thore
besetzen. Der Graben ist ganz bewachsen, und zum
Theil in Garten verwandelt, hat aber einen schönen Spa-
ziergang, und auf der einen Seite läuft der lange Rhein,

aber
Q q 3
Reiſe nach Coͤlln.
Den 30ſten Aug.

Dieſen Abend kam ich in Coͤlln an, nachdem ich
vorher Juͤlich und Bergen, 2. kleine Landſtaͤdtchen paſ-
ſirt hatte. Nichts iſt ſo laͤcherlich, als die wichtige Mi-
ne, die ſich die Beſatzung in ſolchen kleinen Plaͤtzen zu
geben pflegt. Da gehen ſie ſo fuͤrchterlich vor den Frem-
den auf den Poſten am Thor herum, als wenn ſie den
Schluͤſſel von ganz Deutſchland zu bewahren haͤtten.
Die Gegend hier herum iſt ganz unvergleichlich fruchtbar,
abwechſelnd, und war fuͤr mich eine groſſe Erquickung.

Im Thore muß man abſteigen, und ſoll viſitirt wer-
den, und dieſe Viſitation muß man noch am Thor und
auf dem Zimmer dem hungrigen Soldaten bezahlen. Ein
wahres Spielwerk iſts, ein Schatten, ein lahmes We-
ſen, ohne Ernſt.

Eine der beſten Aubergen hier iſt der Geiſt am
Rheinthore.

Den 31ſten Aug.

Heute war Sonntag. — Ich ruhte aus, beſtellte
die Poſt, ſchrieb Briefe, ſprach mit daͤniſchen Offiziers,
die hier auf der Werbung lagen, und ging dann

Um die Stadt herum. Sie iſt ſo gros, daß
man 2. volle Stunden braucht, wenn man ſie ganz um-
gehen will. Sie hat eine Menge groſſer und kleiner
Thore, und 500. Mann Stadtſoldaten, die alle Thore
beſetzen. Der Graben iſt ganz bewachſen, und zum
Theil in Garten verwandelt, hat aber einen ſchoͤnen Spa-
ziergang, und auf der einen Seite laͤuft der lange Rhein,

aber
Q q 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0637" n="613"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#fr">Rei&#x017F;e</hi> nach <hi rendition="#fr">Co&#x0364;lln.</hi></head><lb/>
          <div n="3">
            <head>Den 30&#x017F;ten Aug.</head><lb/>
            <p>Die&#x017F;en Abend kam ich in <hi rendition="#fr">Co&#x0364;lln</hi> an, nachdem ich<lb/>
vorher <hi rendition="#fr">Ju&#x0364;lich</hi> und <hi rendition="#fr">Bergen,</hi> 2. kleine Land&#x017F;ta&#x0364;dtchen pa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;irt hatte. Nichts i&#x017F;t &#x017F;o la&#x0364;cherlich, als die wichtige Mi-<lb/>
ne, die &#x017F;ich die Be&#x017F;atzung in &#x017F;olchen kleinen Pla&#x0364;tzen zu<lb/>
geben pflegt. Da gehen &#x017F;ie &#x017F;o fu&#x0364;rchterlich vor den Frem-<lb/>
den auf den Po&#x017F;ten am Thor herum, als wenn &#x017F;ie den<lb/>
Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el von ganz <hi rendition="#fr">Deut&#x017F;chland</hi> zu bewahren ha&#x0364;tten.<lb/>
Die Gegend hier herum i&#x017F;t ganz unvergleichlich fruchtbar,<lb/>
abwech&#x017F;elnd, und war fu&#x0364;r mich eine gro&#x017F;&#x017F;e Erquickung.</p><lb/>
            <p>Im Thore muß man ab&#x017F;teigen, und &#x017F;oll vi&#x017F;itirt wer-<lb/>
den, und die&#x017F;e Vi&#x017F;itation muß man noch am Thor und<lb/>
auf dem Zimmer dem hungrigen Soldaten bezahlen. Ein<lb/>
wahres Spielwerk i&#x017F;ts, ein Schatten, ein lahmes We-<lb/>
&#x017F;en, ohne Ern&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Eine der be&#x017F;ten Aubergen hier i&#x017F;t der <hi rendition="#fr">Gei&#x017F;t</hi> am<lb/><hi rendition="#fr">Rhein</hi>thore.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Den 31&#x017F;ten Aug.</head><lb/>
            <p>Heute war Sonntag. &#x2014; Ich ruhte aus, be&#x017F;tellte<lb/>
die Po&#x017F;t, &#x017F;chrieb Briefe, &#x017F;prach mit da&#x0364;ni&#x017F;chen Offiziers,<lb/>
die hier auf der Werbung lagen, und ging dann</p><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Um die Stadt herum.</hi> Sie i&#x017F;t &#x017F;o gros, daß<lb/>
man 2. volle Stunden braucht, wenn man &#x017F;ie ganz um-<lb/>
gehen will. Sie hat eine Menge gro&#x017F;&#x017F;er und kleiner<lb/>
Thore, und 500. Mann Stadt&#x017F;oldaten, die alle Thore<lb/>
be&#x017F;etzen. Der Graben i&#x017F;t ganz bewach&#x017F;en, und zum<lb/>
Theil in Garten verwandelt, hat aber einen &#x017F;cho&#x0364;nen Spa-<lb/>
ziergang, und auf der einen Seite la&#x0364;uft der lange <hi rendition="#fr">Rhein,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q q 3</fw><fw place="bottom" type="catch">aber</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[613/0637] Reiſe nach Coͤlln. Den 30ſten Aug. Dieſen Abend kam ich in Coͤlln an, nachdem ich vorher Juͤlich und Bergen, 2. kleine Landſtaͤdtchen paſ- ſirt hatte. Nichts iſt ſo laͤcherlich, als die wichtige Mi- ne, die ſich die Beſatzung in ſolchen kleinen Plaͤtzen zu geben pflegt. Da gehen ſie ſo fuͤrchterlich vor den Frem- den auf den Poſten am Thor herum, als wenn ſie den Schluͤſſel von ganz Deutſchland zu bewahren haͤtten. Die Gegend hier herum iſt ganz unvergleichlich fruchtbar, abwechſelnd, und war fuͤr mich eine groſſe Erquickung. Im Thore muß man abſteigen, und ſoll viſitirt wer- den, und dieſe Viſitation muß man noch am Thor und auf dem Zimmer dem hungrigen Soldaten bezahlen. Ein wahres Spielwerk iſts, ein Schatten, ein lahmes We- ſen, ohne Ernſt. Eine der beſten Aubergen hier iſt der Geiſt am Rheinthore. Den 31ſten Aug. Heute war Sonntag. — Ich ruhte aus, beſtellte die Poſt, ſchrieb Briefe, ſprach mit daͤniſchen Offiziers, die hier auf der Werbung lagen, und ging dann Um die Stadt herum. Sie iſt ſo gros, daß man 2. volle Stunden braucht, wenn man ſie ganz um- gehen will. Sie hat eine Menge groſſer und kleiner Thore, und 500. Mann Stadtſoldaten, die alle Thore beſetzen. Der Graben iſt ganz bewachſen, und zum Theil in Garten verwandelt, hat aber einen ſchoͤnen Spa- ziergang, und auf der einen Seite laͤuft der lange Rhein, aber Q q 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/637
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/637>, abgerufen am 21.11.2024.